„Vertrauen wir nicht zu fest auf den Markt, die Erneuerbaren brauchten 2017 unseren Durchhaltewillen, unsere Visionen und unsere Überzeugungskraft. Und 2018 werden sie genauso darauf angewiesen sein!“ Anita Niederhäusern

In der Schweiz war es rund 1.6 Grad zu warm. 2017 gehört damit zu den zehn wärmsten Jahren in der Schweiz. Grafik: MeteoSchweiz

Strombarone kämpfen mit bereits blutigen Fäusten weiter

(AN) Klimaextreme haben auch 2017 die Schweiz geprägt. Nicht nur in Bondo haben Bergstürze Todesopfer gefordert. Die Niederschläge waren in weiten Teilen der Schweiz rekordtief. Auch wenn die Annahme des neuen Energiegesetzes erfreulich ist, ist doch angesichts dieser Tatsachen die Geschwindigkeit, mit der in Erneuerbare und die Effizienz investiert wird, nach wie vor ungenügend.


Lassen wir uns nicht von der weissen Pracht, die uns im Dezember in Weihnachtsstimmung brachte, blenden: 2017 war wieder ein rekordwarmes Jahr, eines mehr. In der Schweiz war es rund 1.6 Grad zu warm. Dieses Jahr gehört damit zu den zehn wärmsten Jahren in der Schweiz. Die Grafik rechts zeigt eindrücklich, wohin die Reise bei uns, aber auch anderswo, geht: Weltweit gesehen wird 2017 nach 2015 und 2016 voraussichtlich das drittwärmste Jahr in Folge. 1940 zählte die Schweiz noch 5 Sommertage über 25°C, 2003 waren es 78 Tage.

Von der Wärme zeugten auch die trotz Trockenheit und Rekordhitze hohen Wasserstände der Flüsse, die Gletscherwasser aus den Alpgengebieten abführen: Bereits 2016 verlor die Schweiz gleichviel Gletschermasse, wie sie jährlich an Trinkwasser verbraucht. Gut möglich, dass 2017 ähnliche Werte erreicht werden. Und Wasserkraftwerke mit hohem Gletscherwasseranteil werden in ihren Jahresbilanzen für 2017 wieder Rekordergebnisse melden, während die Anlagen, die grösstenteils Niederschläge in Strom umwandeln, ein äusserst schlechtes Jahr hinter sich haben.

Markt, Markt, Markt und noch einmal Markt: Mit dem neuen Energiegesetz und den dazugehörenden neuen Verordnungen, die am 1.1.18 in Kraft treten, sollen insbesondere die neuen Erneuerbaren auf Markt getrimmt werden. Mit der Direktvermarktung wurde für nicht einmal 5 % der Stromproduktion in der Schweiz ein Instrument geschaffen, das schon bei der Ausarbeitung sehr wohl Manpower verbraucht hat. Denn nur Anlagen bis 500 kW, die bereits die KEV erhalten, müssen nicht in die Direktvermarktung wechseln. Auf der Seite der neuen Erneuerbaren wird folglich der Begriff Markt sehr streng ausgelegt, während auf der anderen Seite in der Energieförderverordnung Unterstützungsgelder für die Grosswasserkraft vorgesehen sind. Sie soll dem Markt nicht noch mehr ausgesetzt werden …

Markt, Markt, Markt und noch einmal Markt, vor allem für die neuen Erneuerbaren, weil sie den alten Technologien Konkurrenz machen. Markt für ein Stromnetz, das auf jeder Netzebene notabene die richtige Spannung aufweisen muss, damit es zuverlässig läuft. Natürlich steht die Photovoltaik dank der kleinen und grossen Einmalvergütung ganz gut da. Ab 2022 bis 2030 sollen auch dank diesem neuen Instrument jährlich knapp 450 MW PV-Leistung zugebaut werden. Das allerdings nach einer Durststrecke, die auf die Wartefristen für die Einmalvergütung zurückzuführen ist: Die kleine Einmalvergütung weist bereits eine Wartefrist von 2.5 Jahren auf, die grosse Einmalvergütung sogar stattliche 6 Jahre. Warum ausgerechnet nach 2022? Weil dann die Förderung für die vom Markt geschützte Grosswasserkraft auslaufen wird.

Markt, Markt, Markt und noch einmal Markt, ausser für die Kosten, die Stromunternehmen an die gebundenen Endkunden – also Haushalte und KMU – weitergeben dürfen. Gemäss dem Entscheid des Parlaments sind Energieversorger zwar weiterhin grundsätzlich verpflichtet, Preisvorteile aus günstig zugekauftem Strom weiterzugeben, und zwar rückwirkend auf fünf Jahre. Zur sogenannten Durchschnittspreismethode gibt es aber Ausnahmen: Wer erneuerbaren Strom aus inländischen Anlagen liefert, muss die Preisvorteile bis Ende 2022 nicht weitergeben.

Marktverzerrung? Je nachdem, auf welcher Seite man steht. Die Strombarone kämpfen mit bereits blutigen Fäusten weiterhin für den Erhalt ihrer schwindenden Macht. Sie kommen nicht nur auf der Produktionsseite unter Druck, sondern auch von Seiten der Speicherung: In Deutschland hat sich zum Beispiel der Batteriehersteller Sonnen zum Ziel gesetzt, bis 2020 einer der wichtigsten Energieversorger des Landes zu werden.

Sie sind marktreif, die Erneuerbaren. Dagegen sind es die traditionellen fossilen Energien, die Atomkraft, aber auch die Grosswasserkraft nicht mehr. Letztere ist mittelfristig ein wichtiger Baustein in einer erneuerbaren Energieversorgung. In 10-20 Jahren vielleicht gar nicht mehr so sehr, wie wir uns das heute vorstellen? Der Rechtsrutsch bei den letzten Wahlen 2015 ist der wichtigste Grund, warum wir in der Schweiz in Sachen neue erneuerbare Energien immer noch zu den Schlusslichtern Europas gehören.

Angesichts unseres Wohlstands, der rasend schnell fortschreitenden Klimaerwärmung und den sich in der Geriatrie-Abteilung befindenden Schweizer AKW ist das ein Armutszeugnis. Vertrauen wir nicht zu fest auf den Markt, die Erneuerbaren brauchten 2017 unseren Durchhaltewillen, unsere Visionen und unsere Überzeugungskraft. Und 2018 werden sie genauso darauf angewiesen sein!

Anita Niederhäusern, Herausgeberin ee-news.ch und leitende Redaktorin

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1 Kommentare

Max Blatter

Persönlich würde ich die letzten Sätze des Artikels so formulieren: "Die Erneuerbaren brauchten in den vergangenen Jahrzehnten unseren Durchhaltewillen, unsere Visionen, unsere Überzeugungskraft. Und in den kommenden Dekaden werden sie genauso darauf angewiesen sein. Alle: Sonne, Wind, Wasserkraft, Biomasse, Geothermie u.a.m.; zusammen mit Energieumwandlungs- und Speichertechnologien wie Power-to-Gas, Batterien, Brennstoffzellen. Alle - unabhängig von der Grösse oder dem Alter der Anlagen. Animositäten (oder gar Neid und Missgunst?) haben dabei keinen Platz."

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