Kurt Heiniger, ehemaliger Professor an der Hochschule für Technik der Fachhochschule Nordwestschweiz, hat den thermomagnetische Motor mit entwickelt. ©Foto: Alex Spichale

Augenarzt mit Begeisterung für technische Innovationen: Dr. Nikolaus Vida zeigt die Rohre, über die warmes und kaltes Wasser in den thermomagnetischen Motor gelangen und anschliessend wieder daraus abfliessen. ©Foto: Alex Spichale

Ende des 19. Jahrhunderts hatte unter anderem der Physiker Thomas Alva Edison beschrieben, wie man die Differenz zwischen zwei relativ niedrigen Temperaturen zur Erzeugung eines elektrischen Stroms nutzen kann.

Darstellung des industrietauglichen Prototypen des thermomagnetischen Motors. Das Herzstück der Kraftmaschine ist im Betrieb unter einer Kunststoffabschirmung verborgen. ©Illustration: Heiniger/FHNW

Eine Studie hat die Chemie-, Metall-, Papier- und Nahrungsmittelindustrie als potenzielle Standorte für thermomagnetische Kraftmaschinen identifiziert. ©Grafik: BFE-Studie Magnetokalorische Kraftmaschine zur Stromerzeugung, 2014

Dr. Nikolaus Vida (l.) und Prof. Dr. Kurt Heiniger haben gemeinsam den Prototypen eines thermomagnetischen Motors (auf dem Foto ist nur ein Teil der Bestandteile zu sehen) entwickelt. ©Foto: Alex Spichale

Thermomagnetischer Motor: Strom aus handwarmem Wasser

(BV) Ende des 19. Jahrhunderts beschrieben die Physiker Tesla und Edison, wie sich aus einer Wärmedifferenz und unter Zuhilfenahme magnetischer Kräfte elektrischer Strom erzeugen lässt, doch die kommerzielle Nutzung blieb aus. Nun hat ein Technikfreak mit der Fachhochschule Nordwestschweiz einen thermomagnetischen Motor entwickelt, der Strom im Kilowatt-Bereich liefert.


Die heutigen Computer haben ihren Ursprung – so erzählt man sich – in den Garagen technikbegeisterter Bastler im US-Bundesstaat Kalifornien. An diese Erzählungen fühlt man sich erinnert, wenn man die Geschichte von Dr. Nikolaus Vida hört, einem aus Ungarn stammenden Augenarzt: Vida kam 2005 zusammen mit seiner Frau Sabine in die Schweiz und betreibt seither in Bad Zurzach eine Arztpraxis. Die Augenheilkunde aber ist nicht Vidas einzige Leidenschaft. Neben seinem anspruchsvollen Beruf geht er in einer Garage einer ganz besonderen Freizeitbeschäftigung nach. Dort arbeitet er an der Konstruktion einer Maschine, die aus der Wärmedifferenz zwischen zwei Flüssigkeiten einen elektrischen Strom erzeugen kann.

Demonstrator mit 80 Watt Leistung
„Die Idee kam mir 1994 in Russland. Dort erzählten mir Wissenschaftler von der Idee, eine schwimmende Meeresplattform autark mit Energie zu versorgen, dies mit Strom, der durch Ausnutzung der Temperaturdifferenz zwischen dem warmen Oberflächenwasser und jenem in der Tiefe gewonnen werden sollte.“ Die Idee liess Nikolaus Vida, der in Budapest seine Kindheit verbrachte und später in Paris, Wien und Deutschland lebte, nicht mehr los. Nachdem Vida 2005 in der Schweiz gekommen war, ging er daran, die Idee dieser neuartigen Stromerzeugungsmaschine technisch umzusetzen. In seiner Garage baute er zuerst in einer Tupperware-Dose ein Modell der neuartigen Maschine.

Später folgte ein funktionsfähiges Modell, zuerst kleiner, dann grösser. Unterstützt wurde er von russischen, georgischen und weiteren Wissenschaftlerfreunden, die Komponenten beisteuerten, die sie in Labors in Moskau und Tiflis gefertigt hatten und die in der Schweiz zusammengebaut wurden. Im März 2013 stellte er der Öffentlichkeit im Thermalbad Zurzach erstmals einen Demonstrator der neuartigen Strommaschine vor. Dieser nutzte 36 °C und 18 °C warmes Wasser und produzierte daraus eine mechanische Leistung von 80 Watt. Das reichte zwar nur für den Betrieb einiger LED-Lampen. Doch der Demonstrator zeigte: der thermomagnetische Motor funktioniert!

Altes Prinzip neu entdeckt
Wie man eine Differenz zwischen zwei relativ niedrigen Temperaturen zur Erzeugung eines elektrischen Stroms nutzen kann, hatten 1888 und 1892 schon die Physiker Nikola Tesla und Thomas Alva Edison beschrieben. Seither ist das Gerät unter dem Namen 'thermomagnetischer Motor' und 'Tesla-Motor' bekannt. Gebaut wurde ein kommerziell nutzbares Gerät trotz vieler Versuche bisher aber noch nicht. Auf anderen Wegen liess sich elektrischer Strom einfacher und kostengünstiger gewinnen. Auf der Suche nach nicht-fossilen Energiequellen ist nun aber die Zeit des 'thermomagnetischen Motors' gekommen, ist Nikolaus Vida überzeugt.

Die zentrale Herausforderung beim Bau eines thermomagnetischen Motors besteht darin, ein ferromagnetisches Material durch zwei unterschiedlich warme Flüssigkeiten in schnellem Wechsel zu erwärmen und wieder abzukühlen. Durch den Temperaturwechsel wechselt das Material vom ferromagnetischen in den paramagnetischen Zustand – dieser Wechsel kann in mechanische und dann über einen Generator in elektrische Energie umgewandelt werden. Vida ist überzeugt, mit einem Drehrad, das sich um fixierte Permanentmagnete dreht, eine taugliche technische Lösung gefunden zu haben: „Unsere Konstruktion ist von einem Mühlenrad inspiriert. Uns gelingt es, die magnetische Eigenschaft des ferromagnetischen Materials in Millisekunden zu ändern, also – bildlich gesprochen – Eisen zu Plastik zu machen. Das ist viel schneller als bei einem uns bekannten japanischen Funktionsmuster.“

Ein Hochschulprofessor mit im Boot
Da behauptet einer, in seiner heimischen Garage nichts weniger als eine neue Form der Stromerzeugung entdeckt zu haben und in Millisekunden „Eisen zu Plastik“ zu machen. Ist das die Arbeit eines ernsthaften Forschers? Oder nur der Bluff eines selbsternannten Erfinders? Genau diese Frage stellte sich Kurt Heiniger, Professor an der Hochschule für Technik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), als er 2012 erstmals von der Wundermaschine hörte. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass ein Technikfreak den langjährigen Direktor des Instituts für Thermo- und Fluid-Engineering von der Genialität seiner Erfindung zu überzeugen versuchte.

„Vida hat sich an PSI und Empa gewandt – sie haben ihn alle fast ausgelacht. Und als er dann zu mir gekommen ist, habe ich ihn auch ausgelacht.“ Doch Heiniger liess sich überreden, eine Energiebilanz von Vidas Demonstrator zu erstellen, also die Leistung und den Wirkungsgrad (in Relation zum Input) zu errechnen. Heiniger, der promovierte Ingenieur der ETH, wusste: Die Verwendung von Wasser mit 36 °C und 18 °C würde einen maximalen Wirkungsgrad (Carnot-Wirkungsgrad) von 5,8 % erlauben, verglichen mit herkömmlichen Kraftwerken ein sehr tiefer Wirkungsgrad. „Trotzdem habe ich gestaunt“, erzählt Heiniger. „Aus dieser kleinen Temperaturdifferenz hat Vida mit einer an sich einfachen technischen Lösung eine respektable Leistung herausgeholt.“

Kleinanlage im industriellen Piloteinsatz
Damit war Kurt Heiniger mit im Boot. Mitte 2013 sagte das Bundesamt für Energie dem Projekt seine Unterstützung zu, um einen ersten industrietauglichen Prototypen zu entwickeln. Diese Anlage, die noch kein konkretes Wirkungsgradziel verfolgt, wurde im ersten Quartal 2015 in der Energiezentrale einer Aargauer Klinik aufgebaut und seither im Teilbetrieb erfolgreich getestet. Sie nutzt 53 °C warmes Abwasser der Klinik (10 m3/h) und 14grädiges Aarewasser (4 m3/h), um aus der Temperaturdifferenz eine elektrische Leistung von 1 bis 1,4 kW zu generieren. Diese Anlage soll nun in einem nächsten Schritt in einer industriellen Umgebung und im Fernbetrieb eingesetzt werden und ihm Dauerbetrieb (4000 Stunden) ihre Praxistauglichkeit beweisen. Zu dem Zweck wird der Prototyp in einem Holcim-Zementwerk aufgestellt. Als Wärmequelle nutzt sie dort das Abwasser aus der Zementproduktion, das bisher über einen Kühlturm gekühlt wird.

Zur kommerziellen Nutzung des thermomagnetischen Motors hat Vida die Firma Swiss Blue Energy AG gegründet. „Innerhalb von fünf Jahren wollen wir ein marktfähiges Produkt mit einer Leistung im Megawatt-Bereich entwickeln“, sagte Vida. Bis zu diesem Ziel, sagt Heiniger, seien noch wichtige Hürden zu nehmen. Eine zentrale Herausforderung liegt bei der Wahl des ferromagnetischen Materials. Bisher wird hierzu Gadolinium verwendet, eine seltene Erde, die relativ teuer ist (100 – 300 Fr./kg) und nicht ganz im Einklang mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit steht. Gadolinium ist in der Verarbeitung sehr anspruchsvoll (Schmelzpunkt: 1312 °C) und damit teuer, auch korrodiert es schnell. Die Entwickler des thermomagnetischen Motors prüfen daher alternative Materialien. Alternativen sind auch gefragt, weil die Abwärme erst dann optimal genutzt werden kann, wenn verschiedene ferromagnetische Materialien eingesetzt werden können, deren Curie-Temperatur sich über die Wahl der Legierung genau 'einstellen' lässt, angepasst an die verfügbaren Wassertemperaturen. Gadolinium hat eine fixe Curie-Temperatur von 19,3 °C und ist in diesem Sinn unflexibel.

Erheblicher Forschungsbedarf
„Um den Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung zu ebnen, müssen wir auch unkonventionelle Ansätze beispielsweise im Bereich von industriellen Abwässern mit niedriger Temperatur prüfen“, sagt Roland Brüniger, der das BFE-Forschungsprogramm Elektrizitätstechnologien und -anwendungen leitet. So werden Kurt Heiniger und seine Forscherkollegen in Zukunft auch alles daran setzen, die Prozesse rund um den thermomagnetischen Motor noch adäquater zu beschreiben und so die Simulationsmodelle zu optimieren. „Die Physik hinter dem Motor ist sehr komplex, die Bewegung des ferromagnetischen Materials im magnetischen Feld führt zu dynamischen Wechselwirkungen. Wir haben bisher erst 70 % der Physik verstanden.“

Trotz Schwierigkeiten glauben Heiniger und Vida an ihre Technologie. Nachdem die energetische Verwertung von Abwasser mit Temperaturen unter 100 °C lange Zeit als nicht lohnend erschien, zielen heute verschiedene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten genau in diese Richtung. Vida sieht weitere Anwendungen in der Geothermie (40- bis 60grädiges Wasser) und der Solarthermie. Eine alternative Technologie ist der thermoelektrische Generator, der die Wärmedifferenzen direkt (thermoelektrischer Effekt/Seebeck-Effekt) in Strom umwandelt. Dasselbe Ziel verfolgt die Organic-Rankine-Cycle-Technologie (ORC), eine Dampfturbine, die anders als herkömmliche Dampfturbinen auch bei relativ geringen Temperaturdifferenzen laufen. „Unsere Technologie hat für den Niedrigtemperaturbereich das grösste Potenzial und ist viel einfacher“, ist Kurt Heiniger überzeugt.


Weiter Informationen

  • www.swiss-blue-energy.ch
  • Weitere Auskünfte zu dem Projekt erteilt Roland Brüniger (roland.brueniger@r-brueniger-ag.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Elektrizitätstechnologien und -anwendungen.
  • Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Elektrizität finden Sie unter: www.bfe.admin.ch/CT/strom

Wechsel der Magneteigenschaft innerhalb von Millisekunden

Unter dem Namen Curie-Pendel hat das Experiment Eingang in den Physikunterricht gefunden: Positioniert man einen Permanentmagneten neben ein Pendel aus einem ferromagnetischen Material, wird das Pendel vom Magneten angezogen und bleibt an ihm haften. Stellt man nun eine Kerze unter das Pendel und erhitzt sie, verliert es nach einer gewissen Zeit seine magnetische Eigenschaft – und pendelt vom Magneten weg. Da sich das Pendel nun nicht mehr über dem Magneten befindet, kühlt sie sich ab, wird damit wieder magnetisch – und wird vom Magneten wieder angezogen. Bis die Kerze das Pendel erneut erhitzt...

Die Temperatur, bei der das Pendel seine magnetische Eigenschaft ändert, heisst Curie-Temperatur, benannt nach dem französischen Physiker Pierre Curie, der diesen Effekt 1895 entdeckt hat. Verschiedene Materialien haben eine unterschiedliche Curie-Temperatur. Diesen Effekt nutzt der thermomagnetische Motor von Vida. Als Material wird Gadolinium (Curie-Temp: 19,3 °C) genutzt: Die Gadolinium-Proben sind auf einem Drehrad mit 70 cm Durchmesser befestigt. Durch eine geschickte technische Konstruktion wird das Gadolinium zuerst auf über 19,3 °C erwärmt (und damit entmagnetisiert), dann auf unter 19,3 °C abgekühlt (und damit magnetisiert). Während einer Umdrehung des Rades erfolgt dieser Wechsel der Temperatur (und damit der magnetischen Eigenschaft) fünf Mal.

Neben dem Drehrad sind fünf Permanentmagnete so im Kreis angeordnet, dass die Gadolinium-Proben in kurzem Wechsel angezogen und dann wieder abgestossen werden. Als Folge dieser An- und Abstossung setzt sich das Drehrad in Bewegung. Die Rotationsenergie des Drehrades kann über eine Welle auf einen Generator übertragen und dort in Strom umgewandelt werden.

Während das Drehrad beim Prototypen mit 80 Hz rotiert, dauert ein Magnetisierungs-Entmagnetisierungs-Zyklus ca. 24 Millisekunden. Die Konstrukteure mussten also einen 'thermischen Schalter' entwickeln, der den Wechsel von Temperatur und Magneteigenschaften in dieser kurzen Zeit ermöglicht. Das war (und ist) eine der wesentlichen Herausforderungen für die Erfinder des thermomagnetischen Motors.

Der thermomagnetische Effekt funktioniert auch umgekehrt, um also aus elektrischem Strom eine Temperaturdifferenz zu erzeugen. Seit einigen Jahren versuchen Techniker, diesen Effekt für einen 'magnetokalorischen' Kühlschrank zu nutzen. BV


Kurt Heiniger in memoriam
Kurt Heiniger, langjähriger Professor an der Hochschule für Technik der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), hat die Entwicklung eines thermomagnetischen Motors massgeblich vorangetrieben. Im Juni dieses Jahres ist Kurt Heiniger auf einer Tour in seinen geliebten Bergen ums Leben gekommen. Wir haben mit ihm einen Freund und Kollegen verloren, der sich mit ganzer Energie und seiner grossen Erfahrung in dieses Projekt eingebracht hat. Nun ist der Prototyp des neuartigen Stromgenerators zu seinem Vermächtnis geworden. Wir setzen alles daran, seine Arbeit mit Unterstützung der Fachhochschule Nordwestschweiz weiterzuführen.

Text: Dr. Nikolaus Vida, Swiss Blue Energy AG



©Text: Dr. Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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2 Kommentare

Wolfgang Heddrich

Sehr geehrter Herr Dr. Vogel, sehr geehrter Herr Dr. Vida,

Noch eine Anregung zu der sehr interessanten Technik. Könnte man nicht auch einen geschlossenen magnetischen Kreis bestehend aus einem Hochleistungsmagneten, einem ferromagnetischen Leiter wie Weicheisen und einem Leiterstück Gadolinium als „thermischer“ Schalter zur Variation des magnetischen Flusses einsetzen. Der magnetische Kreis wird an einer Stelle des Ferromagneten von einer Spule umfasst. Durch die zeitliche Änderung des Flusses entsteht ein Induktionsstrom. Mit 22ms Schaltzeit kommt man mit Optmierung vielleicht an die 50 Hz heran und arbeitet ohne bewegliche Teile.

Viele Grüße

Wolfgang Heddrich
Wolfgang. Heddrich @ t-online.de

Nessis S.

Vor Kurzem bin ich auf Ihre Seite gestoßen und mit wirklich grossem Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen. Ihre Entwicklung trägt an sich sicherlich für eine sehr wichtige Funktion bei. Gerne würde ich in dieser Hinsicht Ihre Aufmerksamkeit auf schon bereits vor langer Zeit beschriebene physikalische Mechanismen in diesem Bereich lenken.
Hier habe ich einige Beispiele aufgelistet:
http://link.springer.com/article/10.1007%2FBF00871494?LI=true
http://link.springer.com/article/10.1007/BF02681631
https://www.google.ch/patents/US20100253181?hl=de
http://www.google.com/patents/DE4295148D2?hl=de&cl=pt-pt
https://www.google.ch/patents/WO2012091565A1?cl=en

PD, Dr., Dr. Nessis
s.nessis@physik.uni-saarland.de

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