Links: Die Lamellen der solarthermischen Jalousie dienen als Absorber. Die Wärme wird über Heat-Pipes und Aluminiumadapter an den Sammelkanal abgeführt. Rechts: Die Jalousie ist insbesondere für Gebäude mit großen Glasfassaden geeignet. ©Bild: ISE

Die Streifenkollektor-Elemente lassen sich hinsichtlich Gestaltung und Ausrichtung flexibel in Fassaden integrieren, hier als schwarze Streifen in Kombination mit dekorativen Fassadenprofilen. ©Bild: DAW SE/Karim Donath

Fraunhofer ISE: Dank Projekt ArKol das Wärmepotenzial von Fassaden erschliessen

(ISE) Etwa 30% der Endenergie in Deutschland werden heute für Raumwärme und Trinkwassererwärmung eingesetzt. Zu einem Gelingen der Wärmewende können Fassaden als »Wärmewände« einen Beitrag liefern, der bislang wenig Beachtung gefunden hat. Ein Forschungskonsortium unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE hat im Projekt »ArKol« zwei neuartige solarthermische Fassadenkollektoren entwickelt, die architektonisch ansprechend einen integralen Bestandteil der Fassade darstellen: einen Streifenkollektor und eine solarthermische Jalousie.


Für die Entwicklung der multifunktionalen Gebäudehüllen im Projekt »ArKol – Entwicklung von architektonisch hoch integrierten Fassadenkollektoren mit Heat-Pipes«, das im Februar 2020 abgeschlossen wurde, kooperierte das Fraunhofer ISE mit den Firmen DAW SE und Priedemann Façade-Lab sowie dem Borderstep-Institut für Innovation und Nachhaltigkeit, dem Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade und dem Institut für Baukonstruktion der Universität Stuttgart.

Mehr Gestaltungsfreiheit
»Ziel des Projekts war, das grosse Flächenpotenzial von Fassaden für die Wärmeerzeugung zu nutzen und gleichzeitig Architekten mehr Gestaltungsfreiheit zu geben, denn ein Hemmnis für den breiten Einsatz von Solarthermie waren bislang die Vorbehalte potenzieller Kunden gegenüber dem Erscheinungsbild der Kollektoren. Zugleich sollte der Planungsaufwand reduziert und eine vereinfachte Montage und Installation ermöglicht werden«, so Dr.-Ing. Michael Hermann, Koordinator für Innovationsprozesse im Geschäftsbereich Thermische Systeme und Gebäudetechnik am Fraunhofer ISE.

Einstrahlungsprofil entspricht Bedarf besser
Fassaden weisen gegenüber der klassischen Aufdach-Installation von Solarthermie-Kollektoren eine Reihe von Vorteilen auf. So passt das Einstrahlungsprofil bei Heizungsunterstützung der Innenräume besser zum tatsächlichen Energieverbrauch: Im Winter, wenn die Sonne niedriger steht, wird die Fassade in einem günstigeren Winkel angestrahlt als das Dach und kann daher einen höheren Ertrag liefern. Im Sommer dagegen, wenn der Wärmebedarf deutlich geringer ist und sich im Wesentlichen auf die Trinkwassererwärmung beschränkt, unterliegen die Fassadenkollektoren einer geringeren Sonneneinstrahlung. Sie erzeugen daher weniger überschüssige Wärme, was die Materialbelastung von Kollektor und Fluid verringert und eine längere Lebensdauer ermöglicht. Im urbanen Raum mit hohen Gebäuden stehen zudem mehr Flächen an Fassaden als auf Dächern zur Verfügung – zumal diese oft auch für Fahrstuhlschächte und andere technische Aufbauten benötigt werden.

Für die effiziente und ästhetisch ansprechende Nutzung von Solarthermie in Fassaden entwickelten die Forscher und ihre Industriepartner Konzepte und erste Demonstratoren für transparente und opake Gebäudehülle.

Solarthermische Jalousie als multifunktionales Fassadenelement
Das Gewinnen von solarer Wärme an transparenten Gebäudebereichen ist mit herkömmlichen Kollektoren bisher nicht oder nur unter Einschränkung der Transparenz möglich. Gleichzeitig werden in verglasten Fassaden von Hochhäusern häufig Jalousien zwischen Glasscheiben in Doppelfassaden eingesetzt. Durch die Sonneneinstrahlung treten Temperaturen bis zu 100 °C in diesem Zwischenraum auf. Die Solarthermische Jalousie kann diese überschüssige Wärme wie ein solarthermischer Kollektor abführen und bietet gleichzeitig die volle Beweglichkeit und Funktionalität eines Lamellen-Sonnenschutzes. Somit kann die Solarthermische Jalousie bei Bedarf komplett gerafft werden und bietet dann volle Transparenz. Durch das Abführen der Wärme kann im Sommer zudem die Kühllast des Gebäudes verringert werden, was den Energiebedarf zusätzlich senkt.

Dazu werden Wärmerohre (Heat-Pipes) in die Lamellen integriert, um die Wärme der als Absorber dienenden Lamellen über eine schaltbare thermische Kopplung »trocken«, ohne Flüssigkeitstransfer, an einen seitlichen Sammelkanal zu übergeben. Dank dieses Wärmeübertragungskonzepts können die Lamellen durch einfaches Lösen des Kontakts wie herkömmliche Jalousien bewegt werden. Die Jalousie ist vor allem für Doppelfassaden geeignet, deren Zwischenraum einen guten Witterungsschutz bietet.

»Die solarthermische Jalousie kann als multifunktionales Fassadenelement für ein angenehmes Raumklima und guten Blendschutz sorgen und gleichzeitig den Energiebedarf für Warmwasserbereitung und Klimatisierung verringern«, erklärt Projektleiter Simon Häringer.

Streifenkollektoren – hohe Effizienz und flexible Gestaltung
Der ebenfalls im Projekt entwickelte Streifenkollektor bietet gegenüber klassischen Solarkollektorbauarten ein hohes Mass an Flexibilität hinsichtlich Grösse, Farbe, Abstand, Anzahl und Ausrichtung und stellt damit ein gestalterisch attraktives Bauelement dar. Die streifenförmige Kollektorkonstruktion kann in unterschiedlichen Längen ausgeführt und stufenlos auf der Unterkonstruktion positioniert werden. Die Bereiche zwischen den einzelnen Kollektorstreifen können mit üblichen Fassadenbekleidungsmaterialien in beliebiger Höhe ergänzt werden. Technisch möglich wird dies dadurch, dass die Wärme, die durch Sonneneinstrahlung auf dem spektralselektiv beschichteten Absorber im Kollektor entsteht, durch Wärmerohre zur Seite transportiert und dort »trocken« an den Sammelkanal übertragen wird. Da nur der Sammelkanal von einem Solarfluid durchströmt wird, benötigen die einzelnen Kollektoren keinen hydraulischen Anschluss.

Plug&Play-Lösung
Die Kollektoren werden in die Unterkonstruktion einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade (VHF) mit marktüblichen Agraffen eingehängt. Dieses Konzept ist sowohl an Neubauten als auch im Rahmen einer Sanierung umsetzbar. »Diese Plug&Play-Lösung erleichtert die Abstimmung der Gewerke im Bauprozess und schafft klare Schnittstellen für Installation und Haftung. Auch die vereinfachte Hydraulikplanung erleichtert Fassadenbauern, Stuckateuren und Malern die Umsetzung«, erklärt Katharina Morawietz, Teilprojektleiterin Streifenkollektor. Diese Vorteile während der Montage und die grossen Gestaltungsmöglichkeiten werden in der Umsetzung einer ersten Demonstratorfassade bei DAW gut sichtbar.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Für die erfolgreiche Entwicklung der vom Fraunhofer ISE vorgeschlagenen Fassadenkollektorkonzepte bis hin zur Praxistauglichkeit war die interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend. Kompetenzen und Erfahrungen aus der Solar- und Baubranche – von der Fassadenplanung über die Komponentenentwicklung bis zur Montage und Installation durch das Handwerk – kamen dafür zusammen. Die Schwerpunkte des Fraunhofer ISE lagen dabei neben der Gesamtkoordination insbesondere in der Charakterisierung und Entwicklung von Heat-Pipes, der solarthermischen Auslegung, der konstruktiven Umsetzung, dem Musterbau und der Vermessung. Die Streifenkollektoren für die Demonstrationsfassade wurden von der Firma Wagner Solar gefertigt.

Webseite Forschungsprojekt »ArKol«

Text: Fraunhofer ISE

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