International und voller Energie ist Simon Clark auch in seiner Freizeit unterwegs. Seit 2006 engagiert er sich als Ingenieur ohne Grenzen, hier in Mozambique. ©Bild: DLR

Ingenieur ohne Grenzen: Von einem, der auszog, Batterien für morgen zu erforschen

(DLR) Ob Elektroauto, Stromspeicher oder Mobiltelefon - ohne leistungsfähige und im Betrieb sichere Batterien kein Fortschritt bei Elektromobilität und Energieversorgung. Ein Amerikaner in Ulm sucht neue Wege und ist ganz nebenbei auch noch in Afrika unterwegs.


Es sind 4776 Meilen von Columbus im amerikanischen Bundesstaat Georgia bis Ulm, der Universitätsstadt am Rande der Schwäbischen Alb. Für Simon Clark begann diese Reise ins ferne Deutschland vor zehn Jahren mit einem Auslandssemester. Zum ersten Mal verliess er die USA, den Koffer gepackt, den Reisepass in der Hand und die ersten Brocken Deutsch auf der Zunge. Diese hatte er im Sprachkurs an seiner Heimatuniversität Georgia Tech in Atlanta gelernt. Sie zählt zu den grössten ingenieurwissenschaftlichen Hochschulen der Vereinigten Staaten. Für viele ihrer Studierenden ist Deutschland ein beliebtes Ziel: Es locken Ruf und Tradition seiner Ingenieure.

Batterien der nächsten Generation
Angekommen ist Simon Clark aber nicht nur im Land der Ingenieure, sondern auch im Land der Energiewende, der oft gewöhnungsbedürftigen regionalen Dialekte und der mit Hingabe praktizierten Gepflogenheit der Mülltrennung. Als Doktorand arbeitet er beim DLR und erforscht am Helmholtz-Zentrum für Elektrochemische Energiespeicherung in Ulm Batterien der nächsten Generation. Diese sollen mobilen Geräten zu mehr Leistung und Laufzeit verhelfen sowie Strom aus Windkraft- oder Solaranlagen speichern, der gerade nicht benötigt wird. Clark wohnt in einem kleinen Haus mit Garten, an dem er gerne werkelt und repariert – eine der Schwabenseele nur allzu bekannte Lebensart. Dank seiner Nachbarn, die den Zugezogenen aus dem Südosten der USA schnell ins Herz geschlossen haben, kommen ihm die schwäbischen Vokabeln genauso leicht über die Lippen wie die Erklärung des hiesigen Recycling-Rituals gegenüber Besuchern aus seiner Heimat.

Was kommt nach der Lithium-Ionen-Batterie?
Beim DLR hat Clark die Möglichkeit, an einem absoluten Zukunftsthema mitzuarbeiten, das vor allem die weiteren Entwicklungen in Mobilität und Energieversorgung entscheidend beeinflussen wird: Von Elektrofahrzeugen über Stromspeicher bis hin zu den meisten tragbaren Geräten wie Smartphones - überall kommen Lithium-Ionen-Batterien zum Einsatz. Diese haben jedoch entscheidende Nachteile: Da Lithium leicht entzündlich ist, können fehlerhafte Batterien anfangen zu brennen oder gar explodieren. Leistung und Lebensdauer halten nicht mit den hohen Nutzeranforderungen Schritt und schliesslich ist Lithium auf der Erde zwar häufig, aber nicht unbegrenzt vorhanden, müsste in Zukunft also aufwändig wiederverwendbar gemacht werden. "Um in Sachen Batterie nachhaltig aufgestellt zu sein, beschäftigen wir uns gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung mit der Frage, was nach der Lithium-Batterie kommt", fasst Professor Arnulf Latz zusammen. Er leitet beim DLR- Institut für Technische Thermodynamik die Abteilung Computergestützte Elektrochemie, die am Helmholtz-Institut für Elektrochemische Energiespeicherung in Ulm angesiedelt ist.

Über ihn führte Simon Clarks Weg ins DLR. Nach dem Bachelor-Abschluss fand er seinen ersten Job in Deutschland bei einer kleinen Ingenieurfirma in Ulm und bekam dort Kontakt zum DLR. Die schwäbische Universitätsstadt ist stark vertreten im Bereich der Energieforschung: Neben dem Helmholtz-Institut arbeiten die dortige Universität und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden- Württemberg (ZSW) auf diesem Feld. "Das Thema Energie ist eine grosse Herausforderung für Forschung und Gesellschaft, ein super- interessantes Gebiet und gleichzeitig ganz nah an unserem Alltag", begründet Clark seine Entscheidung für das Master-Studium "Energy Science and Technology" in Ulm, bei dem er Arnulf Latz kennenlernte, der ihn im Fach Simulation und Modellierung unterrichtete.

Strom kompakter und effzienter speichern
In Latz' Team untersucht der Amerikaner gemeinsam mit einem Dutzend Kollegen neue Batteriekonzepte. Ein Schwerpunkt sind Metall-Luft-Batterien, bei denen eine Elektrode aus Metall besteht und die andere aus dem Sauerstoff der Luft. Der Vorteil dieses Aufbaus: Viel mehr Energie lässt sich in einem deutlich kleineren Volumen zu günstigeren Preisen speichern. Neben Lithium kommen Magnesium, Natrium, Aluminium, Calcium, Eisen oder Zink dafür infrage. Simon Clark konzentriert sich in seiner Doktorarbeit auf Zink. Es ist ein reaktives Metall, das häufig in der Natur vorkommt, sich aber im Gegensatz zum hochreaktiven Lithium auch in einer feuchten Sauerstoffatmosphäre sicher handhaben lässt.

Auf der Suche nach Sekundärbatterien
Zink-Luft-Batterien existieren bereits und kommen zum Beispiel in Hörgeräten zum Einsatz. Allerdings handelt es sich dabei um Primärbatterien: Sie können nur einmal entladen und nicht wieder aufgeladen werden. Clark arbeitet deshalb an Sekundärbatterien auf Zink-Luft-Basis, die möglichst oft und mit möglichst wenig Verlusten aufgeladen und entladen werden können, also eine hohe Ladezyklenfestigkeit und damit eine lange Lebensdauer aufweisen.

Die Herausforderung liegt wie immer im Detail: "Da wir bei diesem Konzept ganz normale Umgebungsluft verwenden, kann der Kohlenstoffdioxidanteil der Luft die elektrochemischen Prozesse, die im Inneren der Batteriezelle ablaufen, negativ beeinflussen. Dadurch wird die Leistungsfähigkeit der Zelle herabgesetzt, sie degradiert, wie wir sagen", erklärt Clark. Er untersucht deshalb die Architektur, also den optimalen Aufbau solcher Batterien sowie speziell für sie geeignete Elektrolyte. Das Elektrolyt ist ein zentraler Bestandteil jeder Batterie. Seine beweglichen und elektrisch geladenen Ionen machen die elektrochemischen Prozesse, die dazu führen, dass eine Batterie beim Entladen Strom abgibt und beim Laden wieder aufnehmen kann, erst möglich. Elektrolyte können Flüssigkeiten, aber auch Feststoffe sein.

Zehn Jahre bis zur Marktreife
"Die schwierigste Aufgabe ist es, zu verstehen, welche komplizierten Reaktionsprozesse unter welchen Bedingungen im Elektrolyt ablaufen und wie sie sich auf die Leistung der Zelle auswirken", so der DLR-Wissenschaftler. Bis die theoretischen Grundlagen entwickelt sind, entsprechende Batteriekonzepte getestet wurden und die Technologie in einem kommerziellen Produkt anwendbar ist, werden wohl noch zehn Jahre vergehen. Als vielversprechendes Einsatzgebiet für Zink-Luft-Batterien gelten Stromspeicher, um Strom aus regenerativen Energiequellen vorzuhalten und bei Bedarf ins Netz zurückzuspeisen. Im Gegensatz zu Batterien auf Lithium-Ionen- oder Blei-Säure-Basis sind sie sehr sicher und nicht giftig. "Gehen sie kaputt, explodieren sie nicht, sondern sind eben nur kaputt. Ausserdem sehen wir in Zink-Luft-Batterien das Potenzial, dass sie billiger, kompakter und aufgrund ihrer höheren Energiedichte auch leistungsfähiger sein werden als Lithium-Batterien", erläutert Clarks wissenschaftlicher Betreuer Professor Arnulf Latz.

Batterie von morgen - heute schon simuliert
Bis dahin hält der Arbeitsalltag für Simon Clark und seine Kollegen zunächst noch viele Stunden am Computer bereit. Sie entwickeln Modelle und simulieren, welche Prozesse in den Batteriezellen ablaufen. Mit diesem Wissen werden erste kleine Batteriezellen gebaut und dann zum Beispiel von den Stuttgarter Institutskollegen der Abteilung Elektrochemische Energietechnik in Laborversuchen getestet. Deren Ergebnisse fliessen wiederum in die Modelle ein. "Eine Zelle hundert Mal zu laden und wieder zu entladen und die dabei ablaufenden Prozesse zu beobachten, das dauert im Labor oft Monate. Am Rechner können wir das innerhalb eines Tages simulieren und ermöglichen so gezieltere und wesentlich effizientere Laborversuche."

Die Möglichkeit, sich mit den experimentell arbeitenden Kollegen am DLR in Stuttgart auszutauschen, schätzt der Amerikaner genauso wie die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. "Gemeinsam stossen wir immer wieder auf neue Faktoren, die einfach nicht vorhersehbar waren und die wir weiter untersuchen wollen. Genau das ist es auch, was mir an der Arbeit im DLR so gut gefällt: Wir können mit einer langfristigen Perspektive forschen und haben die Freiheit, Dinge manchmal einfach auszuprobieren. Gleichzeitig hat unsere Arbeit einen ganz praktischen Anwendungsbezug - für mich ist das die ideale Mischung."

Ingenieur ohne Grenzen
International und voller Energie ist Simon Clark auch in seiner Freizeit unterwegs. Seit er im Jahr 2006 noch als Student in den USA einen Vortrag der weltweit tätigen Hilfsorganisation "Ingenieure ohne Grenzen" hörte, hat ihn die Idee dahinter nicht mehr losgelassen. "Uns geht es darum, in Entwicklungsländern gemeinsam mit den Menschen vor Ort Technik zu entwickeln und das Wissen zu vermitteln, damit diese dort selbstständig angewendet und gewartet werden kann", beschreibt Clark den Ansatz der Organisation. "Technische Geräte einfach nur mitzubringen und aufzustellen, bringt langfristig oft nichts, weil sie kaputtgehen können und lokal die Mittel fehlen, sie zu reparieren." Die praktische Arbeit vor Ort, nah an den Menschen und ihren Bedürfnissen, gefällt dem DLR-Forscher gut. Seit er in Ulm ist, gehört er zum harten Kern der dortigen Gruppe von Ingenieuren ohne Grenzen und hat mitgeholfen, Projekte in Honduras und Kamerun anzustossen.

Einsatz in Mozambique
Sein erster eigener Einsatz führte ihn 2012 nach Mozambique, um dort abgelegene Schulen zu elektrifizieren. Die Infrastruktur des bis in die Neunzigerjahre vom Bürgerkrieg gebeutelten Landes in Südostafrika ist bis heute vor allem in den ländlichen Gebieten schwach. Mehr als die Hälfte der heute Erwachsenen hat nie lesen oder schreiben gelernt. "Die einzige Möglichkeit für diese Menschen ist es, das abends in Schulen nachzuholen. Dazu braucht man allerdings Licht", erklärt Simon Clark die Hintergründe des Projekts. Deshalb hat die Gruppe um den DLR-Wissenschaftler eine Lampe entwickelt, welche die Leute in Mozambique mit einfachen Mitteln selbst bauen können und die mit Solaranlagen betrieben wird. "Das ist Learning by Doing. Gleichzeitig identifizieren sich die Techniker, die wir ausbilden, viel mehr mit ihrem eigenen Produkt und übernehmen Verantwortung dafür."

Drei weitere Male war Simon Clark bisher in Mozambique. Ein bisschen Zeit brauche man schon immer, um mental in einem Land anzukommen, in dem feste Zeitpläne nicht existieren, das Leben langsamer vonstatten geht und in dem es auf dem Land keinen Strom und kaum geteerte Strassen gibt, meint er. "Wir haben aber nie Kontaktprobleme gehabt, die Mehrheit der Menschen ist sehr neugierig, aufgeschlossen und freundlich. Das macht es einfach, persönliche Beziehungen aufzubauen, die für den Erfolg unseres Projekts extrem wichtig sind", fasst Clark seine Erfahrungen zusammen. Dass für sein Engagement ein Grossteil seines Urlaubs draufgeht, sieht er entspannt: "Ich erhalte dadurch ganz andere Perspektiven, lerne viel Neues kennen und kann meine Aufmerksamkeit mal auf etwas völlig anderes lenken. Das gibt mir neuen Antrieb und vermittelt mir das Gefühl, mit meiner Freizeit etwas Gutes und Sinnvolles gemacht zu haben." Nach der Rückkehr von seinem letzten Aufenthalt im Februar dieses Jahres sass Clark am nächsten Tag gleich wieder in seinem Büro beim DLR –- schliesslich soll ja auch die Doktorarbeit in einem Jahr fertig sein.

Text: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

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