Emissionen im Flugverkehr zählen mehrfach, die Abgase wirken in dieser Höhe nämlich viel stärker auf das Klima als am Boden. Zudem verursachen Flugzeuge nicht nur CO2, sondern auch andere Treibhausgase wie Stickoxide, Russ und Wasserdampf.

SES: Die Klimapolitik versagt beim Flugverkehr

(PM) Die Schweiz ist ein Land von Vielfliegenden. Besonders viel fliegen gut ausgebildete Leute, die sich über die Auswirkungen ihres Tuns sehr wohl bewusst sind. Fliegen ist das klimaschädlichste Massen-Verkehrsmittel, doch die Politik unternimmt nichts zur Eindämmung des Wachstums. Die Branche bleibt bis jetzt von der CO2-Abgabe, Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer verschont. Freiwillige Massnahmen werden es nicht richten, regulatorische Eingriffe sind dringend nötig und von der Bevölkerung sogar erwünscht. Die SES fordert die Politik auf, nicht weiter die Augen zu verschliessen und zu handeln.


Gemäss einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung des Forschungsinstituts gfs-zürich im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung SES sind über die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer in den letzten zwei Jahren einmal oder mehrmals geflogen (56%). Besonders Leute mit hoher Bildung und hohen Einkommen tendieren zum Vielfliegen – und zwar nicht etwa aus beruflichen Gründen, sondern privat. 24'850 Kilometer – mehr als eine halbe Erdumrundung – legte die Schweizer Wohnbevölkerung 2015 pro Person zurück. Mehr als ein Drittel davon, 9000 km, wurden geflogen, fast 90 Prozent davon zu privaten Zwecken, Tendenz zunehmend ( Vgl. >>.).

Wissen ist nicht handlungsanweisend
Aus der Umfrage von gfs-zürich, bei der 1004 zufällig ausgewählte Personen aus der Deutsch- und Westschweiz befragt wurden, geht hervor, dass nur knapp ein Viertel (23%) der Schweizer Bevölkerung in den letzten zwei Jahren aus ökologischen Gründen auf eine Flugreise verzichtet hat. Und das, obwohl eine klare Mehrheit der Aussage zustimmt, dass der Flugverkehr das Klima aufheizt (60%) und die meisten angeben, im Alltag auf klimafreundliches Handeln zu achten (54%). Aus diesen Resultaten wird ersichtlich, dass zwischen Problembewusstsein und Umsetzung eine Lücke besteht. Das Wissen um die Klimaschädlichkeit reicht nicht aus, um das individuelle Verhalten zu ändern. Nur Wenige steigen der Umwelt zuliebe auf klimafreundlichere Verkehrsmittel um oder steuern ein näheres Reiseziel an.

Mehrfach schädliche Emissionen
Emissionen im Flugverkehr zählen mehrfach, die Abgase wirken in dieser Höhe nämlich viel stärker auf das Klima als am Boden. Zudem verursachen Flugzeuge nicht nur CO2, sondern auch andere Treibhausgase wie Stickoxide, Russ und Wasserdampf. Wie viel stärker, darüber sind sich Flugbranche und Wissenschaft uneinig. Aerosuisse, der Dachverband der Schweizerischen Luft- und Raumfahrt, geht von einem Radiative Forcing Index (RFI) von 1,35 aus. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) geht von einem höheren Faktor aus, wobei die Auswirkungen der Bildung von Zirruswolken (Kondensstreifen) relativ unsicher ist, aber einen grossen Einfluss hat. Das deutsche Umweltbundesamt berücksichtigt diesen Effekt und nimmt einen RFI von 3 bis 5 an. Viele Umweltverbände, aber auch die bekannte «Klimakompensationsorganisation» myclimate, rechnen mit einem Faktor 2.

Fliegen ist in jedem Fall das klimaschädlichste Massen-Verkehrsmittel. Weltweit trägt es rund 5% zur globalen Erwärmung bei. In der Schweiz sind es sogar 18%. Im Gegensatz zu anderen Bereichen wie Heizen oder Strassenverkehr, wo der CO2-Ausstoss abnimmt, geht die Kurve beim Fliegen nur in eine Richtung: Hinauf. Das Wachstum übersteigt die Effizienzgewinne bei weitem. Obwohl der Verbrauch der Flugzeuge laufend gesenkt werden kann, wird die Klimabilanz der Zivilluftfahrt jedes Jahr schlechter. Ganz einfach, weil immer mehr Flugzeuge unterwegs sind.

Befreit von Steuern und Abgaben
Das müsste die Politik auf den Plan rufen, könnte man meinen. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: Die Flugbranche wird verschont und gefördert, wo es nur geht. Für ein Zugbillet ist die Mehrwertsteuer fällig – auf Flugtickets wird diese nicht erhoben. Auch von der CO2-Abgabe und der Mineralölsteuer, die auf Heizöl und Treibstoffen erhoben wird, ist Flugkerosin befreit. Und beim Klimagipfel in Bonn, der letzte Woche zu Ende ging, war der Flugverkehr einmal mehr kein Thema. Die Emissionen der Flugzeuge werden in den Klimaverhandlungen nicht miteinbezogen.

Man setzt stattdessen auf freiwillige Massnahmen der Branche, was keine gute Idee ist, wie das Beispiel CORSIA zeigt. Im Oktober 2016 hat die UNO-Luftfahrtbehörde ICAO das «Carbon offsetting and Reduction Scheme for International Aviation» beschlossen – ein Etikettenschwindel. Emissionen müssen nicht reduziert, sondern lediglich teilweise kompensiert werden. Konkret betroffen ist nur der Emissionszuwachs ab 2020, also nur ein Bruchteil dessen, was ausgestossen wird. Und das erst noch auf freiwilliger Basis. Verbindlich wird CORSIA erst ab 2027 und auch dann soll es noch Ausnahmen geben (» Vgl.). Das ist klar ungenügend.

Das Ende der Freiwilligkeit ist erwünscht und dringend nötig
Im Flugverkehr fehlt es noch weitgehend an politischer Regulierung. Dabei fehlt es nicht an guten Ideen. Eine davon ist die Ticketabgabe: Flugtickets werden mit einer Abgabe belastet, die abhängig von der Länge der Flugstrecke ist. Verschiedene europäische Länder, zum Beispiel Deutschland oder Grossbritannien, kennen Anreizsysteme dieser Art seit vielen Jahren. Eine solche Abgabe stösst in der Bevölkerung sogar auf grosse Zustimmung. In der Studie «Univox Umwelt 2016» von gfs-zürich haben sich fast drei Viertel (72%) der Befragten einer solchen Massnahme gegenüber positiv geäussert.

Mit freiwilligen Massnahmen werden die Emissionen im Flugverkehr weiter zunehmen statt sinken. Ohne einen massiven regulatorischen Eingriff, am einfachsten über den Preis, lassen sich Herr und Frau Schweizer nicht davon abbringen, ihre Feriendestinationen per Flugzeug zu erreichen. Natürlich ist Aufklärung über die Ursachen und Folgen des Klimawandels weiterhin wichtig. So kann die hohe Zustimmung der Bevölkerung zu entsprechenden Massnahmen gehalten werden. Doch das Wissen um den Klimawandel hält nur die wenigsten ab, weiterhin viel zu viel zu fliegen.

Umfrage von gfs-zürich im Auftrag der SES
Die repräsentative Bevölkerungsumfrage wurde von gfs-zürich, Markt- und Sozialforschung im Auftrag der SES durchgeführt. Vom 9. bis 28. Oktober 2017 wurden mittels Telefoninterviews 1004 Personen in der Deutsch- und Westschweiz ab 18 Jahren befragt. Die Umfrageergebnisse im Detail >>

Text: Schweizerische Energie-Stiftung

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1 Kommentare

Max Blatter

Auch ich oute mich als Vielflieger: Ich fliege nämlich so oft ich will. Das waren in meinem bis jetzt gut 63-jährigen Leben insgesamt 12 Flugtage. Im Schnitt also knapp einer alle fünf Jahre... Wie auch immer: Als Ingenieur und Energiefachmann bin ich überzeugt, dass nachhaltige Fliegerei auf der Basis erneuerbarer Energien möglich ist. Nicht mit fotovoltaikbetriebenen Propellerflugzeugen - Piccards "Solar Impulse" war ein spannendes Forschungs- und Demoprojekt - aber die Zukunft sehe ich weit eher in energiesparenden Jets, die mit erneuerbar erzeugten Treibstoffen fliegen. Es gibt m.E. ein Recht auf Fliegen - also schaffen wir die nachhaltige Technologie dafür!

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