Eines der beiden Solarmodell ist der Lightyear, ein Oberklasse-Modell für 150‘000 Euro. Auch bei diesem ist die gesamte Fahrzeugoberfläche mit Solarzellen belegt. Bild: Lightyear

Der Sion kostet 25‘500 Euro, 16‘000 Euro für das Auto selbst und 9500 Euro für die Batterie. Er verfügt über 248 Solarzellen mit zusammen 1.2 Kilowatt Spitzenleistung. Bild: Sono Motors

Serienfertigung: Sion und Lightyear One gewinnen mit Solarzellen auf der Karosserie zusätzliche Reichweite – Solarmobile haben Bastlerstadium endgültig überwunden

(©BJ) Als Solarautos bezeichnete man einst solche Bastlermodelle, die alleine mit dem Strom fuhren, den sie auf ihrem Dach erzeugten. Wenn heute von Solarautos die Rede ist, sind hingegen oft gewöhnliche Elektroautos gemeint, die lediglich zusätzlich über Solarzellen auf ihrer Karosserie verfügen um bei Sonne den Akku ein wenig nachzuladen. Ein Überblick über den aktuellen Markt, das Konzept der Fahrzeuge – und offene Fragen.

Industriell am weitesten fortgeschritten sind die Modelle Sion der Münchner Firma Sono Motors und Lightyear One aus den Niederlanden. Der Sion verfügt über 248 Solarzellen mit zusammen 1.2 Kilowatt Spitzenleistung, die laut Hersteller „nahtlos in die gesamte Karosserie eingearbeitet“ sind. Damit ergebe sich „volle Autarkie auf kurzen Strecken“, das Modell könne nämlich „durchschnittlich 112 Kilometer pro Woche zusätzliche Reichweite durch reine Sonnenenergie gewinnen“. Das ist freilich – wie bei Prospektangaben typisch – sehr optimistisch gerechnet, weil kein Auto ständig in der Sonne steht und fährt, und zudem niemals alle Seiten des Fahrzeugs gleichzeitig optimal beschienen sein können.

Sion mit 120-Kilowatt-Motor und 305 km Reichweite
Von den Massen her übertrifft der Sion einen VW-Golf knapp, mit 1730 Kilogramm Leergewicht ist er relativ schwer und mit seinem 120-Kilowatt-Motor üppig motorisiert. Als Höchstgeschwindigkeit gibt der Hersteller 140 Kilometer pro Stunde an. Die Kapazität der Batterie mit 54 Kilowattstunden schafft eine Reichweite von offiziell 305 Kilometern (WLTP-Fahrzyklus), woraus sich rechnerisch ein Verbrauch von 17.7 Kilowattstunden pro 100 Kilometer ergibt.

25‘500 Euro wovon 9500 Euro für die Batterie
Den Preis setzt der Hersteller mit 25‘500 Euro an, 16‘000 Euro für das Auto selbst und 9500 Euro für die Batterie. Im Jahr 2023, so heisst es offiziell noch immer, soll die Produktion in der ehemaligen Saab-Fabrik im schwedischen Trollhättan starten.

Fraglicher Zeitplan
Doch plötzlich wird der Zeitplan fraglich. Die betreffende Fabrik ist seit 2020 komplett im Eigentum des Unternehmens National Electric Vehicle Sweden (NEVS), das wiederum zum Reich der chinesischen Evergrande Group gehört. Diese befindet sich jedoch aufgrund von massiven Liquiditätsproblemen im Immobiliengeschäft in bedrohlicher finanzieller Schieflage. Was das alles am Ende für den Sion bedeuten könnte, ist derzeit nicht absehbar.

150‘000 Euro für den Lightyear
Das zweite Solarmodell ist der Lightyear, ein Oberklasse-Modell für 150‘000 Euro. Auch bei diesem ist die gesamte Fahrzeugoberfläche mit Solarzellen belegt. Der gleichnamige Hersteller, ein Start-up aus dem niederländischen Helmond, will im kommenden Jahr im finnischen Uusikaupunki beim Fertigungsdienstleister Valmet Automotive die Serienproduktion starten. Das Modell verfügt über einen Allradantrieb auf Basis von vier einzeln angesteuerten Radnabenmotoren mit zusammen 100 Kilowatt.

330 Solarzellen bedecken auf dem Fahrzeug eine Fläche von fünf Quadratmetern und kommen in Summe auf eine theoretische Spitzenleistung von etwa 1.1 Kilowatt. Eine Stunde unter voller Sonne soll dem Lightyear One – wieder sehr optimistisch – 12 Kilometer zusätzliche Reichweite bringen.

Nur 8.3 Kilowattstunden pro 100 Kilometer
Das Fachzeug setzt auf höchste Effizienz: Die Akkukapazität von 60 Kilowattstunden ergibt bei einem offiziellen Verbrauch von nur 8.3 Kilowattstunden pro 100 Kilometer eine Reichweite von 725 Kilometern (WLTP-Fahrzyklus). Durchschnittlich verbrauchen die Elektroautos, die heute auf dem Markt sind, gut doppelt so viel.

Aerodynamischste Fünfsitzer
Der geringe Stromverbrauch ergibt sich einerseits aus der Fahrzeugform. Laut Hersteller ist das Auto mit einem Luftwiderstandswert (cw-Wert) von unter 0,2 der „aktuell aerodynamischste Fünfsitzer“. Zudem ist das Fahrzeug recht leicht, als Zielgewicht des Herstellers gilt die Marke von 1300 Kilogramm. Gelingen soll das durch Verbundwerkstoffe im Karosseriebau. Aus ökologischer Sicht hat das wiederum einen grossen Nachteil: Für Verbundwerkstoffe gibt es bislang keine befriedigenden Recyclingverfahren; Stahl und Alu schneiden hier erheblich besser ab.

Pioniere wollten energieautarke Mobilie
Verglichen mit den aktuellen Vorstössen der beiden Firmen verstanden die Pioniere von einst unter Solarfahrzeugen allerdings etwas ganz anderes. „Ursprünglich waren die Solarmobile energieautark“, sagt Thomic Ruschmeyer, Vorsitzender des Bundesverband Solare Mobilität (BSM) in Deutschland. Es seien extrem verbrauchsoptimierte Fahrzeuge gewesen, dermassen ausgefeilt, dass sie untauglich waren für den Massenmarkt. Der BSM kommt historisch aus der Ecke dieser ökologisch bewegten Fahrzeugtüftler; er wurde 1989 von den deutschen Teilnehmern der schweizerischen Tour de Sol gegründet, die erstmals 1985 in fünf Etappen vom Bodensee zum Genfersee führte.

Autonome Solarautos wurden seither auch von Hochschulen in verschiedenen Bauformen immer wieder auf die Strasse gebracht, zum Beispiel das technisch hochgezüchtete Modell „SolarWorld No. 1“ des gleichnamigen einstigen Solarkonzerns zusammen mit der Hochschule Bochum. Doch es blieb stets bei Einzelexemplaren.

Symbolik der Zellen auf dem Fahrzeug
Das Konzept von Sono Motors und Lightyear, solarbestückte Fahrzeugkarosserien in Serie zu bauen, ist nun ein Novum. Wobei sich allerdings die Frage stellt: Sind Solarzellen auf dem Dach der Fahrzeuge wirklich ein bedeutender Schritt in Richtung umweltgerechte Mobilität? In einer Hinsicht bestimmt, sagt Ruschmeyer: „Die Symbolwirkung der Zellen auf den Fahrzeugen ist wertvoll.“ So könnten die beiden Projekte womöglich den Weg bereiten für den serienmässigen Einbau von Solarzellen bei allen Automodellen.

Einfluss der Verschattung
Allerdings weiss heute niemand so genau, was die Solarzellen auf dem Autodach in der Praxis wirklich einbringen. Schliesslich stehen und bewegen sich die Fahrzeuge immer nur zeitweise in der Sonne – und das auch je nach Nutzungsprofil sehr unterschiedlich. Auskunft darüber soll nun das Forschungsprojekt „PV2Go – Solarpotentiale deutscher Verkehrswege“ geben, das am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg noch bis Mai 2022 läuft. Ziel des Projekts, so heisst es, sei „die Erstellung eines räumlichen Modells der Solarpotentiale deutscher und internationaler Verkehrswege im Tages- und Jahresgang“. Dabei analysieren die Wissenschaftler auch das Ausmass der Verschattung und nehmen Einstrahlungsmessungen auf Fahrzeugen verschiedener Nutzergruppen vor.

Interessenkonflikt
Und schon tut sich auch ein Interessenkonflikt auf. Denn immer populärer wird zugleich der Gedanke, grosse Parkplätze mit Solarmodulen zu überdachen. Auch das ISE zitiert gerne die einschlägigen Potenziale. Die Folge solcher Projekte für Solarautos liegt auf der Hand: Tendenziell dürfte es in Zukunft damit schwieriger werden, beim Parken den Akku per Sonnenlicht nachzuladen.

Auch Solarmobilist Ruschmeyer räumt ein: Grundsätzlich sei es effizienter, Parkplätze mit Solarzellen zu überdachen und dann die Fahrzeuge im Schatten zu parken, als die Sonne nur auf dem Autodach zu nutzen. Auf Parkplätzen mit Solardach kann immer Strom erzeugt werden, sobald die Sonne scheint – also nicht nur wenn die Plätze belegt sind. Und dass die Lebensdauer der Solartechnik jene eines durchschnittlichen Autos übersteigt, spricht auch eher für Module über Parkplätzen als auf Autodächern.

Aber vielleicht wird man in Zukunft auch das eine tun und das andere nicht lassen. Dann nämlich, wenn – was absehbar ist – die Mehrkosten der Solarzellen kaum noch ins Gewicht fallen. Dann könnte die Solarkarosserie zur Normalität werden – und sich auch dann noch lohnen, wenn das Auto nur vergleichsweise wenig Sonne abkriegt.

©Text: Bernward Janzing

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2 Kommentare

Jürgen Baumann

Max, hast du je in diesen Fahrzeugen gesessen?

Max Blatter

Anscheinend habe ich es noch zu wenig oft geschrieben: Solarzellen gehören aufs Dach des Carports, nicht des Fahrzeugs!

Ja, die ersten "Solarmobile", die ab Mitte der 1980er Jahre in der Schweiz und in Australien ihre Rennen bestritten, führten die Solarzellen ausschließlich auf dem Fahrzeug mit. Weil es reglementarisch so vorgeschrieben war! Bald aber wurde eine Kategorie geschaffen, bei der die Batterien aus dem Netz nachgeladen werden durften, wenn nachweislich aus einer eigenen stationären Solaranlage eine entspechende Menge Strom ins Netz eingespeist wurde.

DIESE Fahrzeuge waren es, die zur Blaupause für die alltagstauglichen E-Mobile wurden. Zu Recht.

Weshalb nun die alten, aber nicht veralteten Erkenntnisse über Bord geworfen werden, ist mir schleierhaft. Ehrlich: Ich möchte nicht in einem Fahrzeug gebraten werden, das zwecks optimaler Energiegewinnung stundenlang in der Sonne stand! Auch die ganze solar produzierte Energie gleich wieder durch die Klimanlage zu jagen, macht wenig Sinn.

Sorry, aber da wurde m. E. voreilig etwas aufgegriffen, ohne es wirklich verstanden zu haben.

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