Die VDE-Experten schlagen vor, Batteriesysteme in zwei parallele Stränge aufzuteilen: in eine Traktionsbatterie mit hoher Leistungsdichte und der Funktion Dynamik und in eine mit hoher Energiedichte und der Funktion Reichweite.

VDE-Studie: Zeigt, wie Batteriezüge schneller und günstiger zu Reichweite kommen

(VDE) Mit Blick auf die Schadstoffbelastung durch Dieselfahrzeuge sind im Falle der Eisenbahn batteriebetriebene Schienentriebzüge eine Lösung für die 17‘000 km nicht elektrifizierten Nebenstrecken in Deutschland. Aber Batterie ist nicht gleich Batterie. Welche Batterietechnologie am zügigsten eine Reichweite von mehr als 80 km bei günstigeren Kosten verspricht, zeigt die neue Studie „Batteriesysteme für Schienentriebzüge“.


Die Lösung der VDE-Experten ist es, das Gesamt-Batteriesystem des Schienentriebzugs in zwei parallele Stränge aufzuteilen: in eine Traktionsbatterie mit hoher Leistungsdichte und der Funktion Dynamik und in eine mit hoher Energiedichte und der Funktion Reichweite. Für die Dynamik empfiehlt der VDE die bislang genutzten Lithium-Ionen-Zellen mit LTO-Anoden, die für die Beschleunigung genutzt werden und der Speicherung der Rekuperationsenergie aus den Elektromotoren dienen. Für die übrigen Fahrtphasen bei moderateren Entladeströmen dagegen, wo die Reichweite im Fokus steht, empfiehlt der VDE die Verwendung von Standard-Zellchemien aus der Automobilbranche wie NCA/C, NCM/C oder LFP/C. „Die hohe Leistungsdichte ist vor allem beim Anfahren und Beschleunigen notwendig, Reichweite schafft sie aber nicht. Mehr als 80 km sind mit Akku-Schienentriebzügen, die nur auf LTO-Zellen basieren, auf lange Sicht technisch nicht drin“, erklärt Dr. Wolfgang Klebsch, Mobility-Experte im VDE und Autor der Studie.

Zudem haben LTO-Zellen den Nachteil, dass ihre Energiedichte sehr gering ist und sie dem Fahrzeug damit erhebliche Gewichtsprobleme bescheren können. Noch ist eine auf LTO basierende Lösung über die Lebenszeit eines Zuges von 30 Jahren gerechnet teurer als eine kombinierte Reichweiten- und Dynamik-Lösung. „Das hat schlichtweg mit dem Wettbewerb zu tun. Nur wenige Hersteller wie Toshiba oder Kokam bieten die Spezialtechnologie LTO an. Mit einem signifikanten Preisverfall ist langfristig nicht zu rechnen. Auch weil die Nachfrage im Vergleich zu Batterien für Elektroautos recht gering ist. Das wichtigste Argument gegen diese Lösung ist jedoch, dass bei LTO-Traktionsbatterien kaum noch grössere Innovationssprünge zu erwarten sind.

Automobilbranche bringt den Schub und damit die Reichweite
Standard-Zellchemien wie NCA/C (Panasonic, Tesla), NCM/C (alle relevanten Hersteller in Japan und Korea) oder LFP/C (vor allem Hersteller aus China) befinden sich dagegen auf dem von der Automobilbranche vorgegebenen Innovationspfad. „Der Innovationsdruck ist bei dieser Vielzahl von Herstellern enorm. Sie alle konkurrieren um noch mehr Reichweite bei niedrigeren Kosten. Die Automobilbranche erwartet bis 2030, dass die Grenzkosten für Lithium-Ionen-Zellen auf unter 100 Euro pro kWh fallen. Hiervon kann auch die Eisenbahn profitieren“, erklärt Klebsch. Mittelfristig würden so die Kosten fallen und nicht stagnieren wie das bei LTO der Fall sei.

Anforderungen an Batteriepacks nicht auf Batteriezellen übertragen
Bislang setzt die Branche auf LTO basierende Traktionsbatterien, da sie den Ruf geniessen, die harten Anforderungen an Schienentriebzügen zu erfüllen. Züge sind fast rund um die Uhr bis zu 30 Jahre lang bei jedem Wetter, egal ob Hitze oder Kälte, im Einsatz. Der Anspruch an ihre Zuverlässigkeit und Qualität ist damit sehr hoch. Genauso hart sind auch die Anforderungen an die Batteriepacks, insbesondere im Hinblick auf Lade- und Entladeströme, Sicherheit, Tieftemperatur-Performance, Betriebszeit und Zyklenfestigkeit. „Jedoch darf man die technischen Anforderungen an den Zug und an Batteriepacks nicht einfach 1:1 auf die Batteriezellen übertragen. Das wäre zu kurz gedacht“, wirft der VDE-Experte ein. Stattdessen können die Hersteller die harten Triebzug-Anforderungen mit geeigneten Massnahmen auf Batteriepackebene erfüllen, indem sie beispielsweise die einzelnen Zellen wirksam thermisch isolieren oder mit Hilfe eines intelligenten Batterie- und Thermomanagementsystem jede Zelle durch gezieltes Vorwärmen oder Kühlen im optimalen Betriebszustand halten. Dann lassen sich die harten Anforderungen auf Zellebene wesentlich entspannen. Gleichzeitig können sie die weitaus günstigeren Standard-Zelltechnologien verwenden.

Batterieforschung muss in Deutschland stärker gefördert werden
Die Wahl einer Batterielösung für Triebzüge entspricht letztlich der Entscheidung an einer Weiche, die auf zwei separate Technologie-Schienen führt. „Wer auf LTO setzt, denkt konservativ an lange Laufzeiten von 30 Jahren mit wenigen Wartungszyklen und ist bereit, hierfür einen hohen Preis zu zahlen. Wer auf Standard-Zellchemien wie NCM/C setzt, will an Innovationszyklen teilhaben und erwartet, dass sich über die Zeit sowohl die Kosten rechnen wie auch die Reichweite sich ständig verbessert“, erklärt der VDE-Experte. Technisch sei die vom VDE vorgeschlagene Lösung machbar. Unabhängig davon für welchen Pfad sich die Hersteller entscheiden, appelliert der VDE letztendlich an die Politik, die Batterieforschung in Deutschland stärker zu fördern. Gleiches gilt für innovative Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind. „Der VDE begrüsst umso mehr die Entwicklung von Batteriezügen, wenn zukünftig auch deutsche und europäische Anbieter bei innovativen Zelltechnologien beteiligt sein werden“, schliesst der Experte ab.

Für 250 Euro im VDE-Shop
Die VDE-Studie „Batteriesysteme für Schienentriebzüge“ ist die erste einer Reihe von geplanten Studien finanziert vom deutschen Verkehrsministerium BMVI, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit den Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren für Triebzüge mit alternativen Antrieben auseinandersetzen. Sie ist für 250 Euro im VDE-Shop erhältlich. Journalisten und VDE-Mitglieder erhalten Sie kostenlos.

VDE-Studie „Batteriesysteme für Schienentriebzüge“ >>

Text: VDE Deutscher Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik

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1 Kommentare

Max Blatter

Was spricht denn dagegen, die Strecken mittels Fahrleitungen zu elektrifizieren? Technisch und ökologisch die weitaus bessere Lösung, und wenn sich die "kleine" Schweiz dies leisten konnte, kann es auch ökonomisch nicht so absurd sein!

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