Die Erkenntnisse aus den über 100 Forschungsprojekten zeigten, dass ein Ausstieg aus der Kernenergie und der CO2-intensiven Energiewelt schon mit den heutigen technischen und finanziellen Mitteln grundsätzlich möglich sei. Bild: NFP

300 Forschende sagen: Dass wir in der Schweiz bis 2050 aus den fossilen Energien auszusteigen, ist möglich, sinnvoll und wirtschaftlich interessant

(ee-news.ch) Die Energiewende ist technisch und finanziell machbar, bleibt aber eine Herausforderung. Das ist das Fazit aus dem Nationalen Forschungsprogramm "Energie". Die Forscherinnen und Forscher empfehlen unter anderem eine CO2-Lenkungsabgabe auf Benzin. Die Erkenntnisse aus den über 100 Forschungsprojekten zeigten, dass ein wirtschaftlich und sozial verträglicher Ausstieg aus der Kernenergie und der CO2-intensiven Energiewelt schon mit den heutigen technischen und finanziellen Mitteln grundsätzlich möglich sei, schreibt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) in einer Mitteilung.


Von alleine würden sich neue Technologien und Verhaltensweisen aber nicht im Alltag durchsetzen. Alle müssten dafür ihre Verantwortung wahrnehmen - als Bürgerinnen und Bürger, Konsumentinnen und Konsumenten oder Politikerinnen und Politiker. Die Transformation des Energiesystems sei ohne Zweifel eine grosse finanzielle Herausforderung.

Wirtschaftlich und sozialverträglich
Die Forschung zeige indes, dass die Herausforderung mit einer Lenkungsabgabe und einem Rückverteilungsmechanismus wirtschaftlich und sozialverträglich zu schaffen sei, heisst es in der Mitteilung. Zu den Handlungsempfehlungen aus dem Nationalen Forschungsprogramm (NFP) "Energie" gehört denn auch eine CO2-Lenkungsabgabe auf alle fossilen Energieträgern.

Heute gibt es eine CO2-Abgabe auf Brennstoffen, nicht aber auf Treibstoffen. Auch im totalrevidierten CO2-Gesetz, das noch in der parlamentarischen Beratung ist, ist keine Lenkungsabgabe auf Benzin und Diesel vorgesehen. Der Bundesrat prüft derzeit allerdings, wie eine solche ausgestaltet werden könnte. Gemäss den Erkenntnissen des NFP "Energie" sind Lenkungsmassnahmen wirksamer und kostengünstiger als Förderungsmassnahmen.

Regulierungen und Anreize
Für die Transformation des Energiesystems brauche es ausser neuen Technologien und Infrastrukturen sowohl wirksame Regulierungen als auch Anreize für freiwillige Verhaltensänderungen, schreibt der SNF. Nur dann lasse sich zum Beispiel die energetische Sanierungsrate von Gebäuden steigern oder die Mobilität und Logistik effizienter gestalten.

Um die Menschen dafür zu gewinnen, müssten Wissensdefizite abgebaut werden. Verschiedene Projekte hätten nachgewiesen, dass es noch nicht gelungen sei, ausreichend über die Vorteile neuer Technologien und Verhaltensweisen zu informieren.

Der SNF weist auch auf die technischen Innovationen hin, die das NFP "Energie" hervorgebracht habe. So seien Technologien für die Energiespeicherung mittels Batterien oder Druckluft sowie neuartige Brennstoffzellen erforscht worden. Bekannte Technologien wie die gebäudeintegrierte Photovoltaik seien weiterentwickelt worden.

15 Empfehlungen

  1. Mit gezielter Regulierung Energie-effizienz fördern und den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen!
    Viele der Technologien, die für die Transformation des Energiesystems notwendig sind, stehen bereit. Auf freiwilliger Basis allein werden sie aber insbesondere im Gebäudebereich und bei der Mobilität nicht genügend genutzt. Um die gesteckten Ziele zu erreichen, sind darum zusätzlich zu markt-wirtschaftlichen Anreizen auch regulatorische Eingriffe nötig. Verschiedene der vor Kurzem getroffenen politischen Vorentscheide weisen in die richtige Richtung.

  2. Mit flexiblen und dynamischen Stromtarifen, Belohnungszielen und Information Anreize zum Energie-sparen schaffen!
    Energieverteiler sollen flexible und dynamische Strom-tarifmodelle entwickeln und einsetzen, die den Anreiz schaffen, den Stromverbrauch und die Energie-kosten zu senken. Die Kombination mit Bonus-elementen, die das Erreichen von Sparzielen belohnen, erhöht die Akzeptanz entsprechender Tarifmodelle.

  3. Den Ausbau der erneuerbaren Ener-gien mit einer umfassenden und wirksa-men CO2-Lenkungsabgabe unterstützen!
    Lenkungsmassnahmen sind wirksamer und kosten-günstiger als Förderungsmassnahmen. Eine CO2-Lenkungsabgabe auf allen fossilen Energie-trägern ist deshalb besonders geeignet, die Transformation des Energiesystems voranzubringen.

  4. CO2-freie urbane Logistik bis 2050 realisieren!
    Erfolgt die Versorgung in den städtischen Agglo-merationen CO2-frei, lassen sich 7 Prozent der entspre-chenden Effizienzziele der Energiestrategie 2050 und rund 9 Prozent der angestrebten Reduktion von Treibhausgasemissionen erreichen. Kantone, Städte und Gemeinden sollen deshalb die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und mit den Logistikakteuren zusammenarbeiten.

  5. Dezentrale Multi-Energie-Systeme (DMES) realisieren!
    Dezentrale Multi-Energie-Systeme (DMES) ermöglichen eine höchst effiziente Nutzung dezentral bereit-gestellter Energie. Damit sie realisiert werden können, sind Energiebereitstellung und -versorgung lokal und regional als Ganzes zu betrachten. Selbstorganisation und staatliche Regulierung sollen sich bestmöglich ergänzen. Die Gemeinden, aber auch der Bund und die Kantone müssen planerische und gesetzliche Vorarbeiten erbringen.

  6. Die Wasserkraft auf ihre stabilisierende Funktion im Energiesystem fokussieren!
    Die neuen erneuerbaren Energien sind mit dem Problem verbunden, dass Produktion und Nutzung zeitlich oft nicht zusammenfallen. Die Wasserkraft erfüllt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle: Sie stabilisiert das Versorgungssystem und gewährleistet die technische Versorgungssicherheit des schweizerischen Energiesystems. Diese Funktion kann auch als Grundlage für finanzielle Abgeltungen dienen.

  7. Wasserzinsen nach Erträgen aus-richten!
    2024 muss eine neue Lösung für den Wasserzins beschlossen werden. Sie sollte auf dem Ertrag basieren und damit den Marktpreis sowie die Produktions-kosten widerspiegeln. Die neue Lösung muss auch die Interessen der Berggebiete berücksichtigen. Für sie sind die Wasserzinsen wirtschaftlich weit wichtiger als für die Stromproduzenten.

  8. Restwasserregime den ökologischen Bedürfnissen anpassen!
    Das Gewässerschutzgesetz wird heute hinsichtlich der ökologischen Ziele unzureichend umgesetzt. Die angestrebte biologische Vielfalt im Unterlauf der Stau-werke wird nicht erreicht. Die Kantone sollen des-halb den Vollzug so gestalten, dass die Restwasserfüh-rung die ökologischen Ziele sicherstellen kann. Entsprechende Massnahmen verlangen mehr Wasser und reduzieren die Stromproduktion.

  9. Optimale Bedingungen schaffen für Finanzierungsmodelle, an denen sich die Bevölkerung beteiligen kann!
    Die finanzielle Beteiligung an Investitionen in Infrastrukturen für erneuerbare Energien schafft Identifikation. Lokal verankerte Organisationen wie Vereine, Genossenschaften oder Nachbarschaftsorganisationen schaf-fen Akzeptanz und helfen, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen.

  10. Die Bevölkerung von Beginn an aktiv an der Planung von Infrastruktur-projekten beteiligen!
    Mitgestaltung stärkt die Identifikation und fördert die Akzeptanz. Projektinitiantinnen und -initianten sollen deshalb Planungsprozesse für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien von Beginn an partizipativ gestalten.

  11. Wissen vermitteln, und zwar ziel-gruppengerecht und neutral!
    Die Wissens- und die Informationsvermittlung müssen den unterschiedlichen Wissensstand und die unter-schiedliche Motivation verschiedener Bevölkerungsgruppen mit innovativ konzipierten Strategien nutzen. Die öffentlichen Verwaltungen von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden, die Verbände und die Wirtschaft sollen über die Funktionsweise von Technologien und Steuerungsmechanismen informieren und überzeugend kommunizieren, dass ein wesentlicher Teil des Energieeffizienzpotenzials ohne Verzicht und ohne Komforteinbussen realisiert werden kann: Mehr Energie-effizienz bedeutet nicht weniger Komfort.

  12. Die Verbände stärker in die Verantwortung nehmen!
    Verbände stehen in engem Austausch mit ihren Mitgliedern und verfügen über branchenspezifische Kenntnisse, die die Transformation des Energie-systems voranbringen können. Sie sollten ihre wichtige Rolle im politischen Entscheidungsprozess auch dazu nutzen, ihre Mitglieder für die Unterstützung gemeinsam entwickelter Lösungen zu gewinnen!

  13. Städte und Gemeinden dazu motivieren, ihren Handlungsspielraum im Energiebereich verstärkt aktiv wahrzunehmen!
    Städte und Gemeinden verfügen als Gebäudebesitzer, Eigentümer und Betreiber öffentlicher Werke und Betriebe, als politische Akteure oder Unterstützende lokaler Initiativen über vielfältige Möglichkeiten, die Transformation des Energiesystems mitzugestalten. Sie können – nicht nur im Energiebereich – planerisch, organisatorisch und kommunikativ aktiv werden.

  14. Das Verhältnis der Schweiz zur EU im Interesse der Versorgungssicherheit im Strombereich rasch klären!
    Durch Stromimporte gleicht die Schweiz die ausgeprägten saisonalen Schwankungen der Stromproduktion durch die Wasserkraftwerke aus. Die Beziehungen zur EU und damit zu den europäischen Energie-märkten bestimmen, wie und zu welchen Kosten dieser Ausgleich künftig gewährleistet werden kann. Ohne Stromabkommen sind die Kosten dafür deutlich höher.

  15. Bundeskonzept zur Transformation des Energiesystems erarbeiten!
    Schlecht oder nicht koordinierte Planungs- und Bewilligungsverfahren bremsen viele Energieinfrastruk-turprojekte aus. Bund, Kantone und Gemeinden sollen deshalb mit einem gemeinsam erarbeiteten Kon-zept eine verlässliche Grundlage schaffen, um die Interessen der verschiedenen Staatsebenen aufeinander abzustimmen und Blockaden abzubauen.

Resümee des NFP «Energie» >>

Text: ee-news.ch und Keystone SDA

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1 Kommentare

Max Blatter

"Die Energiewende ist technisch und finanziell machbar, bleibt aber eine Herausforderung." Genau! Ich bezeichne die Energiewende seit langem als "Jahrhundertprojekt" und ergänze inzwischen "ein Jahrhundert-Projekt im Wettlauf mit dem Klimawandel". Leider haben wir dem Klimawandel rund vierzig Jahre Vorsprung eingeräumt; entsprechend grösser müssen nun unsere Anstrengungen sein. Vergleichbar mit Biathletinnen oder Biathleten, wenn sie katastrophal schlecht geschossen haben ...

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