Andreas Kuhlmann: „Corporate Green PPAs können einen wichtigen Beitrag leisten, wenn die Politik die Zeichen der Zeit erkennt und den Rahmen für die Energiewende weiterentwickelt.“ ©Bild: dena

Neue Dynamik in der Energiewende: PPAs und Post EEG-Anlagen sind mehr als eine Nische

(dena) Langfristige Lieferverträge für grünen Strom (PPAs) können eine entscheidende Rolle in der zweiten Phase der Energiewende spielen. Wirtschaft und Finanzsektor sind bereit zu investieren. Eine Replik von Andreas Kuhlmann auf den Beitrag „Zweifel am zweiten Leben für Windräder“ (Tagesspiegel Background vom 10.9.2019).


Der Erfolg der ersten Phase der Energiewende bemisst sich vor allem an dem rapiden Ausbau erneuerbarer Energien und den stark gesunkenen Stromgestehungskosten. Jetzt, in der zweiten Phase der Energiewende geht es darum, die positive Entwicklung im Strombereich fortzusetzen und die Sektoren Wärme und Verkehr ebenfalls zu dekarbonisieren. Dabei werden Technologien wie z. B. die Elektromobilität, Wärmepumpen oder PtX einen zusätzlichen Strombedarf nach sich ziehen. Und für all das müssen auch die benötigten Erneuerbaren Energien und die entsprechenden Finanzmittel mobilisiert werden.

Entscheidende Rolle bei der zweiten Phase der Energiewende
Die Energiewende ist von Innovationen getrieben, systemisch und im besten Sinne disruptiv. In diesem Sinne können langfristige Lieferverträge für grünen Strom (Corporate Green Power Purchase Agreements – PPAs) eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der Herausforderungen der zweiten Phase der Energiewende spielen. Dies ergab eine breit angelegte dena-Umfrage unter allen relevanten Marktakteuren (siehe ee-news.ch vom 4.9.2019 >>). Grossabnehmer aus Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen betrachten PPAs mehrheitlich als Möglichkeit, Strom auf Basis erneuerbarer Energien langfristig zu stabilen Preisen zu beziehen und gleichzeitig die eigenen Produktionsprozesse zu dekarbonisieren. Allein deshalb kommen wir bei der dena zu einer anderen Bewertung von PPAs als Christian Schaudwet in seinem Beitrag vom 10. September 2019 im Tagesspiegel Background, auch wenn zentrale Fragestellungen darin richtigerweise benannt werden. Dabei bestätigt der Blick ins Ausland das enorme Potential von PPAs für grünen Strom.

PPAs und Post EEG-Anlagen: Mehr als eine Nische
Zunächst wurde die Diskussion in Deutschland vor allem mit Blick auf den Weiterbetrieb von Post-Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) Anlagen geführt. Schliesslich werden bis 2030 Erneuerbare Energien (EE)-Anlagen mit einer Kapazität von über 50 GW aus der EEG-Förderung fallen. Allein in 2021 könnten so Windanlagen mit einer Leistung von über 8 GW stillgelegt werden. Überdies limitiert das Genehmigungsrecht das Repowering, da es in vielen Fällen den Wechsel zu Anlagen mit höheren Nabenhöhen untersagt. So lange bestehende Flächen nicht schnell genug neu ausgewiesen werden, bieten alternative Geschäftsmodelle wie PPAs die Möglichkeit, Altanlagen die nicht Repowering-geeignet sind, länger am Markt zu halten. Und das ist dringend erforderlich.

Finanzierung von Neuanlagen über PPAs: Ökonomie trifft auf Ökologie
Im Rückgriff auf eine kürzlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung publizierte Studie greift der Beitrag die Mehrkosten auf, die über PPAs in Deutschland gegenüber EEG-finanzierten Anlagen entstehen würden. Mit Blick auf Grossabnehmer stellt er zudem heraus, dass 20-jährige Stromlieferverträge gerade für energieintensive Industriezweige wie Stahlhersteller im Kontext ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit nicht geschlossen werden.

Abgesehen davon, dass das deutsche Kartellrecht bisher entsprechende Verträge nur für maximal fünf Jahre zulässt, lohnt sich der Blick in europäische Nachbarländer: Pionier ist hier der norwegische Aluminiumhersteller Norsk Hydro (siehe ee-news.ch vom 18.5.2018 >>), der eines der längsten PPAs mit einer Laufzeit von 29 Jahren mit einem schwedischen Windpark (235 MW) geschlossen hat. Das energieintensive Unternehmen mit 35‘000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht im internationalen Wettbewerb und hat sich auf Low Carbon Aluminium spezialisiert. Der dena-Marktmonitor 2030 zu Green Corporate PPAs zeigt, dass auch in Deutschland Grossabnehmer aus Industrie und Gewerbe ein Interesse am Bezug grüner Energie haben. Grüne Energie ist also bereits heute sowohl unter ökonomischen als auch ökologischen Gesichtspunkten Teil vieler Unternehmensstrategien. Neben der Preisabsicherung spielen die Herkunftsnachweise hier eine zentrale Rolle.

Wirtschaft und Finanzsektor bereit für Investitionen in Erneuerbare
Greift man das Argument der Mehrkosten gegenüber einem PPA mit dem Staat in Form eines EEG auf, ist klar, dass die Risikobewertung der Finanzierer für Verträge mit privatwirtschaftlichen Unternehmen höher ausfällt. Doch sowohl international aber auch national, sind Wirtschaft und Finanzsektor bereit, in erneuerbare Energien zu investieren und entsprechende Verträge zu schliessen, nicht zuletzt auch um den Strom als Grünstrom ausweisen zu können und nicht als grauen EEG-Strom. In Deutschland stellen die fehlenden Erfahrungswerte und Transparenz im Markt unter allen Marktakteuren eine zentrale Hürde für die breite Etablierung von PPAs dar.

Gleichzeitig sichert dieses Geschäftsmodell die Akzeptanz, da in Deutschland die EEG-Umlage für die Endverbraucher sinkt und die von der EEG-Umlagen befreiten Unternehmen die Möglichkeit gegeben wird, sich an der Energiewende zu beteiligen.

Der Rahmen - Nutzen wir das Momentum!
Hinsichtlich der künftigen Rahmenbedingungen für PPAs in Deutschland und dem Verhältnis von staatlicher Förderung zum marktgetriebenen Ausbau stellt sich hier nicht die Frage nach dem Entweder-oder. Vielmehr geht es darum, einen nachfragegetriebenen Potenzialmarkt in Deutschland zu befördern, der einen Beitrag zu Erreichung des 65-Prozent-Ziels leisten kann und gleichzeitig zusätzliche Finanzmittel für den EE-Ausbau mobilisiert. In Deutschland wurden bereits erste PPAs für PV-Anlagen im Neuanlagen-Segment geschlossen. Um aus dem Potenzialmarkt einen tatsächlichen Markt zu machen, müssen die Rahmenbedingungen optimiert werden. Auch wenn die sonstige Direktvermarktung über das EEG generell den Bezug von Grünstrom ermöglicht, muss sich das System aus Umlagen, Steuern, Abgaben sowie Kompensationen anpassen, um PPAs für alle Marktakteure attraktiv zu gestalten. Ein Beispiel ist die Strompreiskompensation, die falsche Akzente für energieintensive Industrien setzt, indem bei Bezug von Strom über Green PPAs ein Verlust der Strompreiskompensation droht. Die bestehenden kartellrechtlichen Vorgaben, die den Abschluss von PPAs über eine Dauer von fünf Jahren nahezu unmöglich machen, sind ein weiteres Hemmnis und erschweren die Finanzierung von neuen Projekten.

Es gibt viel zu tun
In Deutschland haben wir uns das 65-Prozent-Ziel gesetzt. Auf europäischer Ebene wird die Vision eines European Green Deal entwickelt und die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie II (Renewable energy directive REDII) soll sicherstellen, dass PPAs eine Rolle in den Mitgliedsstaaten spielen. Es gibt viel zu tun. Zusätzliche Investitionen neben dem EEG-getriebenen Ausbau müssen gewonnen und unerschlossene Marktpotenziale gehoben werden, um die gesetzten Ziele kosteneffizient zu erreichen. Denn bereits heute stellen die offiziellen Ausbauziele des EEG nicht die Erreichung der Pariser Klimaschutzziele sicher. Dies muss vor den Entscheidungen des Klimakabinetts am 20.9. bedenklich stimmen. Die deutsche Bundespolitik muss mit den neuen Herausforderungen der zweiten Phase der Energiewende umgehen und einen neuen attraktiven Rahmen für die Marktakteure etablieren.

Corporate Green PPAs können einen wichtigen Beitrag leisten, wenn die Politik die Zeichen der Zeit erkennt und den Rahmen für die Energiewende weiterentwickelt. Darum ging es bereits vor rund 20 Jahren, als das EEG in Deutschland eingeführt wurde.

Zuerst erschienen im Tagesspiegel Background Energie & Klima am 13. September 2019 >>

Text: Deutsche Energie-Agentur (dena)

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