Die Brusa-Entwicklungsingenieure Daniel Oeschger (links) und Marko Cvorak. Foto: B. Vogel

Grafik 1: Der neue Elektromotor mit Einsteckwicklung (violett) verfügt gegenüber bestehenden Elektromotoren (grün und rot) über eine rund 20% höhere Dauerleistung. Grafik: Projekt-Schlussbericht 2018

Grafik 2: Wirkungsgrad für den Elektromotor mit Einsteckwicklung (neuste Version/oben bzw. frühere Version/Mitte) und den Elektromotor mit Einzugswicklung (unten). Grafik: Projekt-Schlussbericht 2018

Grafik 3: Die drei Tabellen zeigen die Verbesserungen beim Wirkungsgrad. Grafik: Projekt-Schlussbericht 2018

Moderne Formlitzenwicklung für den Stator eines Elektromotors, ausgeführt als Einsteckwicklung. Foto: BRUSA

Bild 5: Die Mikroskopieaufnahme zeigt den Querschnitt einer einzelnen Litze einer Statorwicklung: Durch die mechanische Formung bekommt die Litze eine hexagonale Form. Foto: Brusa

Bild 6: Frühere Generation einer Formlitzenwicklung, die im Stator eines Elektromotors verbaut wurde (Fotos: drei verschiedene Nuten desselben Stators im Querschnitt). Foto: Brusa

Die Brusa Elektronik AG ist Spezialistin für leistungsstarke Elektroantriebe. Illustration: Brusa

Forschung: Schweizer Unternehmen entwickelt Elektromotor mit bisher ungekannter Dauerleistungsdichte

(©BV) Elektroautos müssen den Vergleich mit Benzin- und Dieselfahrzeugen nicht mehr scheuen. Elektromotoren sollen jedoch noch kompakter und noch effizienter werden. Der St. Galler Brusa Elektronik ist nun in einem vom Bundesamt für Energie unterstützten Projekt ein weiterer Fortschritt gelungen: ein Elektromotor mit bisher ungekannter Dauerleistungsdichte. Werden die ambitionierte Ziele Wirklichkeit, könnte der Motor für besonders leistungsfähige Elektrofahrzeuge in wenigen Jahren in Serie produziert werden.


Elektroautos sind heute flott unterwegs: Ein Renault Zoe ist mit einer Dauerleistung von 43 kW unterwegs. Bei einem BMWi3 beträgt die Dauerleistung 75 kW, die Spitzenleistung sogar 125 kW. Auch der eGolf hat in seiner 2017er Version aufgerüstet und fährt jetzt mit 100 kW Spitzenleistung. Bei Nutzfahrzeugen, die auf elektrische Antriebe setzen, haben die Motoren erst recht Power: Der in der Schweiz entwickelte Elektro-Lkw mit dem Namen E-Force-One wird von zwei Elektromotoren mit einer (Spitzen-) Leistung von jeweils 150 kW angetrieben. Diese Zahlen machen deutlich: Elektromobile können es mit Benzinern und Dieselfahrzeugen in Sachen Leistung ohne weiteres aufnehmen, bezüglich Wirkungsgrad sind sie diesen deutlich überlegen.

Schweizer Knowhow
Im E-Force-One, aber auch im eGolf und im BMWi3 steckt Schweizer Knowhow: An der Entwicklung der jeweiligen Elektromotoren war die Brusa Elektronik AG beteiligt. Josef Brusa hat die Firma 1985 in Sennwald im St. Galler Rheintal gegründet, um Komponenten für Solar- und Elektromobile herzustellen. Heute hat das Unternehmen 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Autobauer greifen gern auf ihre Expertise zu Elektromotoren zurück. Seien es Motorendesign, Gleichspannungs-Wandler oder berührungslose Ladestationen – das Knowhow des in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannten Entwicklungsdienstleisters ist europaweit gefragt.

Viel Leistung bei wenig Gewicht
Der Firmensitz an der Hauptstrasse von Sennwald ist nicht zu übersehen. Der Journalist wird an der Rezeption freundlich empfangen. Die Türen zu den Entwicklungslabors bleiben für den Besucher dann allerdings verschlossen. „Die Details möchten wir aus Gründen des Patentschutzes lieber nicht zeigen“, sagt Daniel Oeschger, als er den Journalisten begrüsst hat. Oeschger ist ausgebildeter Automobilingenieur und hat als stellvertretender Leiter ein Projekt betreut, in dem sein Unternehmen von 2015 bis 2018 einen besonders leistungsfähigen Elektromotor entwickelt hat. Ziel war eine hohe Dauerleistungsdichte, sprich eine hohe Antriebsleistung bei möglichst geringem Motorengewicht. Motoren mit hoher Leistungsdichte sind für den Erfolg der Elektromobilität entscheidend, denn je leichter ein Motor ist, desto weniger Energie ist für die Beschleunigung des Fahrzeugs erforderlich. Idealerweise lassen sich leichtere Motoren nicht nur platzsparend bauen, sondern auch günstiger.

Im Konferenzzimmer berichtet Daniel Oeschger über die Fortschritte der letzten Jahrzehnte. „Die Motoren haben bei der Leistungsdichte einen Sprung nach vorn gemacht“, sagt der Entwickler. Er verweist auf den im oben genannten Projekt entwickelten Elektromotor mit 114 kW Leistung (30-Minuten-Dauerleistung nach ECE-R85-Messstandard). Der Motor ist darauf ausgelegt, einen Kleinlaster mit Anhänger von 6.5 t Gesamtgewicht anzutreiben. Dieser Motor wiegt heute nur noch 41 kg, leistet also gut 2.5 kW pro Kilogramm Eigengewicht. Das ist fünfmal mehr als vor 30 Jahren möglich war.

Dauerleistung um 20% verbessert
Im jüngsten Projekt konnten Oeschger und seine Entwicklungskollegen das Dauerdrehmoment und damit die Dauerleistung eines Elektromotors (bei nahezu unverändertem Gewicht) um rund 20% steigern (vgl. Grafik 01). Bemerkenswerterweise ist diese Leistungssteigerung über den gesamten Drehzahlbereich hinweg zu beobachten. Im Alltag werden Motoren nur selten voll beansprucht, daher ist es für die Beurteilung eines Motors zentral, wie er sich im Teillastbereich verhält. Dieses Verhalten lässt sich beschreiben durch den Wirkungsgrad, also die Effizienz, mit der der Motor die zugeführte elektrische Energie in mechanische Leistung (gemessen an der Welle) umsetzt. Der neuartige Motor erreicht im typischen Teillastbereich eines 3.5 bis 7.5 t schweren Fahrzeugs (70-120 Nm bei 4'000-8'000rpm) sehr gute Wirkungsgrade von 96% und mehr (Grafik 02). Die Verbesserung beim Wirkungsgrad ist bei hohen Drehzahlen mit 2% und mehr besonders gross (Grafik 03).

Das Beispiel eines Nutzfahrzeugs, das mit hoher Drehzahl (10'000rpm) unterwegs ist, soll den erzielten Effizienzgewinn anschaulich machen: Mit dem früheren Elektromotor (Einzugswicklung) war das Fahrzeug bei einem Drehmoment von 70 Nm mit einem Wirkungsgrad von 92.2% unterwegs, mit dem neuen Elektromotor (Einsteckwicklung) sind es nun 95.6%. Diese Verbesserung fällt ins Gewicht, wie Oeschger unterstreicht: „Bei einem Nutzfahrzeug, welches fast ausschliesslich auf der Autobahn unterwegs ist, womit die Anfahrverluste praktisch vernachlässigt werden können, kann dank der Verbesserung die Batteriegrösse um mehr als 3.4% reduziert werden, wenn man in Rechnung stellt, dass der Wirkungsgrad auch bei der Rekuperation besser ist.“ Oeschger illustriert den Vorteil am Beispiel einer Batterie mit 100 kWh Speicherkapazität, die 600kg schwer ist und 100 Franken/kWh kostet. Hier entspricht bereits die Effizienzverbesserung um 3% einem Kostenvorteil von 3 kWh mal 100 Franken/kWh, also 300 Franken. „Dies ist in etwa die Hälfte des Preises für einen solchen Motor in Grossserie, zudem wird die Batterie um ca. 20 kg leichter“, sagt Oeschger.

Hoher Wirkungsgrad mit Formlitzen-Technologie
Um zu verstehen, wie die Entwicklungsingenieure die Verbesserung der Leistungsdichte erreicht haben, muss man sich den Aufbau von Elektromotoren in Erinnerung rufen: Ein Stator und ein darin platzierter Rotor bestehen jeweils aus Wicklungen (Spulen) elektrischer Leiter (gegeneinander isolierte Kupferdrähte), die unter Strom Magnetfelder erzeugen und über diese die kinetische Antriebsenergie hervorbringen. Dabei gilt: Je kompakter die Kupferwicklung, desto stärker das generierte Magnetfeld. An diesem Punkt haben die Ingenieure dank mehrjähriger Entwicklungsarbeit nun den jüngsten Fortschritt erzielt: Indem sie die Stator-Wicklung mittels moderner Formlitzen-Technologie (vgl. Textbox 1) als 'Einsteckwicklung' realisierten, erreichten sie eine besonders kompakte Wicklung, die – wie die Techniker es ausdrücken – über einen hohen Füllfaktor verfügt und so ein besonders starkes Magnetfeld erzeugt. Die neuartige Einsteckwicklung (vgl. Grafik 05) ist nicht nur kompakter als die bisher eingesetzte Einzugswicklung (vgl. Grafik 07) oder Wicklungen auf der Basis von Hairpin-Drähten, sie verbessert auch die thermische Leitfähigkeit zwischen der Kupferwicklung und dem Eisenpaket, auf dem sie aufgebracht ist. Das reduziert die (Wärme-) Verluste und erhöht den Wirkungsgrad zusätzlich. Durch magnetische Optimierungen sind nun die Wärmeverluste im Rotor so gering, dass keine aktive Kühlung des Rotors mehr erforderlich ist, obwohl die Dauerleistung deutlich gestiegen ist. Aktive Rotorkühlungen führen immer zu zusätzlichen Verlusten, weshalb von diesen nach Möglichkeit abgesehen werden sollte.

Der Motor mit Einsteckwicklung besteht bisher als Prototyp. Will man solche Motoren in Serie produzieren, braucht man geeignete Verfahren für die industrielle Produktion von Einsteckwicklungen. „Unser Prototyp verfügt dank der Einsteckwicklung über eine einzigartige Leistungsdichte. Brusa hat sich das Ziel gesetzt, die zugehörige Formlitzen-Technologie zu industrialisieren und die leistungsstarken Elektromotoren gemeinsam mit einem Partner aus dem Anlagenbau in Grossserie herzustellen“, sagt Dr. Holger Fink, CTO bei Brusa. Das ist für die Firma aus dem St. Galler Rheintal ein grosser Schritt, denn bisher beschränkte sie sich auf Prototyp-Anwendungen und Kleinserien. Und es ist anspruchsvoll für die Partner, denn sie müssen die Produktionsmaschinen für die Einsteckwicklungen erst konstruieren. „Unser Ziel ist“, sagt Holger Fink, „in fünf Jahren mit einem industrialisierten Produkt am Markt zu sein, das dann für Anwendungen mit besonders hohen Leistungsanforderungen bereitsteht.“

Weitere Auskünfte zu dem Projekt erteilt Martin Pulfer (martin.pulfer[at]bfe.admin.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Mobilität.


Formlitzen-Technologie

Litzen – elektrische Leiter aus dünnen, verdrillten Kupferdrähten – sind in der Elektrotechnik weit verbreitet, da sie biegsamer sind als ein einziger Kupferdraht mit grossem Durchmesser. BRUSA nutzt Litzen zum Bau von Elektromotoren. Hierbei handelt es sich um sogenannte Hochfrequenzlitzen (vgl. Foto 04). Bei diesen sind die dünnen Einzeldrähte durch eine Lackschicht gegeneinander isoliert. Mit diesem 'Trick' lässt sich der sogenannte Skin-Effekt und damit der (Wärme-) Verlust bei hohen Drehzahlen verringern.

In der Herstellung der Hochfrequenzlitzen steckt viel Knowhow. Die Hochfrequenzlitzen, die BRUSA für die Herstellung von Elektromotoren nutzt, werden durch eine spezielle Walze zusammengepresst, so dass die einzelnen Drähte einen hexagonalen Querschnitt bekommen (vgl. Foto 06). So entsteht ein kompakter Strang mit hohem Füllfaktor, der ein besonders starkes magnetisches Kraftfeld hervorbringt. Wegen der mechanischen Verformung durch Pressung werden die Hochfrequenzlitzen als 'Formlitzen' bezeichnet. Diese Formlitzen werden dann zur Herstellung von Wicklungen für sehr effiziente Elektromotoren verwendet. Je nach Art der Wicklung unterscheidet man zwischen Einzugs- und Einsteckwicklung.

Statt Formlitzen kann man zur Herstellung von Wicklungen auch Kupferdrähte verwenden, die nicht aus dünnen Einzeldrähten zusammengesetzt sind. In diesem Fall spricht man von 'Hairpin' (engl. für Haarnadel). Hairpin-Wicklungen sind sehr verbreitet. Sie kommen zum Beispiel in den Elektromotoren von Toyota Prius oder Opel Ampera zum Einsatz. BV


Ein leistungsstarker Elektromotor – angepasst für ein Windkraftwerk

Ein Elektromotor wandelt elektrischen Strom in Bewegungsenergie um. Ein Elektromotor lässt sich – versehen mit einem passenden Umrichter – mit wenig Aufwand in einen Generator verwandeln, der aus Bewegungsenergie elektrischen Strom produziert. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Expertise von Brusa in einem Schweizer Projekt zur Windkrafterzeugung gefragt war: In dem Projekt hat der Aargauer Ingenieur und Windkraftenthusiast Urs Giger eine Windenergieanlage ('Altanus') konzipiert, die nicht mit einem grossen Generator Strom produziert, sondern mit zwölf kleinen Generatoren, und die im Teillastbetrieb einen hohen Wirkungsgrad hat. Die Idee des Ansatzes: Bei der Verwendung einer Vielzahl von Generatoren hat jeder Generator weniger Gewicht; er kann leichter (ohne Kran) ersetzt werden. Das könnte gerade in schwer zugänglichen Standorten die Wartungskosten senken. Auch liesse sich die Windturbine beim Ausfall eines Generators weiterbetreiben.

„Im Rahmen dieses Projektes waren ebenso kompakte wie starke Generatoren mit einer Dauerleistung von 140 kW gefragt“, berichtet Marko Cvorak, der das vom BFE unterstützte Forschungsprojekt der Fachhochschule Nordwestschweiz von Seiten Brusa mit betreut hat. Um die erwünschte Leistung bereitzustellen, haben er und seine Kollegen damals einen verlängerten (und damit auch etwas schwereren) Generator vorgeschlagen. Mit dem heutigen Wissen könnte man einen Kurzmotor mit Formlitzen-Technologie bauen, sagt Cvorak. Damit wäre der Generator noch leichter und günstiger. Allerdings will Brusa nicht in dieses Geschäftsfeld vorstossen, wie Cvorak betont: „Unser Fokus liegt aufgrund unserer Auslastung aktuell auf der Optimierung von Anwendungen für die Automobilindustrie.“

Schlussbericht zum Forschungsprojekt >>


©Text: Dr. Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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1 Kommentare

Max Blatter

Das ist jetzt mal ein aussagekräftiger, fundierter, detaillierter Artikel, der auch für Fachleute wertvolle Informationen bereithält! Klar, Nichtfachleute werden hier vieles nicht oder nur der Spur nach verstehen - kein Problem; es wird auf dieser Plattform auch wieder leichter Verdauliches geben. Es braucht eben beides - insofern: Danke für diesen Betrag.

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