Gemäss der Einigung sollen Herkunftsnachweise zukünftig für den gesamten Ökostromsektor eingeführt werden sollen, also auch für geförderte Mengen. Einige Marktteilnehmer könnten das aber für Greenwashing im grossen Stil nutzen.

EE-Richtlinie: Schwache Ausbauziele, Kompromisse bei Prosumenten-Rechten

(PM) Die jüngste Einigung zur künftigen europäischen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie bewertet der Ökoenergieanbieter GreenpeaceEnergy mit einem durchwachsenen Fazit. In der Nacht hatten sich Europäisches Parlament, Rat und Kommission in ihren Trilog-Verhandlungen auf entscheidende Kompromisse in dem Richtlinienpaket verständigt (siehe ee-news.ch vom 18.6.2018 >>).


Konkret geht es dabei unter anderem um die Ausbauziele für erneuerbare Energien, Rechte und finanzielle Entlastungen für Eigenverbraucher und Bürgerenergie-Akteure sowie um den künftigen Umgang mit Herkunftsnachweisen für Ökostrom. „Der vereinbarte EU-weite Erneuerbaren-Anteil von 32 Prozent im Jahr 2030 ist zu gering, um klimaschädliche fossile Energieträger in der gebotenen Geschwindigkeit zu ersetzen“, sagt Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy in einer ersten Einschätzung. „Positiv immerhin: Die Ziele sollen bereits 2023 überprüft und könnten dann möglicherweise nach oben hin nachgebessert werden.“ Zudem sollen Kommission und Mitgliedsstaaten korrigierende Massnahmen ergreifen, wenn das 32-Prozent-Ziel nicht eingehalten werden kann. „Ein grosser Wurf ist das Ausbauziel dennoch nicht – und es ist beschämend, dass vor allem die deutsche Bundesregierung hier offenbar als Bremser aufgetreten ist“, kritisiert Keiffenheim.

Anerkennung Erneuerbarer-Energien-Gemeinschaften
Im aktuellen Richtlinien-Entwurf wurden offenbar weitere wichtige Detailvorgaben für den Ökostrommarkt vereinbart. So werden in Artikel 21 erstmals so genannte Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften als Akteure auf dem europäischen Energiemarkt anerkannt. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Bürgerenergie-Gesellschaften nicht von grossen Konzernen kontrolliert oder übernommen werden. Der in der Nacht vereinbarte Textentwurf zur Erneuerbaren-Richtlinie sieht weiterhin vor, dass sich grundsätzlich jeder EU-Bürger – alleine oder im Rahmen einer Gemeinschaft – mit selbst produziertem Ökostrom versorgen darf, ohne dabei durch unverhältnismässig hohe Abgaben oder diskriminierende Bedingungen eingeschränkt zu werden. Als „Prosument“ darf man demnach selbst produzierte Energie nicht nur verbrauchen, sondern auch speichern und weiterverkaufen – „mindestens zum Marktpreis“, wie es in der Einigung heisst. Dieser Eigenverbrauch soll zudem ab 2026 in der EU künftig von Entgelten befreit werden, solange die Leistung der genutzten Solaranlage kleiner als 25 Kilowatt ist. Bisher galten in Deutschland 10 Kilowatt als Grenze für eine Befreiung.

„Die Anhebung des Deckels ist für Energiebürger in Deutschland zumindest ein Fortschritt, der allerdings erst spät kommt“; so Keiffenheim. „Dennoch dürfte die damit verbundene Ausweitung der Eigenstromproduktion den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, weitergehende Prosumenten-Rechte nicht länger zu blockieren.“ Der vorliegende Entwurf aus den Trilog-Verhandlungen sieht vor, dass Mitgliedsländer, die Prosumenten dennoch mit Entgelten belegen wollen, zuvor belegen müssen, dass eine Entgeltbefreiung dieser Gruppe negative Folgen für das Gesamtsystem haben würde. Auch ein Peer-to-Peer-Stromhandel zwischen einzelnen Bürgern soll nach bisherigem Informationsstand ohne bürokratische und finanzielle Hürden auf Grundlage des aktuellen Entwurfes möglich werden. „Hier gilt es aber, die offizielle Formulierung der endgültigen Richtlinie abzuwarten, um die Handelsmöglichkeiten für Prosumer beurteilen zu können“, so Keiffenheim, der auch Aufsichtsrat im Bündnis Bürgerenergie e.V. ist.

Neuordnung des Systems der Herkunftsnachweise
Ein weiterer wichtiger Punkt in den Verhandlungen war die Neuordnung des Systems der Herkunftsnachweise, mit denen die grüne Qualität von Ökostromprodukten belegt wird. Zwischen den EU-Institutionen umstritten war hier die Frage, ob und wie man das System der Herkunftsnachweise in der gesamten EU auf staatlich geförderte Strommengen ausweiten soll. Bisher ist dies nur in einigen Ländern der Fall. In Deutschland hingegen erhalten nur ungeförderte Ökostromanlagen, die keine EEG-Vergütung bekommen, diese Zertifikate. Der in der Nacht ausgehandelte Kompromiss zum betreffenden Artikel 19 der Richtlinie sieht nun vor, dass Herkunftsnachweise grundsätzlich für den gesamten Ökostromsektor eingeführt werden sollen – also auch für geförderte Mengen. Diese Nachweise sollen allerdings nicht – wie ursprünglich von der Kommission vorgesehen – per Auktion an Dritte versteigert werden. Zudem können laut Kompromisspapier die Mitgliedsstaaten frei entscheiden, ob sie Herkunftsnachweise auch für solche Energiemengen erlauben, die bereits eine finanzielle Förderung etwa über das EEG erhalten.

Herkunftsnachweise für geförderten Strom nicht zulassen
Diese Wahlmöglichkeit ist aus Sicht von Greenpeace Energy ein Teilerfolg. „Noch konsequenter wäre es allerdings gewesen, Herkunftsnachweise für geförderten Strom EU-weit nur zu statistischen Zwecken zu nutzen – und so zu verhindern, dass diese überhaupt am Markt gehandelt werden können“, so Keiffenheim. „Eine massenhafte Ausgabe von Herkunftsnachweisen für geförderten Strom könnten einige Marktteilnehmer für Greenwashing im grossen Stil nutzen.“. Denn eine Flut von neuen Zertifikaten würde deren Preis verfallen lassen. Greenpeace Energy warnt bereits seit Langem davor, dass grosse Konzerne sich dann zu geringen Kosten mit grüner Stromqualität schmücken könnten, während die Verbraucher – die die geförderten Ökostromanlagen per EEG-Umlage finanzieren – den Grossteil der Kosten tragen. „Diese unmittelbare Verbrauchertäuschung kann nun hierzulande abgewendet werden, wenn Zertifikate für geförderten Strom bei uns gar nicht erst ausgestellt werden.“ Allerdings müsse die deutsche Bundesregierung von diesem Ausnahme-Recht nun auch Gebrauch machen. „Wir fordern deshalb vom zuständigen Minister Altmaier, Herkunftsnachweise für geförderten Strom in Deutschland nicht zuzulassen“, so Keiffenheim.

Text: Greenpeace Energy eG

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