Gruyère-Käserei. Weg vom Öl, hin zu lokalem Holz, angefangen hat alles vor über zehn Jahren mit der anstehenden Modernisierung der Dorfkäserei. ©Bild: Holzenergie Schweiz

Holzwärmeverbund: Das Sibirien der Schweiz heizt mit Holz

(Holzenergie Schweiz) Die kleine Neuenburger Gemeinde La Brévine ist bekannt als der kälteste Ort der Schweiz. Mit der anstehenden Modernisierung der Käserei und dem notwendigen Ersatz etlicher alter Ölheizungen erwuchs eine Idee, die im ganzen Dorf für Begeisterung sorgte: ein gemeinsamer Holzwärmeverbund.


Das Vallée de la Brévine im Neuenburger Jura ist gekennzeichnet durch ein raues und verhältnismässig feuchtes Klima. Aufgrund seiner Muldenlage in einer sogenannten Synklinale bildet sich im Winter während Strahlungsnächten ein Kaltluftsee, in dem das Thermometer nicht selten unter −30 °C sinkt. An der Messstation La Brévine wurde am 12. Januar 1987 mit −41.8 °C gar die tiefste je an einer offiziellen Station gemessenen Temperatur registriert, weshalb das mythische Hochtal auch das «Sibirien der Schweiz» genannt wird. Da erstaunt es wenig, wenn die 650 Einwohner von La Brévine ihre alten Ölheizungen schon mal etwas höher aufdrehen mussten als anderswo in der Schweiz. Das war früher. Im Herbst 2016 wurde die neue Holzheizzentrale nördlich des Dorfzentrums von La Brévine zusammen mit der neuen Käserei in Betrieb genommen.

Gemeinschaftsprojekt
Das Spezielle daran: Es ist ein über Jahre entstandenes Gemeinschaftsprojekt, das von allen Dorfbewohnern mitgetragen wird. Rund 14 Monate lange glich die Ortschaft unweit der französischen Grenze einer zwölf Millionen Franken teuren Grossbaustelle. Doch die Mühen haben sich gelohnt, denn am Tag der Einweihung waren nicht weniger als 85% aller Gebäude im Dorfkern an den Wärmeverbund angeschlossen und die Käserei konnte kurz darauf ihren Betrieb aufnehmen. Weg vom Öl, hin zu lokalem Holz Angefangen hat alles vor über zehn Jahren mit der anstehenden Modernisierung der Dorfkäserei. Zur gleichen Zeit stand der Gemeinderat vor der Aufgabe, mehrere alte Ölheizungen seiner öffentlichen Bauten zu sanieren. Dabei drängte sich die Frage auf, warum man bei dieser Gelegenheit nicht gleich auf eine lokale, reichlich vorhandene Ressource umstellen soll – Holz? Die Idee fand in der Bevölkerung grossen Zuspruch und löste innert Kürze eine regelrechte Begeisterung aus.

Kunden sind auch Mitglied
Es wurde eine Genossenschaft gegründet, die Société coopérative de chauffage à distance au bois de La Brévine (Cadbb), bei der alle Kunden zugleich auch Mitglied sind. Im Austausch mit dem lokalen Käsereiverband – dem 26 Produzenten angehören, welche jährlich 3.25 Millionen Kilogramm Gruyère AOC produzieren – entschied man sich für einen gemeinsamen Neubau, anstatt die alte Dorfkäserei aufwändig zu renovieren. Es folgte ein intensiver Dialog zwischen der Cadbb und den zukünftigen Wärmebezügern, worauf das Ingenieurbüro Masai Conseils SA in Cernier mit der Konzeption und Planung der Heizzentrale und des Leitungsnetzes beauftragt wurde. So kamen im Laufe der Projektarbeiten weitere Planer, Baufirmen und Lieferanten hinzu, bis schliesslich Ende August 2016 erstmals heisses Wasser durch die 2600 Meter langen, extra dick isolierten Rohrleitungen floss – eine Spezialanfertigung der Brugg Pipe System AG.

Holz für Wärmeversorgung grössentteils aus Region
Frédéric Cabré, Präsident der Genossenschaft, ist stolz auf das Erreichte: «Das Holz, welches für die Wärmeversorgung und die Gruyère-Produktion benötigt wird, stammt grösstenteils aus dem Umkreis von 15 Kilometern. Damit können wir den Anteil grauer Energie auf ein Minimum reduzieren!» Obwohl bereits fast alle beheizten Gebäude im Dorf angeschlossen sind, will man bis 2020 noch ein zusätzliches Gebiet erschliessen. Dann aber sind die Grenzen der Kapazität erreicht und man darf mit Stolz sagen: Das kleine Sibirien der Schweiz heizt mit Holz!

Ein Projekt mit Ausstrahlungskraft
Zweitgrösster Wärmebezüger der Heizzentrale, die durch ein lokales Forstunternehmen bewirtschaftet wird, ist die Käserei selbst. Einmal am Tag erhitzt Käser Sylvain Troutet die frisch angelieferte Milch in zwei grossen Kupferkesseln auf 52 °C. Die beiden Käsefertiger werden dabei nicht mit Dampf, sondern mit 90 °C heissem Wasser aufgeheizt. Damit dem Betrieb zu Spitzenzeiten morgens und abends genügend Warmwasser zur Verfügung steht, wurde die Holzheizung mit einem 40‘000 Liter fassenden Speicher ausgerüstet. Dieser dient dem Wärmenetz zugleich zum Schwankungsausgleich.

Um zusätzliche Energie aus den heissen Abgasen zurückzugewinnen, wurde die 1200 kW leistungsstarke Vorschubrostfeuerung mit einem Rauchgaskondensator ausgestattet. Zudem wurden das Netz und die Unterstationen so konzipiert, dass möglichst tiefe Rücklauftemperaturen erreicht werden (ca. 40 °C). Auf diese Weise lassen sich Wärmeverluste sowie die Durchflussmenge reduzieren und ermöglicht eine verbesserte Kondensation der Rauchgase. Ferner erzeugen über 600 Solarpanele, die auf einer Gesamtfläche von knapp 1000 m2 auf dem Dach und an der Fassade montiert sind, rund 175‘000 kWh Strom pro Jahr. Etwa einen Drittel davon verbraucht die Heizzentrale und der Käser selbst, der Rest wird ins Stromnetz gespeist. Gemeinderat Jean-Maurice Gasser ist beeindruckt von der Tragweite des Projekts, das zu 40% mit öffentlichen Geldern mitfinanziert wurde: «Mit unserer Holzheizung ersetzen wir jährlich 327‘000 Liter Heizöl und ersparen somit dem Klima jedes Jahr 720 Tonnen CO2. Das Projekt betrifft in erster Linie das Dorf, es ist aber auch ein Projekt des ganzen Tals.»

Text: Holzenergie Schweiz, Quelle: Bulletin 65

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