Den Stadtwerken kommt in Bezug auf die Energiegesellschaft der Zukunft eine Schlüsselrolle zu. Bild: Swisspower AG

Nahezu 250 Fachleute und Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft kamen zum 1. Stadtwerkekongress. Seine Aufwartung machte auch der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr. ©Bilder: T. Rütti

Benoît Revaz, neuer BFE-Direktor, forderte eine Stromproduktion aus ausschliesslich erneuerbaren Energien und ein entsprechend umfassendes Angebot.

Die Abstimmung vom 21. Mai 2017 über das revidierte Energiegesetz mit der Ja-Parole zog sich als roter Faden durch die Referate und Äusserungen im Bieler Kongresshaus. Hier Michael Frank, Direktor VSE.

1. Stadtwerkekongress: Mammutaufgabe Umsetzung der Energiestrategie 2050

(©TR) Wie verändert sich die Energiegesellschaft im städtischen Raum? Wie können sich Stadt- und Gemeindewerke im Umbau des Energiesystems mit neuen Geschäftsmodellen und mit der richtigen Kooperationsstrategie positionieren? Antworten gesucht auf diese Fragen wurden am 1. Schweizerischen Stadtwerkekongress.


Die Veranstaltung im Bieler Kongresshaus vom 31. März war ein gemeinsames Projekt von Swisspower, dem Netzwerk der Schweizer Stadtwerke, dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), dem Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG), dem Schweizerischen Städteverband und der Organisation Kommunale Infrastruktur (OKI). Nationalrat Eric Nussbaumer darf als Leiter Kommunikation bei Swisspower AG zweifellos als Erfolg verbuchen, dass nahezu 250 Personen teilnahmen, vor allem Vertreter von Stadt- und Gemeindewerken, Politiker sowie Verwaltungsangestellte von Städten und Gemeinden, aber auch Entscheidungsträger aus der kantonalen und nationalen Energiepolitiker, die ja letzten Endes alle auch Bewohner der Schweizer Städte und Gemeinden sind, also Betroffene.

Gemeinsam beleuchteten sie die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Stadtwerke der Schweiz und zum Teil Europas. Diskutiert wurde ausgiebig über Schwerpunkte der Gestaltung von smarten Lebensräumen in den Städten der Zukunft sowie über die Möglichkeit des Umbaus des Gasnetzes in die Richtung eines Gasnetzes mit erneuerbarem Gas. Die Energiezukunft mit mehr erneuerbarer Energie und verbesserter Energieeffizienz wird nach Meinung der Veranstalter, der Referenten und wohl auch der Publikumsmehrheit hauptsächlich in den urbanen Zentren gestaltet.

Abstimmung über das revidierte Energiegesetz

Rund 4 Milliarden Menschen leben heute in Städten, also mehr als 54 Prozent der Weltbevölkerung. Rund 80 Prozent der Treibhausgase werden in den Städten ausgestossen. Hier werden rund 75 Prozent der Abfälle produziert! Das tägliche Leben der Menschen in den urbanen Räumen hängt wesentlich davon ab, wie gut städtische Infrastrukturen wie die Strom-, Gas- und Wasserversorgung, die Verkehrs- und ICT-Netze oder die Abfallverwertung funktionieren. Entsprechend gross ist die Verantwortung der Städte beim Umbau des Energiesystems. Vor diesem Hintergrund zog sich die das Thema Abstimmung über das revidierte Energiegesetz vom 21. Mai 2017 als roter Faden durch die Referate und Äusserungen im Bieler Kongresshaus. Die Revision dient bekanntlich dazu, den Energieverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu erhöhen und die erneuerbaren Energien zu fördern. Auch soll der Bau neuer Kernkraftwerke verboten werden.

Städte als Innovationslabore
Die diesbezüglich vorherrschende Expertenmeinung beim Networking: Mit einem Ja zur Frage «Wollen Sie das Energiegesetz (EnG) vom 30. September 2016 annehmen?» kann die Schweiz die Abhängigkeit von importierten fossilen Energien reduzieren und die einheimischen erneuerbaren Energien stärken. Das schaffe Arbeitsplätze und löse Investitionen in der Schweiz aus… Kaum bestritten schien auch diese Aussage: Städte sind Innovationslabore für die Lebensqualität und für die Wettbewerbsfähigkeit von morgen.

Vom Lac Léman über Brisago bis Bodensee
Bei dieser Ausgangslage kommt den schweizerischen Stadtwerken in Bezug auf die Energiegesellschaft der Zukunft eine Schlüsselrolle zu. Das wäre der Idealfall: Alle Stadtwerke zwischen Lac Léman und Bodensee sowie zwischen Basel und Chiasso arbeiten allesamt unaufhörlich und jedes auf seine Weise am Umbau unseres Energiesystems in Richtung Energiestrategie 2050. Beziehungsweise die involvierten Politiker, Verbände und Organisationen machen sich mit allen Mitteln stark für eine Strategie, deren höchstes Ziel eine sichere und ökologische Energieversorgung ist. Also so, wie dies am 1. Stadtwerkekongress die zahlreichen Referenten aus dem In- und Ausland auch taten. Nebst der Revision des Energiegesetz konnte noch ein weiterer roter Faden ausgemacht werden: Zum Gradmesser der Energiegesellschaft der Zukunft werden durchgehend vernetztes Management urbaner Infrastrukturen, eine unübertrefflich hohe Dienstleistungsqualität sowie – offenkundig besonders wichtig – eine möglichst lückenlose Digitalisierung.

Revaz fordert Erneuerbare als Standardprodukt

Reflektion der städtischen Akteure fehlten laut Kongressorganisatoren bislang in unserer Kongresslandschaft. Der 1. Stadtwerkekongress sollte diese Lücke schliessen als branchen- und themenübergreifende Dialog- und Begegnungsplattform und den Austausch unter Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ermöglichen. Als Referenten traten Experten auf wie zum Beispiel Benoît Revaz, Direktor Bundesamt für Energie. Sein Thema: «Stratégie énergétique 2050, chances et défis pour les services industriels», also Chancen und Herausforderungen . Konkret forderte er eine Stromproduktion ausschliesslich aus erneuerbaren Energien und somit einen entsprechenden kompromisslosen Ausbau sowie die Integration ins Energieversorgungssystem. Eine hohe Versorgungssicherheit ist für den neuer BFE-Direktor ein Muss, desgleichen ein umfassendes Angebot an erneuerbaren Produkten, mehr noch: Erneuerbare Energien als Standardprodukt. Benoît Revaz sprach aber auch von der Bedeutung und möglichen Integration eines vollliberalisiert Marktes.

Nachhalitge und gut ausgebaute Netzinfrastruktur

Markus Blättler, Geschäftsführer SWL Energie AG, referierte zum Thema «Die Rolle der Gasnetze in der Stadt der Zukunft». Die Energiestrategie 2050 bezeichnete er als eine Mammutaufgabe. Ein Teil der Lösung seien Gasnetzte und erneuerbare Gase. Die Stadtwerke seien in diesem Zusammenhang nicht untätig, doch an den rechtlichen Vorgaben habe es noch einige Schrauben, die endlich richtig gedreht werden müssten.

Michael Frank, Direktor VSE, befasste sich mit dem Thema «Energiewelten: Ein Blick in die Zukunft» und verkündete dazu, der VSE wähle einen neuen Ansatz zur Beschreibung der Energiezukunft. Die VSE-Vision in Stichworten: Energie ist ausreichend und erschwinglich verfügbar; die Energiewirtschaft übernimmt weiterhin Verantwortung für die Versorgungssicherheit und setzt sich für geeignete Rahmenbedingungen ein; ein hoher Eigenversorgungsgrad der Schweiz, die Teilnahme an einem diskriminierungsfreien EU-Energiebinnenmarkt; die Einbindung von dezentraler Produktion, Speicher und Verbrauch; eine dauerhafte, gut ausgebaute Netzinfrastruktur; langfristig CO2-arme Energieversorgung und Stromproduktion sowie umweltgerechte Lösungen.

Gemeinsames Handeln und gemeinsame Strategien
Omnipräsent in der Branche sind die Themen «Regulierungen» und «Rahmenbedingungen». Wenn es diesbezüglich hapert, und das tut es offenbar, geraten jene Werte oder Errungenschaften rasch in Schieflage, die man bei den Stadtwerken als wichtig, richtig und matchentscheidend erachtet. Ja, Rahmenbedingungen und Regulierungen sind anscheinend noch weit vom wünschbaren und anzustrebenden Stand entfernt. Ist man nicht auf der Hut, vergrössert sich der Abstand nur noch. Die Entscheidungsträger und Politiker, die sich für die Belange der Stadtwerke sowie die Anliegen der Ökologie einsetzen, scheinen begriffen zu haben, worum es geht. Einig ist man sich in diesen Kreisen auch in der Frage, ob das bereits Erreichte in Sachen erneuerbaren Energien und Energieeffizienz ausreicht: Nein, das tut es laut Branchenmeinung leider noch lange nicht! Das Gebot der Stunde: Gemeinsames Handeln, gemeinsames Vorgehen, gemeinsame Strategien sowie, wo dies sinnvoll ist, standardisierte Lösungen.

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©Text und Bilder: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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