Durch das grosse Porenvolumen ist Pflanzenkohle ein exzellenter Nährstoffspeicher, sowohl für organische (Jauche, Gülle, Kompostextrakte) als auch für synthetische und mineralische Dünger. Bild: Christian Dany

Im landwirtschaftlichen Betrieb kann Pflanzenkohle in den Systemen Stall, Mist/Gülle, Biogasanlage, Kompostierung, Feld, Bäume/Wald sowie Boden eingesetzt werden. Ausführliche Erklärung siehe Kasten an Textende. Bild: EBI

Stoffströme bei der Pyrolyse von Biomasse. Je nach Prozessführung kann der Anteil des Kohlenstoffs, der zur Senke wird, unterschiedlich ausfallen. Ausführliche Erklärung siehe Kasten an Textende.

Umweltfreundliche Herstellung von Pflanzenkohle mit bis zu vierfacher Wertschöpfung: (i) Erzeugung von CO2-neutralem Strom, (ii) CO2-neutraler Wärme, (iii) Pflanzenkohle und (iv) Negativemissionen. Ausführliche Erklärung siehe Kasten an Textende.

Pflanzenkohle aus Syncraft-Holzvergasungsanlagen wird auch zu Grillkohle verarbeitet. Bild: Christian Dany

Schautafeln an einem Versuchs-Grünlandstreifen. Bild: Christian Dany

Grosses Interessen an der TerraBayt-Einführungsveranstaltung. Bild: Christian Dany

Projekt Terra Bayt: Erforschung des Pflanzenkohleeinstiegs - langfristige agrarökologischen und pflanzenbaulichen Wirkungen beurteilen

(CD) Humusaufbau und Anpassung an den Klimawandel stehen in der Landwirtschaft hoch im Kurs. Mit Pflanzenkohle lassen sich diese Anforderungen gut erfüllen. Im gross angelegten, bayerischen Forschungsprojekt Terra Bayt sollen nun die langfristigen agrarökologischen und pflanzenbaulichen Wirkungen untersucht und wissenschaftlich nachgewiesen werden.


Zum Erreichen der Klimaschutzziele ist es erforderlich, Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Jedoch: „Landwirtschaftliche Böden werden weiterhin Lachgas produzieren und die Milchkuh wird weiterhin Methan ausstossen. Die letzten 10-20 Prozent Treibhausgaseinsparungen werden brutal teuer werden. Darum müssen wir Kohlenstoff im Boden einlagern. Das Risiko dabei ist gering und die Vorteile sind riesengross“, sagte Kurt-Jürgen Hülsbergen von der Technischen Universität München-Weihenstephan (TUM). Der Professor für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme führte vor kurzem am Versuchs-Standort Eurasburg in das Forschungsprojekt TerraBayt zum Einsatz von Pflanzenkohle (Definition siehe Kasten) in der Landwirtschaft ein.

Humusaufbau und Bodenverbesserung
Mit Pflanzenkohle soll nicht nur Kohlenstoff aus der Atmosphäre entnommen, sondern auch Humus aufgebaut, damit der Boden verbessert und der Ertrag gesteigert werden. Ausserdem erhöht die Pflanzenkohle aus der Pyrolyse von Biomasse die Wasserspeicherkapazität des Bodens, sodass sich eine Anpassungsstrategie an den Klimawandel umsetzen lässt. „Die Pyrolyse kann sehr unterschiedlich sein“, gab Hülsbergen zu denken, „je nachdem, welchen Ausgangsstoff sie nehmen und wie die Pyrolysebedingungen sind, haben sie verschiedene Eigenschaften der Pflanzenkohle.“ Ausserdem sei es nur sinnvoll und praxisrelevant, wenn die Pflanzenkohle mit Nährstoffen als Beimischung in Gülle, Gärrest oder Kompost ausgebracht werde. Bei einigen Forschungsprojekten sei der Fehler gemacht worden, die Pflanzenkohle in Reinform respektive zu kurz anzuwenden.

Dauerfeldexperiment an zwei Standorten
„Die für die Umsetzung in der landwirtschaftlichen Praxis entscheidenden Langzeitversuche fehlen gänzlich. Somit können die langfristigen agrarökologischen und pflanzenbaulichen Wirkungen bisher nicht sicher beurteilt werden“, sagte der Forschungsleiter. Er verwies auf die Funde von Terra Preta („schwarze Erde“), einem fruchtbaren Boden im Amazonasbecken, der in einem jahrhundertelangen Prozess durch den Einsatz von Holzkohle, Fäkalien und Kompost entstanden sei. Im TerraBayt-Projekt werden deshalb an zwei Standorten Dauerfeldexperimente gemacht, einmal im ökologischen und einmal im konventionellen Landbau.


Pflanzenkohle – Begriff und Bedeutung
Neben „Pflanzenkohle“ wird teilweise noch der veraltete Begriff „Biokohle“ verwendet, der sich aus der wörtlichen Übersetzung des englischen „biochar“ ergibt. Da es sich jedoch nicht notwendigerweise um ein Produkt aus zertifiziert biologischem Anbau handelt, gilt seit 2011 für alle nicht energetisch genutzten Pyrolysekohlen einheitlich der Begriff Pflanzenkohle. Ausgangsmaterial ist in der Regel Holz, möglich sind aber auch andere kohlenstoffreiche Biomassen. Durch das grosse Porenvolumen ist Pflanzenkohle ein exzellenter Nährstoffspeicher, sowohl für organische (Jauche, Gülle, Kompostextrakte) als auch für synthetische und mineralische Dünger.

Biomasse unter Luftabschluss bei mindestens 400 °C thermisch behandeln
Während Pflanzenkohlen aus holzigem Ausgangsmaterial mit 70 bis 90 Prozent einen hohen Kohlenstoffgehalt aufweisen, liegt dieser bei Kohlen aus Stroh, Laub oder Getreidespelzen etwas niedriger bei 40 bis 60 Prozent. Bei der Pyrolyse wird die Biomasse unter Luftabschluss bei mindestens 400 °C thermisch behandelt. Produkte der hydrothermalen Karbonisierung (HTC) werden nicht zu den Pflanzenkohlen gezählt. HTC-Kohlen entstehen bei niedrigeren Temperaturen und sind nicht so langzeitstabil. Pflanzenkohlen werden in den Bereichen Güllezusatz, Futtermittelzusatz, Stalleinstreu und Gärhilfsmittel für Biogasanlagen bereits in der landwirtschaftlichen Praxis eingesetzt. Gemäss Düngemittelverordnung sind in Deutschland bislang nur Kohlen mit einem Kohlenstoffanteil von 80 Prozent aus chemisch unbehandeltem Holz zugelassen. In der neuen, ab 16. Juli 2022 geltenden EU-Düngemittelverordnung sind weitere Ausgangsstoffe auf der Positivliste.


Grünland und Obstbau
„Dauerfeldexperiment heisst 20 Jahre plus x“, stellte Hülsbergen klar. Zwar reiche die Förderung erstmal nur für drei Jahre bis Ende 2024. „Wir haben das Projekt aber für länger konzipiert“, verriet der Agrarökologe. Ausserdem würden Düngungsversuche auf Grünland hier in Eurasburg-Baierlach und auf Ackerland in Burghausen durchgeführt. Neben den oberbayerischen Standorten sei auch die Obstbauversuchsanlage Hiltpoltstein (Oberfranken) beteiligt: Dort sei geplant, vor der Neupflanzung von Obstgehölzen mit Pflanzenkohle und Kompost zu düngen. So sollen verschiedene Bewirtschaftungssysteme und Boden-Klima-Regionen Bayerns abgebildet werden.

Je höher die pH-Wert-Anhebung desto grösser sei die Ertragssteigerung
Bezugnehmend auf Metastudien, in denen die bestehende Forschung auf Übereinstimmungen untersucht wird, sei Hülsbergen zufolge tendenziell ein positiver Ertragseffekt festzustellen. Je höher die pH-Wert-Anhebung infolge des Pflanzenkohle-Einsatzes, desto grösser sei die Ertragssteigerung. „Wir wollen wissen, wie der Ertrag zustande kommt“, so der Professor. Deshalb werde im TerraBayt-Projekt der Vegetationsindex REIP mithilfe von multispektralen Sensoren bestimmt, die eine Rückstrahlung des Pflanzenbestands messen. Der REIP (Red Edge Inflection Point) markiert einen Wendepunkt der für eine Oberfläche typischen Messwerte und steht in enger Beziehung zu Biomasse, Chlorophyll-Gehalt, Stickstoff-Gehalt und -Entzug sowie Ertrag.

Positive Effekte nachweisbar?
„Unsere Arbeitshypothese ist, dass Pflanzenkohle Stickstoff bindet“, sagte Hülsbergen. Er erwarte, nachweisen zu können, dass sowohl die Nitratauswaschung als auch die Emissionen von Lachgas und Ammoniak zurückgehen. Die Metastudien hätten ausserdem gezeigt, dass sich durch Pflanzenkohle die Lagerungsdichte verringere, also das Bodenvolumen erhöhe und die Aggregatstabilität verbessere. Bei ihren Versuchen wollen die Weihenstephaner 500, 1000 oder 2000 kg Pflanzenkohle-Kohlenstoff pro Hektar und Jahr ausbringen. Die Kohle stammt von zwei Herstellern: zum einen der Firma Syncraft aus Tirol, die Holzvergasungsanlagen baut, die neben Strom und Wärme als Nebenprodukt auch Pflanzenkohle mit EBC-Zertifikat (European Biochar Certificate) erzeugen; zum anderen vom Unternehmen NovoCarbo/Rheinland-Pfalz, das mit energieautonomen Pyrolyseanlagen gezielt Pflanzenkohle herstellt.

Brückenfunktion zwischen Forschung und Praxis
Auf der Grundlage der Projektergebnisse, vor allem zu den agrarökologischen und pflanzenbaulichen Wirkungen, möchte die TU München-Weihenstephan Anwendungsempfehlungen zum Pflanzenkohle-Einsatz geben. Das sei laut Hülsbergen das übergeordnete Projektziel. Beteiligt ist deshalb auch Carmen e.V.: Die Organisation aus Straubing unterstützt bei Veranstaltungen und der Öffentlichkeitsarbeit. Eine Brückenfunktion zwischen Forschung und Praxis möchten die Bayerischen Maschinenringe beim Thema Pflanzenkohle einnehmen. Wichtige Antreiber des Forschungsprojektes waren Peter und Jochen Pelz von der Ernst-Pelz-Stiftung aus Geretsried. Die Stiftung hat zunächst eine Machbarkeitsstudie gefördert und dann mit einer Anschubfinanzierung ermöglicht, dass die zwei Dauerversuchs-Anbauflächen schon 2020 angelegt werden konnten.

Landwirte wie Christian Pilch stellen Flächen und Maschinen bereit. Auf dessen Betrieb in Eurasburg-Baierlach wird seit 40 Jahren ökologisch gewirtschaftet. Pilch erzeugt Bio-Heumilch, hat eine eigene Molkerei, eine Backstube und einen Hofladen. Mit Pflanzenkohle auf Grünland sammelt er schon seit einigen Jahren Erfahrungen. Gefördert wird TerraBayt vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium. Wolfram Schaecke, Leiter des Referats „Ressortforschung und Innovation“ präsentierte einen geschichtlichen Abriss der Agrarforschung und Technologieentwicklung und gab Einblicke in die Forschungsthemen des aktuellen Jahrzehnts bis 2030, wie Future Crops und biotechnologisch erzeugte Proteine. Für die spätere Umsetzung von Pflanzenkohle-Projekten regte er das von der EU-Kommission aufgelegte Programm „European Innovation Partnership for Agricultural productivity and Sustainability (EIP-AGRI)“ an.


Ausführliche Legenden

2. Bild oben links: Im landwirtschaftlichen Betrieb kann Pflanzenkohle in den Systemen Stall, Mist/Gülle, Biogasanlage, Kompostierung, Feld, Bäume/Wald sowie Boden eingesetzt werden. Die Zeichen in den Klammern (+)/(-) zeigen auf, wie Pflanzenkohle den jeweiligen Parameter beeinflusst: (-) Reduktion (+) Erhöhung. Die Farbe zeigt an, ob die Veränderung positiv (grün) oder negativ (rot) zu bewerten ist. Quelle: European Biochar Industry Consortium (EBI)

3. Bild oben links: Stoffströme bei der Pyrolyse von Biomasse. Je nach Prozessführung kann die Aufteilung des in der Biomasse enthaltenen Kohlenstoffs auf die drei möglichen Endprodukte – und damit der Anteil des Kohlenstoffs, der zur Senke wird – unterschiedlich ausfallen. Grafik: European Biochar Industry Consortium (EBI)

4. Bild oben links: Umweltfreundliche Herstellung von Pflanzenkohle mit bis zu vierfacher Wertschöpfung: (i) Erzeugung von CO2-neutralem Strom, (ii) CO2-neutraler Wärme, (iii) Pflanzenkohle und (iv) Negativemissionen. Anlagentypen, die nicht auf Stromerzeugung ausgelegt sind, setzen im Gegenzug dafür einen höheren Anteil der Ausgangsbiomasse in Pflanzenkohle und damit in Kohlenstoffsenken um. Grafik: European Biochar Industry Consortium (EBI)


©Text: Christian Dany

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