Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik im Institutsbereich Energie & Klimaschutz in Berlin arbeitet seit über 20 Jahren zu Kohlenstoffmärkten und dem Zertifikatehandel. Bild: Öko-Institut

Öko-Institut-Podcast: Treibhausgas-Emissionen kompensieren - Qualitätskriterien für Zertifikate

(PM) „Die Frage, was ein gutes Zertifikat zur Kompensation von Treibhausgasemissionen ist, ist kompliziert. Da gibt es eine ganze Palette von Kriterien, die erfüllt werden sollten“, sagt Dr. Lambert Schneider im Podcast „Wenden bitte! Der Podcast zu Wissenschaft und nachhaltigen Transformationen“ des Öko-Instituts. Dazu gehört etwa, dass wirklich zusätzlicher Klimaschutz angestossen wird, dass die Emissionen dauerhaft vermieden und hohe Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden.


Treibhausgase zu kompensieren heisst, dass man über Zertifikate in Klimaschutzprojekte investiert, die ausserhalb des Landes oder des Unternehmens stattfinden. In den letzten Jahren ist der Markt für Kompensationszertifikate stark gewachsen. Die Qualität der angebotenen Zertifikate ist allerdings sehr unterschiedlich.

In dem Podcast informiert Lambert Schneider, worauf es ankommt, damit ein Kompensationszertifikat wirklich fürs Klima wirksam ist. Er forscht schon seit 20 Jahren zur Qualität von Zertifikaten, mit denen Unternehmen und Privatpersonen ihre Treibhausgase ausgleichen und gehört zum Verhandlungsteam der EU bei den jährlichen Klimaverhandlungen (COP).

Zum Podcast des Öko-Instituts >>

Kriterien, die die Klimawirksamkeit bestimmen
Bei der Qualität von Kompensationszertifikaten muss alles stimmen, damit es ein wirklich gutes Zertifikat ist. Schneider verwendet dafür das Bild einer Badewanne: „Wenn diese auch nur an einer kleinen Stelle ein Loch hat, läuft das gesamte Wasser aus.“

Fragen, die Käuferinnen und Käufer an Zertifikate stellen sollten, sind demnach: Hätte das Klimaschutzprojekt, für das ich mit dem Zertifikat zahle, sowieso stattgefunden oder wird es erst durch die Zertifikate ins Leben gerufen? Werden die Emissionsminderungen aus dem Klimaschutzprojekt realistisch abgeschätzt?

Darüber hinaus sind folgende Fragen relevant für die Qualität der Projekte: Ist die Permanenz der Emissionsminderungen gewährleistet? Das heisst: Wie gut wird sichergestellt, dass ein neu gepflanzter Wald stehen bleibt? Und über welchen Zeitraum muss eine mögliche Abholzung wieder ausgeglichen werden: über fünf oder hundert Jahre? Wird gewährleistet, dass Emissionsminderungen nicht doppelt angerechnet werden? Dies kann zum Beispiel passieren, wenn sich nicht nur die, die das Zertifikat kaufen, sondern auch der Staat, in dem das Projekt umgesetzt wird, die Minderungen auf sein Klimaziel anrechnet.

Wann Zertifikate genutzt werden sollten und wann nicht
Grundsätzlich sollte vor der Kompensation immer gefragt werden, welche Emissionen überhaupt verursacht werden müssen, welche ganz vermieden und welche wie anderweitig gemindert werden können.

Ausserdem darf Kompensation nicht zum „Greenwashing“ missbraucht werden: Schneider erklärt am Beispiel Kraftstoff, wie Kompensation Klimaschutz untergraben kann. Wird zum Beispiel beim Kauf von Benzin oder Diesel eine Kompensation für einen sehr geringen Betrag angeboten, kann es dazu führen, dass Fahrerinnen und Fahrer denken: „Meine Emissionen werden ja ausgeglichen, also kann ich unbeschwert mein Auto nutzen.“ Wichtiger wäre, zuerst auf eine emissionsfreie Fortbewegung wie Radfahren oder den ÖPNV zu setzen.

Nicht zuletzt macht Schneider das Konzept der „Klimaverantwortung“ stark: Das Konzept geht dabei komplett von dem Gedanken der CO2-Kompensation weg. Unternehmen könnten demnach ihre Emissionen so weit wie möglich reduzieren und darüber hinaus Beiträge zur Klimaschutzfinanzierung leisten, ohne den Anspruch an Klimaneutralität zu erheben.


Weitere Podcasts - Wissen statt Alltagsberatung

Der Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts richtet sich an alle mit politischem und ökologischem Interesse aus Politik, Wissenschaft, Medien, NGOs und Öffentlichkeit. Den Podcast moderiert Nadine Kreutzer, Journalistin und Moderatorin unter anderem mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsthemen. 45 bis 60 Minuten spricht sie mit Mandy Schossig, Leiterin Öffentlichkeit & Kommunikation, und jeweils einem Gast über anstehende Nachhaltigkeitstransformationen – genug Zeit für die „Langstrecke der Umweltpodcasts“.

Staffel 1 (2021)


Text: Öko-Institut

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