Gillianne Bowman stellte eine Studie vor, die die Nährstoffflüsse in Biogasanlagen und die Wertschöpfung von Vergärungsprodukten untersucht. Bild: Ökostrom Schweiz

Abschätzung des Mehrwerts (externer Nutzen neben der Energieproduktion) der Biogasanlage Bio-Energ'Etique SA in Bure/JU. Bild: EREP-ENEA Consulting/bearbeitet B. Vogel

In Vietnam werden Fermenter genutzt, um z.B. aus den Exkrementen von Schweinen und anderen Nutztieren Biogas insbesondere für Kochzwecke zu erzeugen. Bild: Nouvelle Planète

Blick in das Labor des Instituts für Chemie und Biotechnologie an der ZHAW. Hier untersucht Wolfgang Merkle neue Methoden der biologischen Methanisierung. Bild: ZHAW

Wolfgang Riedl (FHNW) hat untersucht, wie sich aus Molke Milchsäure gewinnen lässt. Bild: FHNW

BFE-Tagung zur Bioenergieforschung: Mehrwert schaffen, neue Ansätze erforschen und über den Tellerrand hinausblicken

(BV) Energie aus Holz, Klärschlamm, Gülle und anderen biogenen Substraten leistet einen markanten Beitrag zur Energieversorgung der Schweiz. Biomasse ist regional und nachhaltig, im Vergleich zu anderen Energien aber noch relativ teuer. Trotzdem kann sich Biomasse auf dem Markt behaupten, wenn sie deutlich macht, welch grossen Mehrwert sie über die eigentliche Wärme- und Stromproduktion hinaus hat. Worin dieser Mehrwert besteht und wie er bestimmt werden kann, das war ein Schwerpunkt der diesjährigen BFE-Tagung zur Bioenergieforschung in der Schweiz. (Texte en français >>)


Bis im Jahr 2050 soll die Schweiz nicht mehr Treibhausgase emittieren, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können. So lautet des ‹Netto-Null›-Ziel des Bundesrats. Was die Schweizer Regierung für das eigene Land postuliert hat, ist zugleich die Leitidee der Internationalen Energieagentur (IEA) für das globale Energiesystem. Um diese ehrgeizige Zielsetzung zu erreichen, sind alle Energien zu stärken, die bei ihrer Produktion kein bzw. ein Minimum an CO2 und anderen Treibhausgasen verursachen. Hierzu gehört Energie aus jeglicher Form von Biomasse. Die Netto-Null-Roadmap der IEA geht davon aus, dass sich der Anteil der Biomasse am globalen Energieverbrauch im Jahr 2050 bezogen auf 2010 verdoppeln wird.

20 % der weltweiten Gasnachfrage
«Würde weltweit das nachhaltig nutzbare Potenzial von Biomassee genutzt, liesse sich damit 20 % der weltweiten Gasnachfrage decken», sagte Dr. Sandra Hermle, Biomassee-Expertin des BFE, als sie Ende Mai die sechste Tagung zur ‹Bioenergieforschung in der Schweiz› eröffnete. Gleichzeitig unterliegt die Nutzung der Bioenergie einem Wandel. Statt Biomasse für die Bereitstellung von Raumwärme oder zum Kochen zu nutzen, wie vielerorts noch traditionell eingesetzt mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen, wird sie in Zukunft verstärkt etwa zur Herstellung industrieller Hochtemperaturenergie z.B. in der Papier- und Zementindustrie genutzt werden, Sektoren, die schwer zu defossilisieren sind. Zum Kochen können stattdessen beispielsweise kleine Fermenter herangezogen werden, die Biogas aus organischen Abfällen (wie z.B. Gülle, Mist, Küchenabfälle etc.) gewinnen. Solche Fermenter kommen heute schon zum Einsatz, etwa in armen Landstrichen Vietnams, wie Philippe Randin, Direktor der Westschweizer Organisation für Entwicklungszusammenarbeit Nouvelle Planète, an der Bioenergie-Tagung ausführte.

Biomasse hat mancherlei Vorzüge
Im Zentrum der virtuell ausgetragenen Fachtagung standen aber auch dieses Jahr die jüngsten Erkenntnisse aus der Schweizer Bioenergieforschung und das energiepolitische Umfeld. Matthieu Buchs, Biomasse-Spezialist beim BFE, orientierte über die aktuellen politischen Dossiers mit signifikanten Auswirkungen auf die Bioenergie. Hierzu gehören insbesondere das Zukunftsmodell zur Förderung der Biomasse im Stromsektor (KEV-Nachfolgelösung), die Förderung von erneuerbaren Gasen im Wärmebereich (CO2-Gesetz) oder das neue Gasversorgungsgesetz für klare Regeln im Gasmarkt. Das Auslaufen der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) Ende 2022 stellt die Branche vor eine Herausforderung, wie Buchs betont: «Im Investitionsbeitrags-Modell gewinnt die finanzielle Verwertung aller Produkte und Dienstleistungen von Biomasseanlagen, neben der Energieproduktion also zum Beispiel im Umweltschutzbereich oder im Düngerbereich, an Bedeutung.»

Positiver externer Effekte von Biogas
Nuria Montpart vom Beratungsbüro EREP SA (Aclens/VD) stellte eine Studie vor, welche die positiven externen Effekte von Biogas bzw. dem darin enthaltenen Energieträger Methan untersucht. Zu diesen Effekten gehören die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen, die Verminderung des Mineraldüngereinsatzes oder die Inwertsetzung bestehender Gasinfrastrukturen. Am Beispiel einer landwirtschaftlichen Biogasanlage mit Wärme-Kraft-Kopplung im Jura wurde der externe Mehrwert – also der Mehrwert neben der Produktion von Strom (4'350 MWh/a) und Wärme (5'500 MWh/a) – in Geldwert ausgedrückt (vgl. Grafik 02). «Bei allen Unsicherheiten dieser Schätzung fällt der Mehrwert über die eigentliche Energieproduktion hinaus doch ins Gewicht», stelle die Forscherin fest.

Nährstoff-Kreislauf schliessen
Dieser Mehrwert ist da, doch macht er sich auch bezahlt? «Die Biomasseenergie an sich wird finanziell gut abgegolten, nicht jedoch deren Beitrag zur CO2-Reduktion oder zur Minderung der Nährstoffbelastung», gab Urs Baier von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil zu bedenken. Baier will darauf hinwirken, dies in Zukunft zu ändern, zum Beispiel in der IEA-Fachgruppe ‹Energy from Biogas›, in der Expertinnen und Experten aus 19 Staaten zusammenarbeiten und in der Urs Baier die Schweiz vertritt. Einer der Arbeitsschwerpunkte der Fachgruppe in den nächsten drei Jahren sind die «Co-Benefits von Biogas in einer Kreislaufwirtschaft».

Ungenutztes Biogas-Potenzial von 3 TWh/a
An der Tagung wurden verschiedene Projekte vorgestellt, die sich dem Mehrwert der Biomasse-Energieproduktion aus verschiedenen Perspektiven näherten: Die ZHAW entwickelt mit Partnern ein Konzept, um die flüssigen und die festen Bestandteile von Hofdünger (Gülle) getrennt vergären zu können. Auf dem Weg soll in der Schweiz ein bisher ungenutztes Biogas-Potenzial von 3 TWh/a erschlossen, aber auch der Zukauf von Dünger reduziert werden. Ähnlich die Stossrichtung eines Projekts der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Die Forschenden der WSL haben gemeinsam mit Ökostrom Schweiz den (monetären und nicht-monetären) Wert verschiedener Gärprodukte untersucht. Gemäss einer vorläufigen, noch provisorischen Kostenschätzung stecken in einem einzigen Kubikmeter Gärgülle Stickstoff, Phosphor und Kalium im Gegenwert von gut acht Franken, wenn man die Nährstoffpreise von Mineraldüngern heranzieht. Einen anderen Zugang wählt ein Team der Fachhochschule Nordwestschweiz. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen wissen, wie aus Molkeabfällen, die beispielsweise in der Käseproduktion entstehen, durch Einsatz sogenannter Membrankontaktoren der Wertstoff Milchsäure gewonnen werden kann, aus dem sich beispielsweise Kunststoffe herstellen lassen.

Biologische Methanisierung verbessern
Ein weiterer Fokus der diesjährigen Tagung zur Schweizer Bioenergieforschung lag auf innovativen Ansätzen, um den Ertrag an Biogas zu steigern. Rohbiogas, wie es in Biogasanlagen produziert wird, besteht zu rund 60 % aus energetisch nutzbarem Methan, zu 40 % aus dem bisher in der Regel nicht energetisch genutzten CO2. Damit das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid nicht in die Umwelt abgegeben werden muss, kann es unter Zugabe von Wasserstoff (H2) in Methan verwandelt werden. Für diese Methanisierung von CO2 und H2 zu Methan (CH4) sind katalytische oder biologische Verfahren verfügbar. Letztere brauchen weniger Energie, da die Prozesse nicht bei hohen Temperaturen und Drücken ablaufen, allerdings ist die Methanausbeute hier bislang geringer.

Im ERA-NET-Projekt CarbonATE entwickeln gegenwärtig Forschende der ZHAW und des Paul Scherrer Instituts gemeinsam mit österreichischen Partnern ein optimiertes Verfahren zur biologischen Methanisierung. Grundlage ist ein enzymatischer Prozess zur Abscheidung des CO2 aus dem Rohbiogas. Im ersten Schritt werden hierfür die ausgewählten Enzyme (Carboanhydrase, Formiatdehydrogenase) mittels Expression in Escherichia-coli-Bakterien produziert. Im zweiten Schritt werden die Enzyme genutzt, um CO2 in Hydrogencarbonat und Formiat umzuwandeln, bevor diese Stoffe schliesslich in einem Bioreaktor (Rieselbettreaktor) zu Methan werden.

Gasnetz als Speicher für erneuerbare Energien
Im Erfolgsfall resultiert aus dem noch laufenden Forschungsprojekt ein wirksames, kostengünstiges und skalierbares Verfahren zur biologischen Methanisierung. Dieses könnte in Zukunft genutzt werden, um Strom aus Windkraftwerken und Photovoltaikanlagen in Form von Gas zu speichern (‹Power-to-gas-Technologie›), wie ZHAW-Forscher Wolfgang Merkle sagt: «Das Erdgasnetz stellt uns einen riesigen Speicher für erneuerbare Energien aus Wind- und Solarkraftwerken bereit. Das europäische Gasnetz ist so gross, dass es einen Viertel des europaweiten Jahresbedarfs an Gas speichern kann.»

©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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