Die Photovoltaik-Produktion im Jahresverlauf 2017. Siehe weiter Erklärungen im Text. ©Grafik: ewz.

Die Fassade auf allen Seiten mit Photovoltaik bestückt, das Mehrfamilienhaus Hofwiesen-/Rothstrasse. Die Auswertung von ewz zeigt, die Fassade steigert den Eigenverbrauch über den Tag und im Winter. ©Bild: Viridén + Partner AG

Ertragsreichster Tag im März 2017. Grafik: ewz

Ertragsreichster Tag im Juni. Grafik: ewz

Ertragsreichster Tag im September 2017. Grafik: ewz

Ertragsreichster Tag im Dezember 2017. Grafik: ewz

Ost-Nord-Süd-West-Photovoltaik-Fassade: Ermöglicht höheren Eigenverbrauch über den Tag verteilt sowie im Winter

(ewz/ee-news.ch) Wir haben über das Mehrfamilienhaus «Hofwiesenstrasse / Rothstrasse» mit seiner auf allen vier Fassaden angebrachten PV-Module berichtet (ee-news.ch vom 22.4.16 >>) Die ersten Auswertungen eines 6-jährigen Praxistests zeigen: Die Produktion verteilt sich besser über den Tag und die Fassade produziert im Winter mehr, als wenn nur eine Dachanlage gebaut worden wäre.


Die Photovoltaik-Fassadeanlage, die fast ganzflächig auf allen vier Fassadenseiten angebracht wurde, ist mit 1‘586 m2 aktiver Fläche erheblich grösser als die Photovoltaik-Dachanlage mit 165 m2. Viele Gebäude im städtischen Umfeld weisen ähnliche Verhältnisse mit einem höheren solaren Ertragspotential der Fassade im Vergleich zum Dach auf. Die Kombination einer Dachanlage und vier Fassadenanlagen sowie die Grösse der Anlage sind bisher einmalig im städtischen Umfeld.

Sechs Jahre angelegter Praxistest
Für ewz stehen im über sechs Jahre angelegten Praxistest die folgenden Fragen im Zentrum: Wie beeinflusst eine auf alle Seiten ausgerichtete Photovoltaik-Fassadeanlage den Eigenverbrauch und wie kann dieser aufs Maximum optimiert werden? Wie stark belastet oder entlastet die Energieproduktion der Photovoltaik-Anlage das Stromnetz unter Einbezug von Lastverschiebungen der Wärmepumpe und einzelnen Elektrobezügerinnen und –bezüger? Und welchen Einfluss hat eine zusätzlich eingebaute Batterie auf die Netzentlastung?

Nun liegen die Resultate des ersten Betriebsjahres vor. In diesem wurde der Eigenverbrauchsanteil im Vergleich zu einer ertragsgleichen Dachanlage, die Rückspeiseleistung ins Verteilnetz von ewz sowie der saisonale Ausgleich vertieft untersucht.

Hoher Eigenverbrauchsanteil mit Fassadenanlage
Der spezifische Ertrag der Photovoltaik-Fassadenanlage liegt erwartungsgemäss tiefer als bei einer entsprechenden ertragsgleichen Dachanlage. Dies weil insbesondere die Anlagenteile an der Nordfassade vergleichsweise wenig Sonnenlicht erhalten, dafür konzentriert auf die Abendstunden und weil im städtischen Umfeld Fassadenanteile immer wieder beschattet sind. Jedoch konnte bereits ohne Batterie ein hoher Eigenverbrauchsanteil und Autarkiegrad erreicht werden. Diese überdurchschnittlichen Werte für eine Anlage dieser Grösse sind auf die Neigung und Ausrichtung in vier Himmelsrichtungen der Fassadenanlage sowie die Regelung der Wärmepumpen zurückzuführen.

Durchschnittlich 7% der Produktion in Winter verlagert
Aufgrund der Neigung und Ausrichtung der Fassadenanlagen liegen die maximale Produktionsleistung und die maximale Rücklieferleistung deutlich tiefer als die Anlagenleistung. Allerdings ist die maximale Rücklieferleistung immer noch grösser als die Bezugsleistung ab Netz und bestimmt somit die Grösse des Hausanschlusses. Im Vergleich zu einer ertragsgleichen Dachanlage hat die Fassadenanlage im Jahre 2017 5.2% der Sommerproduktion in das Winterhalbjahr verlagert. Für ein mittleres Jahr, für das die monatlichen Sonnenstunden über 10 Jahre gemittelt werden – wären es sogar 7.0%. Zum Vergleich: Die Schweizer Wasserkraftwerke haben 2017 rund 30% der Sommerzuflüsse für das Winterhalbjahr in Speicherseen zwischengelagert. Obschon die verlagerte Solarproduktion nicht abrufbar ist, wird der saisonale Ausgleich spürbar unterstützt.

Fassadenanlage produziert gleichmässiger
Grafisch gut erkennbar ist – sieh Grafik links zuoberst -, dass die Fassadenanlage im Jahresverlauf einen gleichmässigeren Ertrag bereitstellt im Vergleich zur Dachanlage. In den Grafiken rechts wird die Fassadenanlage mit einer ertragsgleichen Dachanlage verglichen. Die Normalisierung auf ein mittleres Jahr erfolgte auf der Basis der jährlichen Sonnenstunden.

Auch in den Tagesprofilen – siehe Grafiken links oben - ist grafisch gut erkennbar, dass die Fassadenanlage im Tagesverlauf einen gleichmässigen Ertrag bereitstellt. In den Grafiken rechts wird wiederum die Fassadenanlage mit einer ertragsgleichen Dachanlage verglichen.

Wärmepumpe auf Photovoltaik-Produktion abgestimmt
Für die Optimierung des Eigenverbrauchs spielt der Energiebedarf der Wärmepumpenanlage eine Hauptrolle. Sie ist mit grossen Speichern für Warmwasser und für die Heizung ausgerüstet. Die Steuerung wurde so gestaltet, dass sie möglichst nur dann läuft, wenn die Photovoltaikanlagen Strom produzieren. Da die Wärmepumpe bis auf 10% der Nennleistung reduziert werden kann, war die Anpassung der Bezugsleistung der Wärmepumpe an die Produktionsleistung der Photovoltaikanlage nahezu stufenlos möglich. Für die Wärmepumpenanlage hat ewz folgende Erkenntnisse aus dem ersten Betriebsjahr gewonnen:

  • Die Gleichzeitigkeit des Wärmepumpenbetriebs mit ausreichender Photovoltaik-Produktion lag im Jahr 2017 zwischen 10 % und 63 % und im Zeitraum von März bis Oktober 2017 immer über 43 %. Die Gleichzeitigkeit wird dabei als Anteil der 15-Minutenzeitintervalle ausgedrückt in denen die Photovoltaikproduktion grösser als der Wärmepumpenbedarf war.
  • Unterschätzt wurde der Warmwasserbedarf, namentlich in den Nachstunden, was wiederholt zum Anlaufen der Wärmepumpe in der Nacht geführt hat.
  • Es besteht ein punktueller Konflikt zwischen Eigenverbrauchsoptimierung und Effizienz der Wärmepumpenanlage. Zur Erreichung eines möglichst hohen Eigenverbrauchs müssen die Wärmespeicher geladen sein und dies bei Temperaturen, die leicht höher liegen als die effektiv benötigten. Diese Temperaturvorhaltung wirkt sich effizienzmindernd auf den Wärmepumpenbetrieb aus, insbesondere bei einer Luft-Wasser-Wärmepumpe.

Batterie erhöht Eigenverbrauch
ewz hat im Mehrfamilienhaus einen Batteriespeicher installiert und am 1. April 2018 in Betrieb genommen. Mit «ewz.solarsplit» bietet ewz eine Abrechnungsdienstleistung an, um den einzelnen Energiebezügerinnen und –bezüger den Solarstrom zugänglich zu machen und separat zu verrechnen. Bereits der erste Betriebsmonat zeigt, dass die Batterie einen grossen Einfluss auf Eigenverbrauch und Autarkie hat. Insbesondere der unterschätzte Warmwasserbedarf und als Folge der erhöhte Strombezug ab Netz in den Nachstunden kann damit reduziert werden. Bis Ende 2022 untersucht ewz neben der Optimierung des Eigenverbrauchs auch die Auswirkungen der Batterie auf die Netzstabilität innerhalb des Quartiers. Ein einzelnes Gebäude, das als Sonnenkraftwerk Strom ins Netz liefert, kann die Netzstabilität nicht gefährden. Sollten allerdings mehrere solche Gebäude im gleichen Quartier entstehen, können Spannungs- und Überlastungsprobleme auftreten. Für solche Situationen kann ein Batteriespeicher die Lösung sein und dies will ewz in diesem Leuchtturmprojekt prüfen.

©Text: Gerhard Emch, Leiter operative Nachhaltigkeit bei ewz, redaktionelle Überarbeitung ee-news.ch

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