Emil Ott: „Anfänglich hatten wir trotz Machbarkeitsstudien und Businessplänen unsere Bedenken. Im Nachhinein können wir aber sagen, dass sich bei einer harten Finanzplanung der Betrieb eines Wärmeverbundes durchaus lohnt.“ Bild: Holzenergie Schweiz

Holzenergie Schweiz: Wenn die alte Schnitzelheizung ausgedient hat - private Waldeigentümer betreiben in Rikon grossen Holzwärmeverbund


(HolzenergieSchweiz) Rikon im Tösstal ist bekannt für die Pfannenfabrik der Firma Kuhn Rikon. Nebst Töpfen und Bratpfannen wird hier aber auch viel Wärme aus Holzenergie produziert und in einem Wärmeverbund an mehrheitlich grössere Gebäude verteilt. Natürlich gehören auch die Pfannenfabrik, drei Schulhäuser, die alte Spinnerei und das Altersheim mit dazu. Angedacht war zuerst eine Wärmepumpenlösung. (Texte en français >>)


35 Waldeigentümer gründeten 2014 auf Initiative des Schnitzelproduzenten Kurt Bieri, des Försters Stefan Holenstein und des Waldeigentümers Rudolf Gähler die Holzenergie Rikon AG, um die alte Schnitzelheizung im Zentrum von Rikon, an welcher die Schulanlagen, die Gemeindeverwaltung und das Altersheim angeschlossen sind, zu sanieren und weiterhin mit Holzenergie zu beheizen. Bald zeichnete sich ab, dass weitere grössere Wärmebezüger, insbesondere auch die Firma Kuhn Rikon mit ihren Gebäuden, an einem Anschluss interessiert sind. Eine Machbarkeitsstudie von Christian Bieri der Firma Allotherm zeigte, dass dies technisch und wirtschaftlich möglich ist. Für die Heizzentrale musste ein neuer Standort gesucht werden. Zwischen Töss und Waldrand am Rande von Rikon gelegen konnte der optimale Platz gefunden werden.

Viel Rückhalt aus der Bevölkerung
Durch den neuen Standort ist auch die Zufahrtssituation für die Holzanlieferung deutlich besser als zuvor. Mit viel Arbeit, Verhandlungsgeschick, einer soliden Finanzierung, Rückhalt aus der Bevölkerung und etwas Glück konnte die Holzenergie Rikon AG das Projekt so stemmen und die neue Heizzentrale und das Fernwärmenetz im August 2016 in Betrieb nehmen. Die Finanzierung wurde zusammen mit der Zürcher Kantonalbank und der Zürcher Landwirtschaftlichen Kreditkasse organisiert.

Mobile Not-Heizzentrale kam bisher nicht zum Einsatz
Zwei Holzkessel, Vorschubrostfeuerungen von je 1.6 MW Leistung, erzeugen die Wärme und speisen zwei Wärmespeicher von je 52‘850 Litern. Die Abgase werden durch Multizyklone und Trockenelektropartikelabscheider gereinigt. Die Versorgung des Wärmenetzes wird mit 100 % Holzenergie abgedeckt. Für den Notfall ist ein Anschlussstutzen für eine mobile Not-Heizzentrale vorhanden. Dieser wurde bisher aber noch nie benötigt.

Wertschöpfung bleibt in der Region
Da die Holzenergie Rikon AG direkt Einfluss auf die Energieholzgewinnung und den Anlagebetrieb nehmen kann, bleibt die Wertschöpfung des Holz-Wärmeverbundes in der Gegend und kommt den Waldbesitzern zugute. Das ist auch das erklärte Ziel der Initianten, denn von den 500 Hektaren Waldfläche der Gemeinde gehören 60 % Privatwaldeigentümern.


Interview mit Emil Ott, Verwaltungs ratspräsident Holzenergie Rikon AG

Was war die Motivation zur Gründung der Holzenergie Rikon AG?
Die alte Schnitzelheizung im Altersheim Spiegel wurde pionierhaft vor 25 Jahren von der Gemeinde Zell erstellt und betrieben. Schon damals ging es darum, dass mit dem Energieholz aus der Region die Wertschöpfung in der Gemeinde verbleibt. Als die Sanierung der Heizung anstand, entschied die Gemeinde, den Betrieb des Wärmeverbundes an einen Contractor auszulagern. Geplant war, die Holzheizung durch eine Grundwasserwärmepumpe zu ersetzen, was einzelne Waldeigentümer erzürnte. Dies war der Anstoss zur Gründung der Holzenergie Rikon AG. Auf eine öffentliche Ausschreibung unterbreiteten wir in der Folge ein Angebot, das die Gemeinde nicht ablehnen konnte.

Lohnt sich der Bau und Betrieb eines Holz-Wärmverbundes für private Waldbesitzer finanziell überhaupt?
Anfänglich hatten wir trotz Machbarkeitsstudien und Businessplänen unsere Bedenken. Nun im Nachhinein können wir aber sagen, dass sich bei einer knallharten Finanzplanung der Betrieb eines Wärmeverbundes durchaus lohnt.

Worauf haben Sie beim Bau des Wärmeverbundes und der Kundengewinnung besonders geachtet?
Beim Bau der Heizzentrale achteten wir strikte darauf, dass effizient, zweckmäs-sig und möglichst einfach gebaut wird. Auch blieb die Bauführung zum grössten Teil in unseren Händen, so dass wir über das gesamte Projekt immer den Überblick behielten und flexibel auf neu eintretende Situationen reagieren konnten. Dabei erfuhren wir, wie wertvoll ein freundschaf-tlicher Kontakt zu den zumeist einhei-mischen Handwerkern ist. Für die erfol-greiche Kundengewinnung half uns unser enger Bezug zur Gemeinde und zu deren Bevölkerung. Ausserdem kamen uns die Energiewende 2050 und der Umstand, dass die grossen Überbauungen alle über ältere Heizungen verfügten, sicher auch sehr gelegen. So passte es einfach.

Wie konnten Sie die Finanzierung des Projektes realisieren?
Mit dem schlussendlich von 39 Waldeigentümern zur Verfügung gestellten Aktienkapital von CHF 450‘000.- und dem von Allotherm erstellten Businessplan gelang es uns, die Banken von unserem Projekt zu überzeugen.

Was würden Sie anderen Waldbesitzern empfehlen, die einen Holz-Wärmeverbund ins Auge fassen?
Erstens braucht es dafür eine Portion Mut und Gottvertrauen. Da dies nicht ausreicht, sollte im Vornherein abgeklärt werden, ob ein Bedürfnis für einen Wärmeverbund besteht und wie viel diese Dienstleistung kosten darf. Auf mündliche Anschlussversprechen darf man sich dabei aber nicht verlassen. So sollten vor Beginn des Baus die wichtigsten Wärmelieferverträge abgeschlossen sein. Dies fördert auch bei anderen das Vertrauen, so dass während dem Bau erfahrungsgemäss noch der eine oder andere Kunde hinzukommt. Hierfür sollte man sich auf jeden Fall eine gewisse Flexibilität bewahren.

Text: Holzenergie Schweiz, Quelle: Bulletin 67

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