Die Agro Energie Schwyz AG hat ein Fernwärmenetz im Raum Brunnen-Schwyz-Arth-Goldau teilweise realisiert (grün). Weitere Fernwärmenetze in den Gebieten Küssnacht am Rigi und Ausserschwyz (orange) sind in Planung. ©Grafik: Agro Energie Schwyz AG

Das Fernwärmenetz der Agro Energie Schwyz AG deckt die Grundlast des Wärmebedarfs (zwischen 2000 und 4000 MWh/Monat) mit der Abwärme eines 9.9 MW-Altholzkessels, welcher mit einer ORC-Anlage Strom produziert. ©Grafik: Agro Energie Schwyz AG

Fernwärmenetze bedürfen einer guten Isolierung, um Übertragungsverluste bestmöglich zu vermeiden. Das Wärmenetz der Agro Energie Schwyz AG (Bild) verfügt über die beste Isolation (Kategorie III). ©Foto: Gabi Vogt

Wärmebedarf im Fernwärmenetz der Argo Energie Schwyz AG: Die farbigen Linien zeigen, wie diese Bedarfsspitzen gebrochen werden könnten, indem die Heizungen am Morgen gestaffelt schon früher in Betrieb genommen würden. ©Grafik: Agro Energie Schwyz AG

Der geplante Wärmespeicher der Argo Energie Schwyz AG ist 50 m hoch, misst 30 m im Durchmesser und kann bis zu 1300 MWh Wärme speichern. ©Fotomontage: Agro Energie Schwyz AG

Darstellung der Methanisierungsanlage, wie sie bis Mitte 2018 in Zuchwil bei Solothurn als Ergänzung des bereits bestehenden Hybridwerks gebaut werden soll. ©Illustration: Regio Energie Solothurn/baderpartner Architekten

Die vom Paul Scherrer Institut entwickelte COSYMA-Anlage (untergebracht in dem weissen Container links im Bild) auf dem Areal der Kläranlage Zürich-Werdhölzli. Foto: Energie 360°

Tagung der IEA Bionergy: Ein Netz ist – manchmal – nicht genug

(©BV) Aus Holz, Gülle, Abfall und anderer Biomasse lassen sich Gas, Wärme und Strom produzieren. Um diese zu den Konsumenten zu bringen, braucht es Gas-, Fernwärme- und Stromnetze. Bau und Betrieb solcher Netze sind mit Herausforderungen verbunden. Experten diskutierten an einer Tagung des Technology Collaboration Programmes „Bioenergy“ der IEA in Baden mögliche Lösungen.


Der Kanton Schwyz erstreckt sich zwischen Zürich-, Zuger- und Vierwaldstättersee über eine ländlich geprägte Hügellandschaft. Mit seinen ausgedehnten Wäldern verfügt der Kanton über eine einheimische und erneuerbare Ressource, mit der Bewohnerinnen und Bewohner einen Teil ihres Energiebedarfs selber bestreiten können. Von dieser Idee liess sich die Agro Energie Schwyz AG leiten, als sie sich 2006 entschloss, aus lokalen Energieträgern Wärme und Strom zur Versorgung der einheimischen Bevölkerung zu produzieren. Seither entstand eine mit organischen Abfällen beschickte Biogasanlage, die über eine Wärme-Kraft-Kopplungsanlage Wärme und Strom bereitstellt. Hinzu kommen drei mit Wald- und Abfallholz befeuerte Heizkessel zur Bereitstellung von Wärme. Die Wärme des Altholzkessels wird genutzt, um Strom zu produzieren mittels Organic-Rankine-Cycle-Technologie. Zur Deckung von Bedarfsspitzen kommt ein Ölbrenner zum Einsatz (weniger als 2% der Energieproduktion).

Wärmespeicher schafft Flexibilität
Auf diesem Weg wurde im Jahr 2016 Wärme im Umfang von 8000 Durchschnittshaushalten (80 GWh) erzeugt, zudem Strom für 3250 Durchschnittshaushalte (13 GWh). Um die Wärme zu den Kunden zu bringen, dient ein 80 km langes Fernwärmenetz im Raum Schwyz/Brunnen. Zu den Abnehmern gehören der Swiss Holiday Park in Morschach (1700 kW) oder das Kloster Ingenbohl (1100 kW), Grossverbraucher, welche die Wärmeabnahme auch im Sommer sicherstellen. Eine 40 km lange Netzerweiterung bis Arth-Goldau ist geplant. Zudem sollen im Raum Küssnacht am Rigi und in Ausserschwyz am Zürichsee zwei weitere Netze mit eigener Energiezentrale entstehen. Bemerkenswert an den Plänen der Agro Energie sind nicht nur diese Wachstumsperspektiven für die Bioenergie. Bemerkenswert ist auch, dass seit 2016 eine Pensionskasse an der Aktiengesellschaft massgeblich beteiligt ist und auf nachhaltige Erträge aus ein nachhaltiger Energieproduktion setzt.

Ob der Wärmeverbund sogar eine landesweit erstmalige Innovation hervorbringt, wird sich im März 2018 weisen: Dann entscheiden die Schwyzer Stimmberechtigten, ob die Agro Energie Schwyz AG einen 50 m hohen Wärmespeicher bauen darf. Mit einer Speicherkapazität von 1300 MWh könnte der Speicher den Betrieb des aktuellen Netzes während rund zwei Tagen sicherstellen. „Der Wärmespeicher schafft Versorgungssicherheit bei einem temporären Ausfall der Wärmeproduktion, und er verschafft uns die Flexibilität, das Wärmenetz effizienter und wirtschaftlicher zu betreiben“, sagt Dr. Urs Rhyner, Leiter Strategie/Innovation bei der Agro Energie Schwyz AG. Der Speicher würde insbesondere erlauben, die Energieproduktion dann zu betreiben, wenn sich Strom bei guten Preisen verkaufen lässt. Eine andere Form der Flexibilisierung, die für den Wärmeverbund interessant wäre, ist die Lastverschiebung, wie Simulationen zeigen: Würden Heizungen am Morgen gestaffelt in Betrieb genommen, liesse sich der Peak beim Wärmeverbrauch brechen, der üblicherweise am frühen Morgen um 6 Uhr zu beobachten ist.

Hohe Kapitalkosten bei Wärmenetzen
Der Wärmeverbund der Agro Energie Schwyz AG ist ein Projekt, das verschiedene Fragestellungen anschaulich macht, die im Oktober 2017 an einer Tagung der 'IEA Bioenergy' (vgl. Textbox) in Baden diskutiert wurden. Eine zentrale Aufgabe besteht darin, Wärmenetze effizient und kostengünstig betreiben zu können, zumal sie in einer harten Konkurrenz zu Gasnetzen stehen. Zu diesem Themenkreis referierte Prof. Thomas Nussbaumer an der Tagung die Ergebnisse mehrerer Studien, die er gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern der Hochschule Luzern erstellt hat. Die Erkenntnisse liefern die Grundlage, um die kapitalintensiven Leitungsnetze kostengünstig bauen (z.B. indem die Rohrdurchmesser nicht überdimensioniert werden) und durch gut gewählte Betriebsparameter mit geringen Wärmeverlusten betreiben zu können. Nussbaumer verwies auf das Planungshandbuch Fernwärme, das Planern wertvolle Hilfestellungen vermittelt.

Die Tagung der 'IEA Bioenergy' näherte sich der Netzthematik von verschiedener Seite. Ein Schlagwort hierzu ist die 'Netzkonvergenz'. Gemeint ist damit üblicherweise die Verbindung verschiedener Energienetze mit dem Ziel, zusätzliches Speicherpotenzial zu erschliessen. „Bioenergie hat das Potenzial, eine wichtige Rolle beim saisonalen Ausgleich der erneuerbaren Energien zu spielen“, sagte Dr. Sandra Hermle, Bioenergie-Expertin beim Bundesamt für Energie (BFE), das die Tagung mit organisiert hatte. Wie dieser Ansatz technisch umgesetzt werden könnte, zeigt der Solothurner Energieversorger 'Regio Energie Solothurn' im 'Hybridwerk Aarmatt'. Hierbei handelt es sich um eine Demo-Plattform, die seit 2013 in Zuchwil (SO) schrittweise aufgebaut wird. Als nächster Ausbauschritt soll Mitte 2018 eine Methanisierungsanlage in Betrieb genommen werden: Um Methan (CH4) herzustellen, nutzt die Anlage Kohlendioxid (CO2) aus einer nahen Abwasserreinigungsanlage und H2, das aus einem Elektrolyseur stammt, der mit erneuerbarem Strom betrieben wird. „Die Methanisierungsanlage ist das 'missing link' zwischen Strom- und Gasnetz. Sie macht es möglich, PV-Strom in Methan umzuwandeln und dieses im Gasnetz saisonal zu speichern, bis die Energie im Winter gebraucht wird“, sagt Andrew R. Lochbrunner, der für die Methanisierungsanlage zuständige Projektleiter, und ergänzt: „Die biologische Methanisierung ist heute noch keine kommerzielle Anlage, es geht vielmehr darum, Knowhow für die Zukunft zu entwickeln.“

Das Potenzial von Biogasanlagen
Ein Stück Zukunft zu antizipieren – das will auch Energie 360° (ehemals Erdgas Zürich AG). Das Unternehmen möchte neben seinen bestehenden Biogas-Einspeisungen möglichst viel aus erneuerbaren Quellen hergestelltes Methan ins Gasnetz bringen. „Wenn eine Biogasanlage nahe am Gasnetz ist, sollte das Gas aus energetischen Gründen ins Gasnetz eingespeist statt verstromt werden“, fordert Andreas Kunz von Energie 360°. Im ersten Halbjahr 2017 hat das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Paul Scherrer Institut (Villigen/AG) mit einer Testanlage ('Cosyma') in der Kläranlage Zürich-Werdhölzli gezeigt, dass sich der Methangehalt von Rohbiogas durch Zugabe von H2 um 60% steigern lässt (vgl. auch BFE-Fachartikel: 'Alles nutzen, was im Klärgas steckt', abrufbar unter: www.bfe.admin.ch/CT/biomasse).

Biogasanlagen können also mehr als nur Strom produzieren. Diese These bestätigt auch die Fleco Power AG mit Sitz in Gachnang (TG). Die Firma hat seit 2016 rund 100 Kleinkraftwerke mit zusammen mehreren Dutzend MW Leistung zu einem 'virtuellen Kraftwerk' zusammengeschlossen, je zu einem Drittel Biogasanlagen, PV-Anlagen und Kleinwasserkraftwerke. Mit dem Verbund stellt Fleco Power gegenüber Swissgrid negative Regelenergie bereit, das heisst, einzelne Kleinkraftwerke drosseln temporär ihre Stromproduktion, wenn mehr Strom ins nationale Stromnetz eingespeist als von dort bezogen wird. Fleco Power bündelt und steuert dabei die über die ganze Schweiz verteilten dezentralen Anlagen über eine zentrale IT-Plattform. Die Anlagen können so im Netz wie ein einzelnes konventionelles Kraftwerk auftreten, um diese Dienstleistung zur Stromnetzstabilisierung zu erbringen. Die Anlagenbetreiber werden dafür von Swissgrid finanziell entschädigt.

„Biogasanlagen sind für die Bereitstellung negativer Regelenergie besonders geeignet, da sie im Prozess einen Gasspeicher beinhalten: Wird die Verstromung des Gases unterbrochen (z.B. 45 Minuten lang oder auch mehrere Stunden), wird das Gas gespeichert und kann später verstromt werden. Biogasanlagen verfügen über eine sehr stabile Stromproduktion und sind in allen Jahreszeiten verfügbar“, sagt Martin Schröcker, bei Fleco Power zuständig für Produktion und Handel.


Die Schweiz ist bei der Bioenergie international vernetzt

Unter dem Dach der Internationalen Energieagentur (IEA) sind aktuell 39 'Technology Collaboration Programmes' (TCP) tätig. TCP sind international besetzte Expertengremien, die sich jeweils einem bestimmten Energiebereich widmen und Erfahrungen grenzüberschreitend austauschen. Eine der Plattformen trägt die Bezeichnung 'IEA Bionergy'. Sie widmet sich der Energiegewinnung aus Holz, Gülle, Siedlungsabfällen und anderen Formen von Biomasse.

Um die internationale Kooperation konkret umzusetzen, hat jedes Programm eine Reihe von Arbeitsgruppen ('Tasks'), in denen Experten aus verschiedenen Ländern ausgewählte Themen bearbeiten. Innerhalb von 'IEA Bioenergy' sind zehn Arbeitsgruppen aktiv, an drei davon beteiligt sich die Schweiz: Task 32 (Biomasseverbrennung), Task 33 (Vergasung) und Task 37 (Vergärung). Die Arbeiten von 'IEA Bioenergy' werden von einem Executive Commitee koordiniert. Die Schweiz ist darin durch Dr. Sandra Hermle, Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Bioenergie, vertreten.


©Text: Dr. Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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