In den letzten Jahren ist die installierte PV- und Windenergieleistung in Japan schnell gestiegen. Bedenken bezüglich der Netzintegration von Erneuerbaren könnten den weiteren Ausbau aber bremsen. ©Bild: Agora

Japan: Netz kann mehr Strom aus Wind und Sonne aufnehmen als Regierung plant – 40 Prozent Erneuerbaren-Anteil möglich

(PM) Trotz eines Solarbooms in den vergangenen fünf Jahren liegen Japans Ziele für erneuerbare Energien unter dem weltweiten Durchschnitt. Bedenken über die Netzstabilität bremsen den Ausbau von Wind und Solar. Eine unabhängige Netzstudie zeigt: Es gibt technische Lösungen, um den Herausforderungen, vor denen Japan bei der Energiewende steht, zu begegnen.


Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung könnte bis 2030 auf mindestens 40 Prozent steigen. Das zeigt eine aktuelle Studie von Agora Energiewende in Zusammenarbeit mit dem japanischen Renewable Energy Institute (REI). Die japanische Regierung hat sich 22 bis 24 Prozent zum Ziel gesetzt. Ermöglicht wird ein höheres Ziel einerseits dadurch, dass Japan in den vergangenen Jahren zu einem der dynamischsten Märkte für Photovoltaik weltweit gereift ist, zum anderen können die Stromnetze deutlich grössere Mengen an Wind- und Solarstrom aufnehmen als bislang angenommen. Das geht aus einer Netzanalyse in der Agora-REI-Studie hervor. In ihr wurde erstmals von unabhängiger Seite untersucht, wie sich wachsende Anteile erneuerbarer Energienauf das japanische Stromnetz auswirken. Die Analyse wurde von denen auf Stromnetze spezialisierten Unternehmensberatungen Elia Grid International und GridLab im Auftrag von Agora Energiewende und REI erstellt.

Argumentation entkräftet
Das Forschungsteam entkräftet damit die Argumentation, dass die Beschaffenheit des japanischen Stromnetzes die Einspeisung von fluktuierenden Erneuerbaren nur in geringem Mass zulasse. „In unserer Analyse haben wir die Limitierungen des japanischen Stromnetzes als Ausgangspunkt genommen und uns gefragt: Welche technischen Lösungen kennen wir, um den Herausforderungen zu begegnen?“, sagt Dimitri Pescia, Projektleiter bei Agora Energiewende. Die Studie macht deutlich, dass mit den verfügbaren technischen Möglichkeiten zur Netzregelung bereits heute höhere Anteile erneuerbare Energienin das Stromnetz eingespeist werden könnten. Von diesen macht Japan bislang noch keinen Gebrauch. „Daher liesse sich die Energiewende in Japan ambitionierter angehen als bisher vorgesehen“, sagt Pescia.

Erneuerbare Energien können zur Netzstabilität beitragen
Der Umstieg auf erneuerbare Energien in Japan stellt vor allem zwei Herausforderungen: Zum einen erschweren unterschiedliche Netzfrequenzen im östlichen– 50 Hertz – und im westlichen Teil des Inselstaates – 60 Hertz – das Zusammenschalten der beiden Netzteile. Das ist auch insofern relevant, als dass sich Windkraftwerke heute vornehmlich im Osten und Solarkraftwerke vor allem im Westen befinden. Zum anderen ist das japanische Stromnetz nicht mit Netzen in anderen Ländern verbunden: Ein Ausgleich des Strombedarfs durch Im- und Exporte ist daher nicht möglich. Die Netzstabilität muss stattdessen innerhalb eines geschlossenen Stromsystems organisiert werden; dessen Stromerzeugungskapazitäten entsprechen allerdings denen von Deutschland und Frankreich zusammen. „Das japanische Stromsystem für sich genommen ist somit sehr gross“, sagt Pescia.

„Der zentrale Punkt für die Netzstabilität ist, dass regenerative Energien genauso zur Stabilisierung der Netze eingesetzt werden können wie bislang konventionelle Kraftwerke“, sagt Pescia. Mit dem Ausbau regenerativer Energien entfallen zunehmend konventionelle Kraftwerke, die bislang auf Frequenzänderungen im Stromnetz reagieren und es stabilisieren. Die Rolle solcher Systemdienstleistungen können künftig erneuerbare Energienübernehmen. So können gedrosselt betriebene Windkraft- und Solaranlagen einen plötzlichen Frequenzverlust im Stromnetz kompensieren, in dem die Drosselung zurückgenommen wird. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe an weiteren Möglichkeiten zum schnellen Frequenzausgleich und als Alternative zu den rotierenden Massen konventioneller Generatoren. Beispielsweise Batteriespeichersysteme, Umrichter in Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleistung oder Schwungräder, aber auch die Nachfragesteuerung bei grossen Stromverbrauchern und die Umrüstung alter Kraftwerke.

Netzstabilität bleibt gewährleistet
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in der Studie die Auswirkungen höherer Anteile erneuerbarer Energienauf die Netzstabilität in zwei Szenarien verglichen. Das erste Szenario mit installierten Kapazitäten von 64 Gigawatt Solar- und 10 Gigawatt Windkraftleistung entspricht den Zielen der japanischen Regierung. Im zweiten Szenario wurden Leistung von 100 Gigawatt Photovoltaik und 36 Gigawatt Windkraft unterstellt. In einem zweiten Schritt hat das Forschungsteam den plötzlichen Ausfall von 1.5 Gigawatt Einspeiseleistung simuliert. Das entspricht in etwa der Leistung zweier Kohlekraftwerke. In beiden Szenarien blieb das Netz stabil: Reserven konventioneller Kraftwerke ergänzt um Systemdienstleitungen von Windturbinen und Solaranlagen konnten den Ausfall kompensieren.

„Aus Perspektive des Netzes spricht nichts gegen einen stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien in Japan. Das Land ist innerhalb kürzester Zeit zum dynamischsten Photovoltaik-Markt nach China herangewachsen. Diese Entwicklung sollte man nicht durch verhaltene Energiewende-Ziele ausbremsen. Die japanische Regierung sollte daher ihre Ausbaustrategie überdenken“, empfiehlt Pescia. Notwendig für die Umsetzung sei eine nicht-diskriminierende Marktreglung, welche die Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien vorantreibe, zudem der Einsatz moderner Netzregeltechnik. Nötig sei auch, Netzdaten besser verfügbar zu machen. „Vor dem Hintergrund des begrenzten Zugangs zu den Netzdaten besitzt unsere Studie eine besondere Relevanz. Unabhängige Expertise kann dabei helfen, die Potenziale der Energiewende aufzuzeigen“, erklärt Pescia.

Studie: Integrating renewables into the Japanese power grid by 2030 >>

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Text: Agora Energiewende

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