Prof. Jan Czerwinski befestigt auf dem Rollenprüfstand das Rohr, das die Abgase vom Auto zur Messeinrichtung im Nebenraum führt. Bild: B. Vogel

Vier Messfilterhalter für Russpartikel aus den vier Teilen des gesetzlichen Fahrzyklus WLTC (World Light Duty Test Cycle). Bild: B. Vogel

Die Filter stammen aus Abgasmessungen mit unterschiedlich grossem Russgehalt. Bild: B. Vogel

Prof. Jan Czerwinski unterrichtet an der Berner Fachhochschule in Biel und leitet gleichzeitig die Abgasprüfstelle in Nidau. Bild: B. Vogel

Bereits aus dem Jahr 2011 stammt eine Studie, in der Jan Czerwinskis Forscherteam untersucht hat, wie viel Nanopartikel ein mit Rapsmethylester (B100) betriebener Dieselmotor ausstösst. Bild: Schlussbericht BioExDi 2011

Schadstoffausstoss von fünf Dieseltreibstoffen, denen 0, 7, 20 30 bzw. 100 % Rapsmethylester beigemischt wurde. Bild: Euro Oil & Fuel 2010

Durchschnittlicher Schadstoffausstoss eines mit Drei-Wege-Katalysator ausgerüsteten Flex-Fuel-Fahrzeuges, betrieben mit Benzin, das 0% (Gasoline), 10% (E10) bzw. 85% Bioethanol (E85) enthält. Grafik: SAE Technical Paper 2016-01-0977

Schadstoffemissionen eines kleinen Motors, der mit Benzin betrieben wird, das 0% (Gasoline), 30% (nBu30), 60% (nBu60) bzw. 100% Butanol (nBu100) enthält. Grafik: SAE Paper 2018-32-0058

Mobilität: Elektromobilität zum Trotz - in Biel wird weiter Biotreibstoff-Forschung betrieben

(AN) Anfangs der 2000er Jahre war auch in der Schweiz eine Biotreibstoff-Euphorie zu spüren, die weltweit entflammt war. Mit dem Entwicklungssprung der Batterietechnik besteht heute ein grosser Konsens darüber, dass die Mobilität von morgen elektrisch sein wird. Die Biotreibstoffforschung des Bundes wird zurzeit aber noch weitergeführt.


Das war eine Zeit, als Elektromobilität im Individualverkehr kaum vom Fleck kam, sowohl bezüglich der Leistung wie auch der Reichweite. Und die Diskussion Teller oder Tank erst schüchtern geführt wurde. Nachfolgend ein Bericht von Benedikt Vogel über die vom Bund geförderte Biotreibstoffforschung in Biel, denn Forschungsprogramme scheinen eine Lebensdauer zu haben, die technische Entwicklungen überdauert.

Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin und Herausgeberin ee-news.ch

(BV) Damit auf Schweizer Strassen weniger fossile Treibstoffe verbraucht werden, gibt es verschiedene Wege. Technische Verbesserungen zur Senkung des Treibstoffverbrauchs gehören ebenso dazu wie die Förderung der Elektromobilität. Ein anderer Weg ist der Ersatz von Benzin und Diesel durch biogene Treibstoffe wie Biodiesel, Bioethanol oder Pflanzenöl. Damit sich Biotreibstoffe durchsetzen, müssen sie über die gewünschten Leistungsparameter und einen tiefen Schadstoffausstoss verfügen. In diesem Bereich haben Forscher der Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule in Nidau (BE) unter der Leitung von Prof. Jan Czerwinski in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse gewonnen. (Article en français >>)

Mittwoch früh in der Abgasprüfstelle in Nidau bei Biel: Auf dem Rollenprüfstand steht ein kraftstrotzender weisser US-Geländewagen Dodge Durango mit 5.7 Liter-V8-Motor und 350 PS. In Testberichten wird das „muskulöse Auftreten“ des Allraders gelobt. Doch am heutigen Tag steht der „wilde Hengst“ zahm im Stall. Der Kofferraumdeckel steht offen. Die Ladefläche ist vollbepackt mit einem Messrack. Vom Auspuff führt ein Rohr die Abgase des mit Drei-Wege-Katalysator ausgerüsteten Benziners in den Nebenraum. Dort analysiert eine Messapparatur die Zusammensetzung der Abgase. „Im vorliegenden Fall will der Auftraggeber den Wagen aus den USA in die Schweiz einführen und braucht von uns die entsprechenden Nachweise“, sagt Philippe Wili, der in der Abgasprüfstelle als Messtechniker tätig ist. „Die Kundenmessung erfolgt nach der neuen Norm Euro 6d temp mit PEMS (Portable Emission Measuring Systems). Dieses Messsystem wird für Real Driving Emissions (RDE) eingesetzt.“

Abgasmessungen an Motorrädern und Autos bis 3.5 Tonnen
Die Abgasprüfstelle in Nidau verfügt über zwei derartige Prüfstände. Die vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) akkreditierte Einrichtung führt Abgasmessungen an Motorrädern und Autos bis 3.5 Tonnen durch. Auftraggeber sind Importeure, Garagisten und Privatleute, die ein Fahrzeug in die Schweiz einführen wollen, das nicht bereits über eine Abgasmessung für die Typenzulassung (Homologation) verfügt. Ein zweites Standbein hat die Abgasprüfstelle bei Dieselmotoren: Sie führt die Qualitätsprüfungen der Abgasbehandlungssysteme durch, welche bei Dieselmotoren eingesetzt werden: Dieselpartikelfilter (DPF) und selektive katalytische Reduktion der Stickoxide (SCR).

Biobutanol für Benzin- und Dieselmotoren
Jan Czerwinski leitet die Abgasprüfstelle seit 1989. Der heute 65-jährige Wissenschaftler hat in den letzten drei Jahrzehnten die Massnahmen zur Schadstoffminderung insbesondere von Dieselmotoren aus nächster Nähe begleitet. Zugleich ist Czerwinski Professor für Thermodynamik und Verbrennungsmotoren an der Berner Fachhochschule in Biel. Er bildet Automobilingenieure mit Spezialisierung Verbrennungsmotor aus und betreibt umweltrelevante Forschung. „Wir denken uns die Untersuchungsgegenstände nicht aus, vielmehr greifen wir in der Forschung Themen wie Emissionen und Luftqualität auf, die für den Markt relevant sind“, sagt Czerwinski.

Ein aktuelles Forschungsprojekt befasst sich mit Biobutanol. Dieser beispielsweise aus Zucker oder Holz gewonnene Biotreibstoff wird in den USA in reiner Form oder als Beimischung zum Betrieb von Ottomotoren eingesetzt (vgl. Grafik 08). In der Schweiz kommt Biobutanol bisher nicht zur Anwendung, auch weil es zu teuer ist. In Zukunft könnte der Biotreibstoff eine wachsende Rolle spielen, denn er hat eine höhere Energiedichte als Bioethanol und lässt sich besser mit Benzin und Diesel mischen. Bei tiefen Temperaturen allerdings erfolgt die Luft-Kraftstoff-Gemischbildung in Benzinmotoren nicht optimal, wie Czerwinskis Forscherteam im jüngsten Projekt nachweisen konnte. Daher treten beim Kaltstart Probleme auf, die durch eine geringere Biobutanol-Beimischung oder andere Massnahmen behoben werden müssen. Ein Zwillingsprojekt untersucht den Einsatz von Biobutanol bei Dieselmotoren. Die Forscher wollen unter anderem herausfinden, bis zu welchem Prozentsatz der Biotreibstoff beigemischt werden kann. Der Anteil darf nicht zu hoch sein, da sonst die Zündwilligkeit von Diesel zu sehr beeinträchtigt wird.

Rapsöl und Rapsdiesel
Jan Czerwinski ist in der polnischen Stadt Krakau aufgewachsen und hat dort Maschinenbau studiert, bevor er an der Technischen Universität Wien das Diplom als Maschinenbauingenieur erwarb und an der gleichen Institution über Verbrennungsmotoren promovierte. 1989 wechselte er als Dozent und Forscher an die Berner Fachhochschule nach Biel. Während der letzten 15 Jahre lag einer seiner Forschungsschwerpunkte bei Biotreibstoffen. Auf diesen ruht heute die Hoffnung, einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Mobilität zu leisten. Mit Unterstützung der Bundesämter für Strassen (ASTRA), Umwelt (BAFU) und Energie (BFE) führte Czerwinski eine Reihe von Untersuchungen zu den Vorzügen, aber auch den Handicaps dieser Treibstoffe durch.

Zwei Untersuchungen (2009/13, 2010/13) widmeten sich dem Rapsöl, das Schweizer Bauern vereinzelt in Traktoren einsetzen, sowie dem aus Rapsöl und Methanol hergestellten Rapsmethylester (RME; vgl. auch Grafiken 05 und 06). RME – oft auch als 'Rapsdiesel' bezeichnet – ist die wichtigste Form von Biodiesel (vgl. Textbox) und in Europa der am weitesten verbreitete Biotreibstoff. Die Studien zeigten, dass die beiden Kraftstoffe zu einer schnelleren Abnützung der Motoren führen (Rapsöl noch stärker als RME) und die Wirksamkeit des Schmieröls beeinträchtigen, was der Kunde mit höheren Wartungskosten bezahlt. In Untersuchungen mit Zellkulturen stellte sich heraus, dass RME keine erhöhte Toxizität bzw. Krebsgefahr gegenüber herkömmlichem Diesel aufweist. Rapsöl und Rapsdiesel führen in der Schweiz als Treibstoff weiterhin ein Nischendasein.

Auch Benzinmotoren im Visier
Weitere Forschungsprojekte der Berner Fachhochschule sind aus der breiten öffentlichen Debatte über die Feinstaubemissionen von Dieselmotoren hervorgegangen. Als Folge dieser Debatte stellte sich nämlich die Frage, wie die Partikelemissionen von Benzinmotoren zu beurteilen sind und welche Verbesserungen sich hier durch den Einsatz von Partikelfiltern erzielen liessen. Eine in Zusammenarbeit mit der Empa (Dübendorf/ZH) und dem Paul Scherrer Institut (Villigen/AG) durchgeführte Untersuchung (2013–2017) zeigte: Alle Benzinmotoren, auch solche mit sauberer Einspritzung, haben Betriebszustände mit hohen Partikelemissionen. Partikelfilter können die Emissionen vermindern, teilweise bis auf null. Ein weiteres Projekt (2014–2016) untersuchte in Zusammenarbeit mit dem Adolphe Merkle Institute (AMI) der Université de Fribourg die Wirkung der Abgase von Bezinmotoren mit Direkteinspritzung auf Zellkulturen.

„Die moderne Technik der Abgasnachbehandlung – Feinstaubpartikelfilter wie Stickoxidreduktion mittels SCR – haben sehr positive Effekte“, sagt Czerwinski. „Für neuere Benzinmotoren (Direkteinspritzer) gelten heute Grenzwerte für die Partikelemissionen, und es ist absehbar, dass solche Grenzwerte bald auch für ältere Motortypen (Saugrohreinspritzer) kommen werden. Das Bewusstsein der Gesellschaft bei den Feinstaubemissionen ist so gross, dass es kein Zurück gibt.“

Ein Taschentuch ohne Russ
Für die Spurenanalytik von Abgasen stehen heute sehr genaue Geräte zur Verfügung. Sie sind so genau, dass sie in einem Liter Abgase einen Stoff selbst dann nachweisen können, wenn davon nur der Tausendstel eines Milliardstelgramms enthalten ist. Manchmal kommt Jan Czerwinski, der die Leitung der Abgasprüfstelle ab Herbst 2018 schrittweise an seinen Nachfolger Danilo Engelmann übergab, aber auch ohne ausgeklügelte Messgeräte aus. Er führt den Journalisten in den hinteren Teil der Abgasprüfstelle. Dort steht ein gut 30 Jahre alter Renault 18 TX, eines der ersten Autos, das Mitte der 1980er Jahre vom Hersteller mit einem Drei-Wege-Katalysator ausgerüstet und als Vorzeigefahrzeug dieser damals neuen Technologie gebraucht wurde. Jan Czerwinski kniet sich hinter den Auspuff und wischt mit einem weissen Taschentuch das Innere des Auspuffrohrs aus. Das Taschentuch ist weiss, praktisch frei von Russspuren. „Im Zeitalter des Partikelfilters muss der Auspuff sauber sein“, stellte Czerwinski fest. „Wer wissen will, wie es um sein Auto steht, muss nur ein Taschentuch zur Hand nehmen.“ Dieser Wagen war zu Forschungszwecken mit einem Partikelfilter ausgerüstet worden.

  • Auskünfte zu den BFE-finanzierten Projekten von Prof. Jan Czerwinski erteilt Stephan Renz (info[at]renzconsulting.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Verbrennungsbasierte Energiesysteme.

Biotreibstoffe zwischen Hoffnung und Skepsis
Biotreibstoffe werden heute breit diskutiert. Sie sind aber nichts neues, im Gegenteil, sie stehen am Anfang der Automobilgeschichte. Schon Rudolf Diesel, der Erfinder des Dieselmotors, hat Rizinusöl und andere biogene Stoffe für den Betrieb seiner Motoren getestet und eingesetzt. Auf Biotreibstoffen ruht heute die Hoffnung, den Verbrauch an klimaschädlichen fossilen Treibstoffen wie Benzin und Diesel senken zu können.

Nach Auskunft des Verbandes Biofuels Schweiz (www.biosprit.org) hat der Verbrauch von Biotreibstoffen in der Schweiz in den letzten Jahren deutlich zugenommen auf 1.6% im Jahr 2016. Die wichtigsten Biotreibstoffe sind Biodiesel (als Ersatz für Diesel), Bioethanol (als Ersatz für Benzin; vgl. auch Grafik 07) und reines Pflanzenöl, insbesondere Rapsöl. Beim Treibstoff B7, der an Tankstellen vereinzelt erhältlich ist, handelt es sich um fossilen Diesel, dem 7% Biodiesel beigemischt wurden. Analog ist E85, wie er an ca. 50 Schweizer Tankstellen erworben werden kann, ein Gemisch aus 85% Bioethanol und 15% Bleifrei95. E85 kann nur von Flex-Fuel-Vehicules getankt werden.

Die in der Schweiz eingesetzten Biotreibstoffe werden aus tierischen oder pflanzlichen Abfall- und Reststoffen gewonnen. Damit wird vermieden, dass Nahrungsmittel-Pflanzen zur Herstellung von Treibstoffen verwendet werden. BV


©Text: Dr. Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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