Die Abluftanlage von Aereco ist mit einem zentralen Abluftventilator (3) ausgerüstet. Illustration: Aereco S.A.

Die Abluftanlage von Trivent (Illustration 02) verwendet mehrere, dezentrale Abluftventilatoren. Grafik: Trivent AG

Grundriss von einer der acht untersuchten Wohnungen. Bei den Luftstrom-Messungen konnten die Forscher der FHNW verschiedene Leckagen nachweisen, die zu einer unerwünschten Infiltration von Luft führen. ©Illustration: Schlussbericht Ableg

Volumenstrommessung in den acht untersuchten Wohnungen: Im ersten Schritt bestimmten die Forscher messtechnisch die Abluft (rechte Säule) und die Zuluft (linke Säule), anschliessend den Differenzbetrag aus beiden Werten (rot). Grafik: Schlussbericht Ableg

Die Grafik quantifiziert die Lüftungswärmeverluste (Wärmeverluste QV; blau) und den Stromverbrauch (rot) der untersuchten Abluftanlagen von Trivent (Linthal/GL und Malters/LU) und von Aereco (Genf und Russin/GE). Grafik: Schlussbericht Ableg

Andreas Widmer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der FHNW, während einer Messung mit dem Blower-Door-Test. Foto: IEBau, FHNW

Versuchsanordnung für eine Partikelmessung in einem Schlafzimmer. Foto: IEBau, FHNW

Heinrich Huber hat das Forschungsprojekt der Fachhochschule Nordwestschweiz zu Abluftanlagen geleitet, bevor er als Professor an die Hochschule Luzern Technik & Architektur gewechselt hat. Foto: B. Vogel

Abluftanlagen: Eine gute Lösung für frische Luft bei geringen Wärmeverlusten in sanierten Gebäuden?

(BV) In Bestandsbauten ist die nachträgliche Ausrüstung mit Komfortlüftungen  aufwändig. Eine Alternative sind einfach konzipierte Abluftanlagen mit Aussenluftdurchlässen, die ebenfalls einen Luftaustausch bei vermindertem Energieverbrauch gewährlseiten. Mittlerweile werden Abluftanlagen auch in einer ganzen Serie von Neubauten eingesetzt, um damit die kontrollierte Lüftung zu vereinfachen. (Texte en français >>)


Das zeigt eine Studie des Instituts Energie am Bau in Muttenz (BL). Menschen, für die es an der Tagesordnung ist, ihre Wohnung per Fensteröffnen mit Frischluft zu versorgen, mögen eine Lüftungsanlage für überflüssig halten. Andere Menschen wiederum verlassen sich gern auf eine mechanische Lüftung: Sie beschert ihnen rund um die Uhr und ohne Zutun ein gutes Raumklima und senkt – ein patenter Nebeneffekt – den Verbrauch an Heizwärmeenergie, da hier weniger warme Luft aus der Wohnung in die Umgebung entweicht. Heute werden rund 40% der Neubauten mit einer Lüftungsanlage ausgestattet (Abluftventilatoren für WC/Bad nicht mitgerechnet). In Städten wie Zürich sind es sogar 80% der Neubauten. Denn wo die Lüftung das Fensteröffnen überflüssig macht, sinkt die Belastung durch Strassenlärm und Staub.

Komfortlüftungen und Abluftanlagen
Gut die Hälfte der Lüftungsanlagen in Neubauten werden heute als Komfortlüftungen ausgeführt. Sie versorgen die Wohnräume nicht nur mit Frischluft, sie nutzen auch die in der Abluft enthaltene Wärme, um die neu zuströmende Frischluft zu erwärmen. Dadurch sinken die Lüftungswärmeverluste erheblich, nämlich theoretisch auf nur noch 20 bis 30% des Werts, den eine Wohnung braucht, die über offene Fenster gelüftet wird (ohne Berücksichtigung des Stromverbrauchs der Komfortlüftung). Lüftungsanlagen existieren auch in einfacherer Ausführung. Meistens handelt es sich dann um eine Abluftanlage mit Aussenluftdurchlässen. Während bei der Komfortlüftung Zuluftventilatoren die Aussenluft in die Räume befördern und ein Aussenluftventilator die Abluft wegschafft, kommen Abluftanlagen mit einem einzigen Ventilator aus: Der Abluftventilator erzeugt in der Wohnung einen leichten Unterdruck, worauf durch Öffnungen in den Wänden Aussenluft nachströmt. Solche Abluftanlagen mit Aussenluftdurchlässen sind vor allem in Bestandsbauten verbreitet. Sie machen nach Expertenschätzungen rund ein Viertel bis ein Drittel aller mechanischen Lüftungsanlagen in der Schweiz aus.

Das Institut Energie am Bau (IEBau) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat nun Abluftanlagen mit Aussenluftdurchlässen in einer Studie unter die Lupe genommen. Die beteiligten Wissenschaftler wählten acht Wohnungen in vier Mehrfamilienhäusern an den Standorten Genf, Russin/GE, Linthal/GL und Malters/LU aus. Alle Wohnungen verfügten über eine Abluftanlage mit Aussenluftdurchlässen. Die Forscher haben während eines Jahres Raumklimadaten und Luftvolumenströme gemessen und bewerteten auf dieser Grundlage die Leistungsfähigkeit der Anlagen. Die Untersuchung, deren Schlussbericht seit kurzem vorliegt, wurde vom Bundesamt für Energie im Rahmen seines Forschungsprogramms 'Gebäude und Städte' finanziell unterstützt.Bis zu

50% Infiltration
Da Abluftanlagen über keine Zuluftventilatoren verfügen, kann die Menge der Zuluft nicht mechanisch reguliert werden. Vielmehr strömt überall Luft von aussen in die Wohnräume nach, wo die Gebäudehülle – um es salopp zu sagen – Öffnungen aufweist, seien dies Fenster oder leckhafte Stellen (z.B. Wohnungstür, Rollladenkasten, Installationszone). Diese Infiltration von Luft ist unerwünscht, weil sie oft am falschen Ort erfolgt. Auch handelt es sich nicht immer um frische Aussenluft, sondern um 'minderwertige' Luft aus dem Treppenhaus, aus Nachbarwohnungen oder gar via Installationszone aus dem Keller. Die Muttenzer Forscher konnten mit ihren Messungen zeigen: Typischerweise 30 bis 50% der Luft, die durch den Abluftventilator aus dem Gebäude abgeführt wird, gelangte nicht durch die Aussenluftdurchlässe ins Gebäude, sondern stammt aus Infiltration.

„Abluftanlagen mit Aussenluftdurchlässen müssten also grösser dimensioniert werden, weil sie nicht nur die durch die Aussenluftdurchlässe zugeströmte, 'reguläre' Luft abführen müssen, sondern auch die Luft aus Infiltration“, sagt Prof. Heinrich Huber, der das Forschungsprojekt seinerzeit in Muttenz betreut hat und unterdessen an der Hochschule Luzern lehrt und forscht. „Die SIA-Norm 180 müsste an Abluftanlagen mit Aussenluftdurchlässen also strengere Anforderungen an die Luftdichtheit der Gebäudehülle stellen als an Lüftungssysteme mit Zuluftventilatoren, was bisher nicht der Fall ist.“ Um die Infiltration zu kompensieren müsste die geforderte Leistung des Abluftventilators laut Huber in etwa um den Faktor 1.3 erhöht werden. Veranschaulicht an einem einfachen Beispiel: Pro Zimmer verlangt SIA 2023 (Merkblatt Lüftung in Wohnbauten) einen Aussenluftvolumenstrom von 30 m3/h. Für eine 3-Zimmer-Wohnung ergibt sich demnach ein Total von 90 m3/h. Dieser Wert müsste nun mit dem Faktor 1.3 multipliziert werden. Der Abluftventilator wäre also für 117 m3/h auszulegen, um die Infiltration mit zu bewältigen.

Mehr Leistung bedeutet mehr Zuluft
Das Problem wird akzentuiert durch den Umstand, dass selbst die aktuell von der SIA postulierten Luftvolumenströme (30 m3/h pro Zimmer) praktisch in keiner der untersuchten Wohnungen eingehalten werden, wie die Muttenzer Gebäudeforscher nachweisen konnten. Das heisst, allein um die aktuelle Norm einzuhalten, müssten die Volumenströme erhöht werden; die Kompensation der Infiltration käme noch oben drauf. Eine grössere Dimensionierung von Abluftanlagen mit Aussenluftdurchlässen wäre also angezeigt – sie hat allerdings einen Haken, wie Heinrich Huber betont: „Vergrössern wird den Luftstrom, kann dies die Beeinträchtigung der Bewohner durch Zugluft verstärken.“

Zugluft wird bei den untersuchten Abluftanlagen heute schon oft als störend wahrgenommen, wie eine Befragung der Bewohner der acht untersuchten Wohnungen ergab. Mehr als die Hälfte empfand 'manchmal' oder sogar 'immer' Zugluft, ein Befund, den die beteiligten Forscher als „bedenklich“ einstufen. Da die Gesamtzufriedenheit mit den Lüftungsanlagen relativ hoch ist, gelangen die Forscher zur Einschätzung, die Zugluft sei im aktuellen Ausmass gerade noch akzeptabel. Sie geben aber zu bedenken, dass höhere Leistungsanforderungen an die Lüftungsanlagen die bisher noch relativ positive Gesamtbeurteilung ins Negative kippen lassen könnten, insbesondere auch dann, wenn durch eine Vergrösserung der Aussenluftdurchlässe mehr kalte Aussenluft in die Wohnungen strömen würde.

Zweckmässige Alternative
Bei Komfortlüftungen ist die Zugluft-Problematik geringer, wie man aus anderen Untersuchungen weiss. Trotzdem sind Abluftanlagen mit Aussenluftdurchlässen eine zweckmässige Alternative, zumal für Bestandsbauten, die nur mit einem grossen Aufwand mit Komfortlüftungen ausgestattet werden könnten, wie die Muttenzer Forscher in ihrem Schlussbericht festhalten: «Die Messresultate zeigen, dass die realisierten Lüftungsanlagen mit wenigen Einschränkungen in der Lage sind, ein behagliches Raumklima und einen energieeffizienten Betrieb zu gewährleisten. Voraussetzung dazu bilden eine genügend luftdichte Gebäudehülle, die passende Dimensionierung der Anlage, die fachtechnische Ausführung und ein optimierter Betrieb.»

Gestützt auf Messungen und Modellrechnungen haben die Muttenzer Wissenschaftler die Wärmeverluste bei Anwendung verschiedener Lüftungssysteme (Fensterlüften, Komfortlüftung, Abluftanlagen) verglichen. Erwartungsgemäss liegen die Verluste bei Abluftanlagen zwischen jenen von Komfortlüftung und Fensterlüften (vgl. Grafik 05). Dass die Komfortlüftungen besser abschneiden, ist nicht zuletzt auf die dort praktizierte Wärmerückgewinnung zurückzuführen. Beim vorliegenden Vergleich von Abluftanlagen und Komfortlüftungen zu beachten: Die Abluft-Wärmepumpe zur Wassererwärmung, die bei einem der beiden untersuchten Abluftanlagen-Systeme zum Einsatz kommt, wurde nicht berücksichtigt. Ebenfalls ist in diesem Vergleich die zusätzlich zur mechanischen Lüftung getätigte Stosslüftung über die Fenster nicht berücksichtigt.

Zentrale und dezentrale Abluftanlagen
Eindeutig ist der Befund beim Stromverbrauch: Bei den Abluftanlagen ist dieser nur etwa halb so gross wie bei Komfortlüftungen. Das ist nicht erstaunlich, denn letztere verfügen neben Abluftventilatoren noch über Zuluftventilatoren. Hierbei ist zu beachten, dass die Abluft-Wärmepumpe, wie sie im einen der beiden untersuchten Abluftanlagen-Systeme enthalten ist, auch beim Vergleich der elektrischen Energie nicht berücksichtigt wurde.

Die Muttenzer Forscher haben in ihre Untersuchung zu Abluftanlagen ein zentrales und ein dezentrales System einbezogen (vgl. Textbox): Bei den Anlagen mit dezentralen Abluft-Ventilatoren (Wohnungen in Linthal und Malters) sind die spezifischen Luftvolumenströme im Jahresdurchschnitt grösser, und gesamthaft verbrauchen sie etwas mehr Strom als die Systeme mit zentralen Abluftventilatoren (Wohnungen in Genf und Russin). Der Schlussbericht der Forscher lässt offen, inwiefern diese Unterschiede möglicherweise auch auf das Benutzerverhalten zurückzuführen sind.

  • Weitere Auskünfte zu dem Projekt erteilt Rolf Moser (moser[at]enerconom.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Gebäude und Städte.

Eine zentrale und eine dezentrale Abluftanlage
Die Gebäudeforscher der Fachhochschule Nordwestschweiz haben in ihre Untersuchung Abluftanlagen der Hersteller Trivent AG (Triesenberg/FL) und der vor allem in der Westschweiz aktiven französischen Aereco SA (Paris) mit einbezogen. Beide Hersteller verstehen Abluftanlagen als System, also als eine Verbindung von Ventilator(en) und Aussenluftdurchlässen, die ein abgestimmtes Ganzes bilden sollen. Entsprechend bieten sie auch Support für Planer an.

Die Abluftanlage von Aereco (Illustration 01) ist mit einem zentralen Abluftventilator (3) ausgerüstet. Dieser erzeugt einen Unterdruck, in der Folge strömt die Aussenluft durch die Aussenluftdurchlässe (1) in die Wohnräume und gelangt über Innendurchlässe (2) in die Abluftrohre. Die Abluftanlage von Trivent (Illustration 02) ist komplexer: Hier wird der Unterdruck durch mehrere, dezentrale Abluftventilatoren in jedem Nassraum erzeugt. Über die Abluftventilatoren lässt sich die Belüftung der einzelnen Räume individuell regeln, unter anderem abhängig von der darin herrschenden Feuchtigkeit. Die in der Abluft enthaltene Wärme wird beim System Trivent über eine Wärmepumpe zur Erwärmung des Brauchwassers genutzt.

Die Aussenluftdurchlässe von Trivent sind mit einem Staubfilter ausgerüstet, diejenigen von Aereco nicht. Im Vergleich zu anderen Herstellern entfernt der Trivent-Filter auch Feinstaub aus der Abluft. Eine Spezialität von Aereco ist die selbsttätige Feuchteregelung. Das heisst, dass durch ein spezielles Kunststoffband der Luftvolumenstrom bei tiefer relativer Raumluftfeuchte gedrosselt wird. BV


Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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