Alain Lugon: „Es macht zum Beispiel Sinn, den Bau von Windenergieanlagen mit der Verlegung von Mittelspannungsleitungen in den Boden zu verknüpfen, denn bei Kollisionen mit Stromleitungen sterben viele Vögel.“

Dominique Luy von der Umweltdirektion des Kanton Waadt erklärte: „Allein schon die Wahl des Turbinentyps oder das Anbringen von Kämmen bewirkt, das viele Probleme erst gar nicht auftreten.“

„Ich wünsche mir mehr Weitblick für Ganze“, äusserte sich Martin Heeb, Abteilungsleiter, Amt für Umwelt, Kanton Solothurn.

„Der Guichet Unique ist gesetzlich verankert als Koordinationsstelle für alle Stellungnahmen und Bewilligungen, für die der Bund im Bereich Windenergie zuständig ist“, erklärte Katharina Meyer.

Geoffroy Marx: „In Frankreich gibt es für die Eingabe von Windprojekten den „Permis unique“, der frankreichweit gilt und bei nur einer Behörde eingereicht werden muss.“

"Jeder gute Windpark verhindert einen schlechten!“, erklärte Kurt Eichenberger

Christophe Brossard stellt fest, dass die lange Dauer der Verfahren problematisch ist: „Denn die Fledermausbestände entwickeln sich dynamisch.“

UVP für Windparks: Schweizweite Harmonisierung versus gute Lösungen bei den einzelnen Projekten

(Suisse Eole) „Auch wenn es europaweit bereits ca. 60‘000 Windenergieanlagen gibt, diskutieren wir in der Schweiz mit 37 Anlagen immer noch grundsätzlich deren Umweltverträglichkeit und deren Nutzen", begrüsste Reto Rigassi, Geschäftsführer von Suisse Eole, in Biel rund 70 Teilnehmer am Kantonsseminar zur UVP. Eine schweizweite Klärung der Konflikte scheint schwierig, doch konkrete Beispiele zeigen indes, dass Lösungen gefunden werden könnnen. (Texte en français >>)


Alain Lugon vom Büro L’Azuré präsentiert Lösungen, bei denen die Vogelwelt vom Bau der Windenergieanlagen profitiert. Bei einem Standort, an dem die Feldlerche vorkomme, hätten sie vorgeschlagen, dass die Bauern 20 Jahre lang eine Prämie erhielten, wenn sie das Gras fürs Heu später mähen würden. Solche Massnahmen seien in der Regel effizienter, als keine Anlagen zu bauen. „Denn es ist gut möglich, dass an diesem Standort auch ohne Windenergieanlagen die Feldlerche in fünf Jahren trotzdem verschwunden ist! Es macht zum Beispiel Sinn, den Bau von Windenergieanlagen mit der Verlegung von Mittelspannungsleitungen in den Boden zu verknüpfen, denn bei Kollisionen mit Stromleitungen sterben viele Vögel.“ Auch für Heidelerchen seien unter Umständen Kompensationsmassnahmen sinnvoller für den Fortbestand der Vogelart, als auf den Bau eines Windparks zu verzichten. „Wir dürfen den globalen Einfluss auf den Vogelbestand und die Biodiversität und auch die Kumulationseffekte nicht vergessen!“ Leider könne der in einer UVP nicht beziffert werden.

„Statt Windenergiestandorte wegen dem Vorkommen von Rotmilanen zu verbieten, kann der Betreiber zum Beispiel dazu verpflichtet werden, die Maschinen abzustellen, wenn die Landwirte pflügen oder heuen“, schlug Alain Lugon von L' Azuré anlässlich des Seminars vom 7. November 2018 vor, das von Suisse Eole gemeinsam mit dem Schweizerischen Verband der Umweltfachleute durchgeführt wurde. Fixe Abstände zu Windenergieanlagen hält der Experte nicht für zielführend, da je nach Standort unterschiedliche Lösungen geeignet seien. „Auch haben wir zum Beispiel in Peuchapatte keinen Zusammenhang zwischen der Intensität des Vogelzugs und den Mortalitäten festgestellt.“

„Büro COPEOL“
Eine Vorreiterrolle in Sachen Windenergie kommt dem Kanton Waadt zu, der aufgrund guter Windverhältnisse allein ein Viertel der Windenergieziele der Energiestrategie 2050 des Bundes umsetzen könnte. Das „Büro COPEOL“ ist die Antwort des Kantons Waadt auf dieses Potenzial. Es ist direkt der Umweltdirektion unterstellt und setzt sich aus dem Programmleiter Energie, einer Koordinatorin, einer Juristin und je einem Vertreter der Raumplanung, der Biodiversität, der Forstwirtschaft, des Lärmschutzes und der Umweltverträglichkeitsprüfungen zusammen. Ebenfalls einbezogen werden der Guichet Unique des Bundesamts für Energie und die Projektleiter. Die direkte Anbindung an die Umweltdirektion ist besonders wichtig, denn damit sind auch die Verbindungen zu weiteren betroffenen kantonalen Ämtern garantiert.

Intensive interne Koordination
Die Projektierer haben so den Vorteil, dass sie ihre Projekte nur bei einer Behörde eingeben müssen und beim Kanton nur einen Ansprechpartner haben. Wie das genau läuft, erklärten vier Behördenvertreter den Tagungsteilnehmern. „Die Vertreter des Büro COPEOL treffen sich einmal pro Monat“, erklärte Nadia Christinet, die für die UVP zuständig ist. „Die kantonale Windenergieplanung umfasst 19 Windparks, die Hälfte davon ist bereits ausgeschrieben.“ Der Kanton Waadt hat eigene Richtlinien bezüglich der Geräuschentwicklung von Windenenergieanlagen und der Faunasowie einen Leitfaden für die Mitbestimmung ausgearbeitet. Dominique Luy von der Umweltdirektion erklärte: „Allein schon die Wahl des Turbinentyps oder das Anbringen von Kämmen bewirkt, das viele Probleme erst gar nicht auftreten.“ Nicht nur mit dem Büro COPEOL nimmt der Kanton eine Vorreiterrolle ein: „Bei jedem Windpark soll eine Kommission den Erfolg der Begleitmassnahmen im Betrieb prüfen“, dies habe der Kanton Waadt gesetzlich verankert, wusste Dominique Luy zu berichten.

Mehr Weitblick fürs Ganze gefordert!
„Ich wünsche mir mehr Weitblick für Ganze“, äusserte sich Martin Heeb, Abteilungsleiter, Amt für Umwelt, Kanton Solothurn. Zum Beginn der Projekte helfen aus seiner Sicht eine standortspezifische Voruntersuchung und ein Pflichtenheft, um die UVP möglichst einstufig durchführen zu können. „Wichtig sind auch realistische Vorgaben, sonst sind alle am Schluss nur frustriert!“ Ein weiterer Faktor sei eine kompetente Projektleitung aller Akteure. Bezüglich der Gesuchsteller helfe es, wenn diese lokal verankert seien. „Die Gemeinden holen sich die Fachkompetenz auch von aussen, um aufgrund der komplexen Verfahren Fehler zu vermeiden.“ Fundierte, stufengerechte Unterlagen, wie sie der Kanton Waadt kenne, würden ebenfalls zum Erfolg führen. „Im Betrieb ist dann eine Optimierung vorzusehen, die auf einem differenzierten Monitoring beruht: Schlagopfersuche, Gondelmonitoring, Erfolgskontrolle für Wiederherstellung- und Ersatzmassnahmen und andere müssen gewissenhaft durchgeführt werden.“ Dies könne auch eine Beschränkung oder eine Lockerung der Betriebszeiten zur Folge haben.

Keine Kompetenzverschiebung mit dem Guichet Unique
„Der Guichet Unique ist gesetzlich verankert als Koordinationsstelle für alle Stellungnahmen und Bewilligungen, für die der Bund im Bereich Windenergie zuständig ist. Zudem überwachen wir die Einhaltung der Ordnungsfrist von zwei Monaten“, erklärte Katharina Meyer vom Guichet Unique des BFE. Es fänden folglich keine Kompetenzverschiebungen statt. Ihre Auflistung der Bundesbehörden, die bei Windprojekten mitreden, zeigt, wie komplex die Projekte sind: im UVEK sind es ARE, BAFU, BAKOM, BAZL, BFE, ESTI; im EDI ist es MeteoSchweiz; im VBS sind es der Armeestab, die Luftwaffe, FUB, BABS, Armasuisse Immobilien, Armasuisse Wissenschaft + Technologie und GS (Raum und Umwelt). „Auch Skyguide gehört zum Guichet“, erklärte Katharina Meyer. Kantone können beim Guichet Unique technische Beurteilungen von Vorprojekten (TBV) beantragen, um eine Stellungnahme des BAFU zu erhalten, dies im Bezug auf den Vorprüfungsbericht, das Pflichtenheft oder den Umweltverträglichkeitsbericht. „Wenn ein Kanton zum Beispiel eine Anfrage bezüglich einer Rodung ans BAFU stellt, werden diese bei uns eingereicht. Auch die Antwort des BAFU wird von uns geprüft und an den Antragssteller weitergeleitet“, erklärte Katharina Meyer.

Ein Dokument für die Projekteingabe für ganz Frankreich
Davon können wir in der Schweiz nur träumen: In Frankreich gibt es für die Eingabe von Windprojekten den „Permis unique“, der frankreichweit gilt und bei nur einer Behörde eingereicht werden muss. Mit seiner Einführung stieg die Anzahl der Projekteingaben deutlich, wusste Geoffroy Marx, Programmverantwortlicher der Ligue pour la Protection des Oiseaux France zu berichten. Bezüglich der UVP erklärte er: „Die Anforderungen werden in Frankreich erhöht, wenn besonders geschützte Tiere vorkommen.“ Die Untersuchungen von Vogel- und Fledermausbeständen im Rahmen einer UVP dauert in Frankreich ein Jahr, wenn geschützte Vogel- und Fledermausarten vorkommen, wird die Dauer auf zwei Jahre erhöht. Auch in Frankreich kennt man das Instrument von Vorstudien, zum Beispiel für Greif- und Zugvögel. „Begleitgruppen für die Überwachung der Massnahmen und deren Resultate im Betrieb sind bei uns Standard“, berichtete Geoffroy Marx. „In den ersten drei Betriebsjahren muss im Umkreis der Anlagen einmal eine Untersuchung über Schlagopfer von Vögeln und Fledermäusen durchgeführt werden, danach alle zehn Jahre.“

Wurden die ersten Anlagen in der Nähe von Naturschutzparks oder in unberührten Landschaften gebaut, so werden seit 2003 der Grossteil der Windenergieanlagen auf Landwirtschaftsflächen gebaut. „Wir zählen durchschnittlich sieben Vögel, die pro Windenergieanlage und Jahr zu Schaden kommen. Bei den meisten handelt es sich um Zugvögel.“ Er erklärte, dass in Frankreich mit dem Überwachungssystem DTBat für den Fledermausschutz sehr gute Erfahrungen gemacht werden. „Leider ist das mit dem Überwachungssystem DTBird für den Schutz der Vögel noch nicht der Fall“, fügte er an. Das System könne die Vogelarten noch nicht gut genug unterscheiden.

„Weitgehende Illusion“
Werner Müller, Geschäftsführer BirdLife Schweiz, stellte die Aussagen der Umweltallianz im Konzept 100PRO vor und betonte, BirdLife Schweiz sei nicht gegen Windenergieanlagen. „Die UVP hat nicht zum Ziel, einzig Ersatzmassnahmen auszuarbeiten, sondern sie muss zuerst einmal die Interessensabwägung durchführen, ob ein Projekt bewilligungsfähig ist oder nicht “, erklärte Werner Müller. Dazu müsse der UVB die nötigen Grundlagen liefern. Erst dann müsse über bestmöglichen Schutz, Wiederherstellung oder angemessenen Ersatz entschieden werden. Er äusserte sich für klare Abstandsregelungen bei Vorkommen bestimmter Vogelarten, wie sie in den deutschen Bundesländern gelten. Eine erste, fundierte Abwägung sei gemäss Rechtssprechung bereits auf der Ebene Richtplanung nötig, und nicht erst bei der Nutzungsplanung. Bezüglich des Adaptiven Management erklärte er: „Adapatives Management oder Abschaltmechanismen können vorgängige fundierte Abklärungen zum Standortentscheid nicht ersetzen, das würde dem Vorsorgeprinzip des Schweizer Umweltrechts widersprechen. Die Schlagopfersuche ist sehr aufwändig und in unübersichtlichem Gelände oder im Wald weitgehend eine Illusion. “

Gute Projekte fördern, schlechte verhindern
„Wir von der WWF-Koordinationsstelle Windenergie setzen uns dafür ein, dass gute Projekte gefördert und schlechte verhindert werden, denn jeder gute Windpark verhindert einen schlechten!“, erklärte Kurt Eichenberger, Geschäftsführer von WWF Luzern und Uri und Koordinator der Koordinationsstelle Windenergie des WWF. Zudem würden gute Projekte die Glaubwürdigkeit von Windprojekten fördern. Er stellt fest, dass eine Vollzugshilfe fehle, die genügend Rechtssicherheit biete. Zudem fehle ein koordiniertes Vorgehen der Kantone. „Mit der Windrose haben wir ein Beurteilungsinstrument für Windenergieanlagen“, erklärte Kurt Eichenberger. Der WWF setzt sich mit der Umwelt Allianz für 400 Windenergieanlagen in der Schweiz ein. Vom Bund fordert der Windexperte eine Vollzugshilfe und von den Kantonen, dass sie den Umweltaspekten schon in der Richtplanung genügend Beachtung schenken. „Von den Umweltverbänden möchte ich ein klares Bekenntnis zum Szenario der 400 Windenergieanlagen!“

Davide Crotta, Energie Service Biel/Bienne, äusserte sich aus der Sicht eines Energieversorgers zu den UVP: „Auch wenn der Erkenntnisgewinn einer UVP gross ist und uns dieses Tool als Projektentwickler gute Informationen liefert, wünsche ich mir, dass die globale Bilanz der Windenergieproduktion auch in eine UVP eingerechnet wird.“ Zudem weisst er darauf hin, dass in die UVP keine Überlegungen einfliessen, wie sich die Situation vor Ort entwickeln würde, wenn kein Windpark gebaut werde.

Geringer Wissensstand über Fledermäuse
Bezüglich der Untersuchungen von Fledermäusen stellte Experte Christophe Brossard von Natura Biologie appliquée fest, dass die lange Dauer der Verfahren problematisch ist: „Denn die Fledermausbestände entwickeln sich dynamisch.“ Zudem verfügen wir nicht über genügend Know-how, wie die Bestände überwacht werden könnten und die Algorithmen funktionieren. Nur in Deutschland bestehe dieses Wissen. Wegen des fehlenden Know-how würden in der Schweiz eine veraltete Methodik angewandt sowie unpassende Massnahmen ergriffen. Und es könne auch sein, dass am falschen Ort Untersuchungen durchgeführt werden. Christophe Brossard fordert: „Die Spielregeln müssen mit dem Kanton früh festgelegt werden, sprich das Pflichtenheft, die Anforderungen etc. Auch die ONG müssen einbezogen werden, mit ihnen müssten ‚Abkommen‘ geschlossen werden.“ Im Betrieb müssten einerseits Untersuchungen durchgeführt und deren Resultate auch veröffentlicht werden, um den allgemeinen Wissensstand zu erhöhen.

Text + Bilder: Anita Niederhäusern im Auftrag von Suisse Eole

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1 Kommentare

Max Blatter

Die Krux ist aus meiner Sicht, dass Akteure aus der Energiepolitik und der Energiewirtschaft immer wieder Natur- und Landschaftschutzkreise für ihre Zwecke instrumentalisieren. In den 1970er-Jahren gab es eine große Allianz der Kernenergie-Gegner mit WWF, Pro Natura (damals noch SBN) und anderen; später kämpfte insbesondere die Stiftung Landschaftsschutz "gegen Windmühlen" (und eigentlich pro Nuklearenergie). Beides fand und finde ich nicht gut! - Klar: Es gibt Einflüsse von Windturbinen insbesondere auf die Avi- und Chiroptera-Fauna. Aber diese können und sollen (wie es der Artikel zu Recht fordert) auf sachlicher Ebene angegangen werden. In gut schweizerischer Manier!

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