Ein Bericht auf 3SAT (Sendung Nano vom 22.1.18) erklärt das Verfahren vom Ökozentrum entwickelten Pyrolyse Reaktors. Siehe Link im Artikel. Grafik: SAT

CharNet: Dekarbonisierung durch Karbonisierung

(©AN) Biomasse smart verkohlt ergibt Pflanzenkohle, die nicht nur die Nährstoffe wieder in den Boden zurückbringt, sondern humusfördernd ist, den Wasserhaushalt verbessert und CO2 dauerhaft im Boden bindet. Und zusätzlich wird dabei noch Energie frei. Das wissen die am 4.5.18 anlässlich der GV in Zürich versammelten Mitglieder des Netzwerks CharNet. Knackpunkt ist, wie dieses Wissen gesammelt, koordiniert und verbreitet werden kann.


„Neben der Tatsache, dass dank der Pflanzenkohle die Nährstoffe und das CO2 wieder in den Boden zuückgebracht werden, geht oft ein weiterer Vorteil von Pflanzenkohle vergessen: die deutliche Verbesserung des Wasserhaushalts. Ich nenne das den „Pampers-Effekt“, erklärte Martin Schmid, Projektleiter Polygeneration-Systeme & CharNet beim Ökozentrum anlässlich der Generalversammlung.

Rund 30 der 115 Mitglieder des Netzwerkes sowie eine Gastrednerin berichteten an der Vollversammlung über die vielen Pflanzenkohle-Projekte in Europa und weltweit: Vom Entwicklungsprojekt über eine Industriepilotanlage und vegane Gülle bis zum Forschungsprojekt für die sinnvolle Verwendung der tierischen und der „human outputs“ zum Herstellen von Pflanzenkohle und gleichzeitigem Kochen mit der dabei erzeugten Energie. Auch die Präsidentin des deutschen Fachverbandes Pflanzenkohle e.V. ist Mitglied des Netzwerkes und stellte ihre Aktivitäten und Strategien vor.

Lowtech bis Higtech
Die einzelnen Projektleiter, Bauern und Kleinunternehmen, die in diesem Segment tätig sind, wissen auch sehr genau, was wie warum wo gut funktioniert. Hannes Zellweger von Sofies stellte die Arbeit mit Nespresso in Kolumbien vor und erwähnte auch Projekte in Vietnam, Brasilien, Peru und Ghana: „Die Kaffeebauern besitzen in der Regel gute technische Anlagen, doch die Ernterestoffe liegen in vielen Fällen hinter den Gebäuden und faulen vor sich hin. Meines Erachtens fehlt das Wissen, wie diese sinnvoll auf den Feldern und in den Plantagen angewendet werden kann.“ Er regt an, eine Diskussionsplattform/Wissensbank für unterschiedliche Substrate und Agrarrestoffe auf die Beine zu stellen.

„Von den Lowtech- bis Higtech-Geräten im Industriemassstab gibt es unzählige Anbieter und Anwender und entsprechend viel Know-how“, stellte Stephan Gutzwiller von Kaskad-E in Basel fest. „Was fehlt, sind indes eine Systematisierung dieses Wissens und dessen Verbreitung. Die Anforderungen eines Hobbygärtners sind nicht dieselben wie die eines Landwirts, der für seine Futterkohle eine konstante Qualität braucht.“ Damit traf Gutzwiller den Nerv einiger GV-Teilnehmer, die als Landwirte zum Beispiel ausrechnen müssten, wie viel eine vom Ökozentrum mitentwickelte Pyrolyseanlage kostet und inwieweit sie wirtschaftlich ist, sprich welche Erträge sie bringt. Schmid gab zu bedenken, dass dabei neben dem eingesparten Dünger und der Aufwertung der Böden auch die erzeugte Energie unbedingt miteingerechnet werden müsste.

Neben Pflanzenkohle auch Wärme und Strom
Energie? Genau, denn die den Köhlern abgeschaute Pyrolyse von Biomasse wurde vom Ökozentrum Langenbruck als ausgeklügeltes System weiterentwickelt. Dabei werden mit sensationell niedrigen Emissionswerten neben der Produktion von Pflanzenkohle, die CO2 dauerhaft im Boden bindet und wertvolle Stoffe zurück in den Boden bringt, auch Wärme und Strom produziert (siehe ee-news.ch vom 8.1.16 >>). Der Pyrolysereaktor, den die Forscher am Ökozentrum in Langenbruck entwickelt haben, kann aus nasser Biomasse – mit einem Wassergehalt von bis zu 50 % – bei sehr niedriger Sauerstoffzufuhr diese zu sogenannter Pflanzenkohle umwandeln. Neben Wärme produziert der Reaktor mit einer Schwachgasturbine auch Strom.

Der Einsatz von Holzkohle im Pflanzenbau ist eigentlich alter Wein in neuen Schläuchen, er hat insbesondere in Südamerika Tradition, hier spricht man von „Terra Preta“. Auch in der Schweiz, so berichten ältere Menschen, hätten Gärtnereien die Reststoffe der Köhlerreaktoren gesammelt, um ihn als Bodenverbesserer einzusetzen.

Dieses Video von 3SAT (Sendung Nano vom 22.1.18) erklärt das Verfahren vom Ökozentrum entwickelten Pyrolyse Reaktors. >>

Noch viel Aufklärungsarbeit erforderlich
Das Potenzial des vom Ökozentrum eigentlich für die Verwertung von Kaffeepulpa entwickelten Pyrolysereaktors ist sehr gross: „Sämtliche Biomasse, auch Holz, könnte in unserem geschlossenen System so verwertet werden, zum Nutzen des Klimas!“, ist Martin Schmid überzeugt. Und verschiedene Fachbereiche aus Landwirtschaft und Forschung sind sehr interessiert. Das zeigt auch die Vernetzung mit Forschungsanstalten und Bundesämtern des Vereins Charnet.ch: Mit von der Partie sind die Eawag, Agroscope, die ZHAW und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Zudem steht Charnet in engem Kontakt mit dem Bundesamt für Umwelt. Doch es gibt gerade in unseren Breitengraden erhebliche gesetzliche Stolpersteine: So muss zum Beispiel EBC-zertifizierte Pflanzenkohle für den Einsatz auf dem Acker aus naturbelassenem Holz bestehen, währenddessen die gleiche Kohle für Futtermittel, Lebensmittelfarbstoff oder Wasserfilterung aus irgendeiner Biomasse hergestellt werden darf, dabei wäre gerade auf dem Acker der erhöhte Mineralstoffanteil einer „Nicht-Holz-Biomasse“ erwünscht, wegen der Düngerrückführung (Kalium, Phopshor, Calcium). Hier hinkt das Gesetz dem Wissen hinterher. Daher wurde anlässlich der GV auch ein Workshop über die Wissensverbreitung der Pyrolyse durchgeführt. Charnet.ch bleibt am Ball. Das Netzwerk befindet sich heute ungefähr dort, wo die Photovoltaik vor 30 Jahren stand. Auf die zukünftige Entwicklung dürfen wir gespannt sein.

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©Text: Anita Niederhäusern, Herausgeberin und leitende Redaktorin ee-news.ch

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