Die Studie «Die Rolle von dezentralen Speichern für die Bewältigung der Energiewende», vorgestellt von ETH-Dozent Andreas Ulbig, und Vize-Präsident der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES). ©Foto: T. Rütti.

VESE-Frühlingstagung in Zürich. 50 Insider begehrten Antworten auf ihre Fragen vom Verband der unabhängigen Energieerzeuger. ©Foto: T. Rütti.

VESE-Geschäftsführer Raoul Knittel ist Umweltingenieur FH. Er führte durch die VESE-Frühlingstagung, die an der Fachhochschule HWZ Zürich abgehalten wurde und im Anschluss an die GV stattfand. ©Foto: T. Rütti

VESE-Präsident Walter Sachs (rechts) ist Mitglied der Geschäftsleitung Solar Campus GmbH. Diego Fischer ist Experte für Solarenergie & Technologie sowie Mitglied des Bundesvorstandes von SSES. ©Foto: T. Rütti.

Referentin Lucia Grüter, Vorstand VESE, befasst sich selbstständig mit dem Bereich Erneuerbare Energien und Energiespeicher. Sie trat als Projektleiterin von Leclanché SA auf. Foto: T. Rütti.

VESE: Optimierung von Solarstrom-Eigenverbrauch im Fokus

(©TR) Energiespeicherung und ihre Optimierungsmöglichkeiten gehören aktuell zu den brennendsten Themen. Das erfordert für Stromproduzenten und Mitglieder des Verbands unabhängiger Energieerzeuger (VESE), ständig über neueste Trends und Erkenntnisse auf dem Laufenden zu sein. Darin war man sich an der VESE-Frühjahrestagung vom 17. März 2018 in Zürich einig. 


Fragen zum Solarstrom-Eigenverbrauch, zur Energiespeicherung und zur dezentralen Energieproduktion wurden von den Experten zusammen mit dem Insider-Publikum beleuchtet. Nach diesem Branchentreffenin bemerkte ein Teilnehmer gegenüber ee-news.ch: «Gesellschaft, Wirtschaft und Politik müssen sich sputen, um die Entwicklung in einem positiven Sinn zu bewältigen.»

Zukünftige Entwicklungen und Chance
Die Ausgangslage: Die Stromproduktion verändert sich hüben und drüben unablässig weiter, so dass die Solargenossenschaften und speziell die privaten Anlageneigentümer ebenso unablässig auf die neuesten Erkenntnisse und Datenmaterial sowie Ratschläge von Experten angewiesen sind. Nach einer Einführung zum Thema Energiespeicher und dezentrale Produktion wurde an der VESE-Frühlingstagung der Fokus speziell auf die praktischen Anwendungen für Photovoltaik-Produzenten gelenkt und grundsätzlich Aspekte zu folgenden Punkten diskutiert: Braucht es Speichersysteme oder macht zunächst eine Optimierung des Eigenverbrauches mehr Sinn? Welche technischen Möglichkeiten stehen heute zur Verfügung, um Strom zu speichern? Welche Berührungspunkte gibt es mit anderen Akteuren der Energiebranche? Was tun andere PV-Produzenten? Vertieft behandelt wurden mit den Referenten auch zukünftige Entwicklungen und Chance sowie die Stärken der verschiedenen Systeme. Red und Antwort standen Andreas Ulbig (ETH Zürich), VESE-Präsident Walter Sachs und die Vorstandsmitglieder Diego Fischer und Lucia Grüter, Geschäftsführer Raoul Knittel, aber auch Dominik Mock (Evtech AG) und Philippe Dietrich (H2 Energy AG).

Vorab ein Rechenbeispiel

Wenn ein Haushalt mit 4000 kWh Jahresverbrauch mittels Solarstromanlagen 8000 kWh produziert, und im Jahresmittel 1200 kWh zeitgleich verbraucht, entspricht dies einem sogenannten Autarkiegrad von 30 Prozent und einem Eigenverbrauchsanteil von 15 Prozent. Der Autarkiegrad ist ein Mass der Unabhängigkeit: Wie viel Prozent meines Stromverbrauchs kann ich mit selbst produziertem Solarstrom abdecken? Der Eigenverbrauchsgrad hingegen gibt an, wieviel Prozent der gesamten Solarstromproduktion wieder durch mich zeitgleich verbraucht werden.

Eigenverbrauch wirtschaftlich sinnvoll
Erklärt wurde einem dies im November 2015 im «Handbuch Eigenverbrauchsoptimierung», welches der Verband unabhängiger Energieerzeuger (VESE) im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) verfasste hatte. Übersichtlich und leicht verständlich wurden von dieser Fachgruppe der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie (SSES) verschiedene Steuerungskonzepte und entsprechenden Geräte dargestellt. Diese erlauben es je nach Solarstrom-Verfügbarkeit den Solarstrom direkt zu verbrauchen und entsprechende Geräte zu aktivieren. Eine Quintessenz lautete: Bei Anlagen, welche nicht über die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) finanziert werden, ist es wirtschaftlich sinnvoll, den erzeugten Strom gleich wieder selbst zu verbrauchen, also «Eigenverbrauch» zu betreiben. Dieser lässt sich optimieren: Verfügt das Haus zum Beispiel über eine Wärmepumpe, so wird diese direkt mit dem Solarstrom-Überschuss statt während der Nacht betrieben.

Überarbeitetes Handbuch

Der vom VESE seinerzeit entwickelte Leitfaden, der einen Überblick über mögliche Steuerungskonzepte und Optimierungspotentiale bietet, wird gegenwärtig überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. In wenigen Wochen schon soll die Neuauflage vorliegen, wie VESE-Geschäftsführer Raoul Knittel an der von rund 50 Teilnehmenden besuchten der Fachtagung vom 17. März 2018 in Zürich verkünden durfte. Aus den Reaktionen der Zuhörer und ihren Fragen lässt sich schliessen, dass das überarbeitete Handbuch von den unabhängigen Energieerzeugern mit grossem Interesse erwartet wird.

Vom Konsumenten zum lokalen Stromproduzenten

Viele einstige Konsumenten von zentral produziertem Strom sind längstens zu lokalen Stromproduzenten avanciert; neben der zentralen Produktion in Grosskraftwerken erzeugen immer mehr kleine Kraftwerke ihren eigenen Strom, vor allem mittels Photovoltaikanlagen. Eine Folge davon: Die Stromerzeugung aus neuen erneuerbaren Energiequellen ist nicht konstant und somit schlecht planbar. Technisch kann diesem Problem abgeholfen werden, indem die dezentrale Stromproduktion mit einem lokalen Speicher versehen wird. Dezentrale Speicher können von einem Netzbetreiber aber auch für weitere Aufgaben genutzt werden. Wie wirtschaftlich diese Speicher sind, hängt unter anderem auch davon ab, welche Aufgaben sie übernehmen können.

W
ie und wo machen dezentrale Speichersysteme Sinn?
Eine erfolgreiche und gewinnbringende Bewältigung der Energiewende mithilfe von dezentralen Energiespeichern: Darauf kam Andreas Ulbig von der ETH Zürich in seinem ausführlichen Vortrag sprechen. Er berief sich dabei auf die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften SATW. Ihr Ziel ist erklärtermassen «die Unterstützung einer faktenbasierte Diskussion über unsere Energiepolitik». Dazu veröffentlichte sie im Sommer 2014 eine erste Studie mit dem Titel «Ist das geplante Stromsystem der Schweiz für die Umsetzung der Energiestrategie 2050 aus technischer Sicht geeignet?». Für die zweite Studie, gewissermassen ein Nachfolgewerk, liess die SATW vom Power Systems Laboratory der ETH Zürich untersuchen, wie und wo dezentrale Speichersysteme sinnvoll eingesetzt werden können. «Dabei lag der spezielle Fokus auf Batteriesystemen, da diese mittelfristig die wichtigste, weil am flexibelsten einsetzbare Speichertechnologie auf Verteilnetzebene sein werden», so Dr. Ulbig. (siehe ee-news.ch vom 16.1.18 >>)


Schlüssele
rkenntnisse der Studie

  • Für Netzbetreiber sind Batteriesysteme interessant, wenn ein konventioneller Netzausbau nicht möglich oder sehr teuer ist, zum Beispiel in ländlichen Regionen mit geringer Lastdichte oder urbanen Zentren mit hoher Lastdichte. Bei einer langen Stromtransport- und Umwandlungskette sind die Verluste sehr hoch. Daher sollte für die Speicherung dasjenige System gewählt werden, das auf der gleichen Netzebene operiert wie die Stromproduktion. Im Fall der Zwischenspeicherung von Strom-Import/Export sind dies Pumpspeicher. Im Fall der Zwischenspeicherung von Stromproduktion aus dezentralen Anlagen, zum Beispiel Photovoltaik, sind dies Batteriespeicher.
  • Für den Endkunden sind selbst installierte Batteriespeicher interessant, weil er so seinen selbst produzierten Strom auch nutzen kann, wenn die Sonne nicht scheint, und er spart zudem Netznutzungsgebühren und Abgaben.
  • Batteriespeicher sind sowohl für den Endkunden mit Photovoltaik-Anlage als auch für den Netzbetreiber nützlich. Voraussetzung dazu ist, dass die Speicher vom Netzbetreiber «netzdienlich» betrieben werden können.
  • Neue Tarifmodelle sind notwendig, um die Infrastrukturkosten des Netzbetreibers weiterhin gerecht verteilen zu können.
  • Batteriespeichersystemen können mit ihrer Flexibilität (sehr schnelle Regelleistung) bestehende Speicherkraftwerke optimal ergänzen und von ungünstigen Betriebszuständen entlasten.

Erkenntnisgewinne der Teilnehmenden?
Belebt wurde in Tagung in Zürich nicht nur von den geschilderten Erkenntnissen, sondern auch dank einer ausgesprochen aktiven Beteiligung des gut 50-köpfigen Publikums. In den Dialogen und Pausengesprechen herrschte Einklang in einer Ansicht: Die Schweiz ist gut beraten, den Ausbau der erneuerbaren Energien beharrlich voranzutreiben und entsprechend zu investieren – in umweltfreundlichere Klimasysteme, in die Gebäudesanierung, in die E-Mobilität, in den Wasserstoffantrieb, in den öffentlichen Verkehr usw. Denn nur so lasse sich die Energiewende auch tatsächlich schaffen. Reihenweise kamen Fragen zur Studie oder zum neuen Handbuch, vor allem aber zu den weiteren Fachvorträgen der von VESE aufgebotenen Referenten. Gewiss ebenso spannend wie die Fachvorträge sind die bei ee-news.ch eingegangen Feedbacks des Publikums. In einer kleinen, nicht reprässentativen Umfrage wurde ermittelt, welchen Erkenntnisgewinne einzelne Teilnehmende verzeichnen konnten:

  • Herbert Güttinger, Präsident Energiegenossenschaft Elgg: «Die stürmische Entwicklung von Photovoltaik-, Speicher-, Informations- und Kommunikationstechnologien verhilft einer nachhaltigen Energieversorgung rascher und stärker zum Durchbruch als selbst die grössten Pessimisten befürchtet und Optimisten gehofft haben. Gesellschaft, Wirtschaft und Politik müssen sich allerdings sputen, um die Entwicklung in einem positiven Sinn zu bewältigen.»

  • Andreas Neumann, Gossau ZH, Präsident Solarverein Gossau ZH: «Die Energiewende ist aus technischer Sicht gut machbar - es gibt Verbesserungen bei PV-Anlagen, Speicherung (Batterien und Wasserstoff), Verbrauchsoptimierung, Elektromobilität, Energiesparen, etc. Leider stimmen jedoch die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen immer noch nicht - trotz Energiestrategie 2050 und neuem Energiegesetz. Es gibt noch zu viele Energieunternehmen, die unabhängigen Stromproduzenten zu tiefe Preise für eingespiesenen Solarstrom bezahlen. Es gibt einige löbliche Ausnahmen – Städte, kommunale EVUs etc. –, jedoch leider noch zu viele, vor allem grosse Energieunternehmen, die sehr schlechte Einspeisetarife bezahlen.»

  • Alfred Weidmann, Uhwiesen: «In einer grossen Stadt erreicht die erneuerbare Stromproduktion nie den aktuellen Verbrauch. Deshalb sind private Einzelbatterien nicht nötig.  Sinnvoll ist es aus meiner Sicht, das Netz als virtuellen Speicher zu nutzen. Das heisst, Strom aus PV wird tagsüber ins Netz eingespiesen. Nachts wird die benötigte Menge Strom gegen eine ‹Speichergebühr› aus dem Netz bezogen, ohne dafür Netznutzungskosten zu bezahlen, siehe Modell Sonnenbox, Basel.»

  • Markus Kohler, Bereichsleiter Solarenergie Logista EG AG: «Die Technologie für die Energiewende ist vorhanden. Mit den richtigen Lenkungsmassnahmen ist die Umsetzung gut möglich, vorausgesetzt, die Branche gibt weiter Gas und die Politik sowie die Verteilnetzbetreiber legen keine weiteren Bremsklötze in Weg. Die Produktevielfalt für Smart Energy, Speicher und saisonale Speicher wird immer grösser, die Lösungen immer professioneller. Es bleibt aber noch ein grosser Schulungsbedarf sowie Überzeugungsarbeit in der Politik und bei den Verteilnetzbetreibern.»

  •  Patrick Neuenschwander, Geschäftsleitungsmitglied Fleco Power AG, Winterthur: «Ein regelmässiger, überregionaler Austausch unter Gleichgesinnten zu konkreten Praxisbeispielen hilft zu erkennen, wo der Schuh drückt und wo es zielführend ist, sich gemeinsam für ein Anliegen der unabhängigen Stromproduzenten stark zu machen.»

  • Heini Lüthi, St. Gallen, Vorstand VESE: «Dass wir auch eine kritische Auseinandersetzung über Wasserstoff oder bidirektionales e-mobil-Laden hatten und keine Verkaufsveranstaltung für Solarbatterien, spricht für den VESE. Solange Energieversorger nachts Niedertarif anbieten und keine Notwendigkeit zum Honorieren der Netzdienlichkeit von Batteriespeichern sehen, würde ich persönlich keinen Aufwand betreiben, um den gefragten Tagstrom teuer in die Nacht zu verschieben.»

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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