Die ADEV Solarstrom realisierte in Schlieren auf einem Laborgebäude eine PV-Anlage, die jährlich rund 52 MWh Strom liefern wird. Roche nutzt als Mieterin im Gebäude 100 % des produzierten Solarstroms im Eigenverbrauch. ©Bild: ADEV/birdviewpicture

Auf zwei Dächern einer Wohngenossenschaft hat ESB zwei Photovoltaikanlagen realisiert, die jährlich rund 107 MWh Strom für Heizungspumpen, Aufzug, Waschmaschinen, etc. produzieren. Angestrebt wird ein Eigenverbrauchsanteil von nahezu 70 %. ©Bild: ESB

SIG betreibt im Industriegebiet von Satigny eine PV-Anlage mit Eigenverbrauchsgemeinschaft. Der Solarstrom wird zu 45 % im Gebäude genutzt, für den Betrieb der Wärmepumpe sowie den Strombedarf der 10 gewerblichen Mieter. ©Bild: Solar Agentur

Siedlung Sentmatt, Obfelden: Der Strom aus den Hybridkollektoren wird für den Betrieb der Wärmepumpe und für den Allgemeinstrom im Eigenverbrauch genutzt. ©Bild: Halter Immobilien AG

Areal-Überbauung in Möriken-Wildegg mit 36 Wohnungen, 4 Photovoltaikanlagen, 4 Wärmepumpen und mehreren Elektromobil-Ladestationen. Regelung und Abrechnung des Stroms erfolgen über einen innovativen Eigenverbrauchsmanager. ©Bild: Setz Architektur

PV-Tagung 2018: Neuer Schub für Eigenverbrauch

(Anzeige) Seit 2014 ist der Eigenverbrauch von Solartstrom erlaubt. Unsicherheiten und Hürden bei der Umsetzung haben Eigenverbrauchsprojekte jedoch behindert – vor allem in Mehrfamilienhäusern. Seit Anfang Jahr ist die direkte Nutzung von Solarstrom jedoch deutlich attraktiver. Der Eigenverbrauch und die neuen Möglichkeiten sind deshalb ein zentrales Thema der Nationalen Photovoltaiktagung vom 19.-20.4. in Bern.

Den Solarstrom vom eigenen Dach zu konsumieren ist attraktiv: Die Gestehungskosten sind dank der Einmalvergütung und der sinkenden Preise für Photovoltaikmodule tief und liegen heute bei rund 12–15 Rp./kWh. Wird der produzierte Strom direkt genutzt, bezahlen die Bezüger keine Netzzuschläge oder Steuern. Dafür müssen die Kosten für die ganze Abrechnung mit dem EVU und den einzelnen Bezüger übernommen werden. Speist der Produzent seinen Solarstrom hingegen ins Netz ein, erhält er dafür vielerorts weniger als 8 Rappen pro Kilowattstunde – Tendenz sinkend. Dass es sich also lohnt, den Strom selbst zu verbrauchen, liegt auf der Hand. Ob sich eine PV-Anlage mit Eigenverbrauch rein ökonomisch rechnet, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. “Vieles hing früher auch vom Goodwill des örtlichen Stromversorgers ab“, erinnert sich David Stickelberger von Swissolar. Doch inzwischen haben viele EVUs und auch private Anbieter die Chancen des Eigenverbrauchs erkannt und bieten Dienstleistungen in diesem Bereich an – von Abrechnungslösungen bis hin zum Betrieb der ganzen Anlage. Dass solche Eigenverbrauchslösungen nicht nur für Wohngebäude, sondern auch für Industrie und Gewerbe interessant sind zeigen verschiedene realisierte Projekte (vgl. Bilder links oben).
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Nationale Photovoltaik-Tagung 2018
An der Photovoltaiktagung vom 19./20. April 2018 von Swissolar, VSE und Bundesamt für Energie ist der Eigenverbrauch ein zentrales Thema. Die neuen Möglichkeiten des Eigenverbrauchs werden ausgelotet, Fallbeispiele präsentiert und Interessen abgewogen. Marktentwicklung, aktuelle Forschungsarbeiten oder die Integration der Solarenergie in digitale Bauprozesse sind weitere Themen.

Datum: Do/Fr, 19./20. April 2018

Ort: Kursaal Bern

Info und Anmeldung: www.swissolar.ch/pv2018
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Gesetzgebung schafft neue Möglichkeiten
Mit der Revision der Energieverordnung im Rahmen der Energiestrategie 2050 haben sich die Rahmenbedingungen für Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) seit 2018 weiter verbessert. Neu dürfen sich nicht nur Wohnungen im selben Haus, sondern auch mehrere aneinandergrenzende Grundstücke zusammenschliessen, um den produzierten Solarstrom zu nutzen. Es gibt dann nur noch einen zentralen Netzanschluss, die Stromverteilung zu den verschiedenen Liegenschaften erfolgt über eigene Stromleitungen. Neu gilt seit diesem Jahr zudem, dass die Eigenverbrauchsgemeinschaft ihre Messungen selbst vornehmen darf.

Möchte ein Hauseigentümer Mietparteien zu einem ZEV zusammenschliessen, braucht es einen Zusatz zum Mietvertrag. Während bestehende Mieter entscheiden können, ob sie bei der ZEV mitmachen wollen, können Neumieter dazu verpflichtet werden. Um Mietende vor Missbrauch zu schützen, darf der eigene Solarstrom nicht teurer sein als der vom Netz bezogene Strom.

Strom-Pooling möglich
Schliesslich sieht die neue Verordnung vor, dass ein ZEV den benötigten Netzstrom im freien Strommarkt einkaufen kann, sofern ihr Bedarf 100 MWh pro Jahr übersteigt. Bereits ab etwa 35 Wohnungen inklusive Allgemeinstrom wird diese Grenze überschritten. Von einem solchen Strom-Pooling profitiert die Siedlung Sentmatt in Obfelden. Hier hat Enpuls, eine Tochterfirma der EKZ, zusammen mit der Halter AG ein Eigenverbrauchs-Projekt realisiert, bei dem der Strom aus Hybridkollektoren für den Betrieb der Wärmepumpe und den Allgemeinstrom eingesetzt wird. Weil der Bedarf dieser beiden Verbrauchergruppen 100 MWh übersteigt, kann der Anlagenbetreiber den vom Netz bezogenen Strom auf dem liberalisierten Markt zu günstigen Konditionen einkaufen. «Insgesamt reduzieren sich die Kosten für den Strom, der über die Nebenkosten abgerechnet wird, um rund 30 %», erklärt Michael Jastrob von der Enpuls AG. Künftig könnten die Mietenden auf Wunsch auch für ihren Haushalt Solarstrom vom Dach beziehen. «Das System ist dafür vorbereitet», so Jastrob. «Die Mieterinnen und Mieter könnten so weitere 10 % der Stromkosten sparen.»

Systemdenken gewinnt an Bedeutung
Je mehr Strom aus einer Produktionsanlage in der Eigenverbrauchgemeinschaft genutzt wird, desto rentabler wird eine PV-Anlage. Die Devise lautet also nicht in erster Linie, möglichst viel Solarstrom zu produzieren, sondern diesen möglichst optimal zu nutzen. Dank smarter Geräte, ausgeklügelter Steuerungssysteme und selbstlernender Algorithmen ist dies heute bereits möglich. Ein Beispiel ist die Areal-Überbauung in Möriken-Wildegg mit mehreren Photovoltaikanlagen. Um einen möglichst hohen Anteil der Solarenergie direkt zu nutzen – angepeilt werden 60 % –, kommt ein innovativer Eigenverbrauchsmanager zum Einsatz. Das neuartige Regelsystem wird im Rahmen eines Pilot- und Demonstrationsprojekts vom Bundesamt für Energie unterstützt. Die Software bezieht alle relevanten Aspekte für eine optimale Energienutzung ein: Die Gebäudemasse und das Warmwasser werden als thermischer Speicher zum Ausgleich fallender Aussentemperaturen genutzt, die Steuerung der Sole-Wasser-Wärmepumpe auf die verfügbare solare Leistung abgestimmt, die elektrischen Geräte werden solaroptimiert betrieben und die im Gebäude stationierten Elektroautos ebenso geladen. Zudem werden die Stromkosten über ein System verrechnet, das Bewohner belohnt, die einen hohen Eigenverbrauchsanteil erzielen: Über eine automatisierte Strombörse mit Real-Time-Pricing können die Bewohner den aktuellen Strompreis abhängig von der lokalen Produktion verfolgen und die Geräte werden automatisch bei tiefen Tarifen bzw. solarer Produktion betrieben.

Markt für innovative Unternehmen
David Stickelberger ist überzeugt, dass die neuen Regelungen gemeinsam mit der technologischen Entwicklung der Solarenergie einen weiteren Schub verpassen. Zudem rufen sie zahlreiche neue Player auf den Markt – die von der Abrechnungslösung über das intelligente Steuerungssystem bis hin zur vernetzten Speicherlösung vielfältige Dienstleistungen anbieten. So trägt die Solarenergie nicht nur zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 bei, sondern schafft auch Chancen für innovative Geschäftsideen.

Text: Irene Bättig, im Auftrag von Swissolar

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