Kein leichtes Spiel für Wieland Hintz, der den Solarprofis unter anderem die langen Wartelisten erklären musste. ©Bild: A. Niederhäusern

Gemäss den Schätzungen von Swissolar werden ab 2020 jährlich rund 450 MW Photovoltaik zugebaut. ©Grafik: Swissolar

„Ab dem 1.4.2018 können alle, die in der KEV sind, in die Direktvermarktung wechseln“, erklärte Laura Antonini, Fachspezialistin Fördersysteme erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie. ©Bild: A. Niederhäusern

Aus dem Netzzuschlag von 2.3 Rp. pro Kilowattstunde fliessen lediglich 0.3 Rp. in die Photovoltaik. Grafik: BFE

Peter Toggweiler strich die Chancen der neuen Förderverordnung hervor sowie seine Hoffnung, dass neue Mess- und Lasttarife die mittlerweile wirtschaftliche Photovoltaik nicht verteuern werden. ©Bild: A. Niederhäusern

Unter dem Strich sollen die Anlagebesitzer mit der Direktvermarktung nicht schlechter fahren als mit der KEV. Grafik: BFE

Die Höhe der Einspeiseprämie wird pro Quartal berechnet. Grafik: BFE

Wer muss direkt vermarkten, wer nicht? Nur Anlagen bis 500 kW, die bereits die KEV erhalten, müssen nicht in die Direktvermarktung wechseln. Grafik: BFE

PV Update: Skandal im Photovoltaik-Bezirk?

(©AN) Bis 2030 werden jährlich CHF 200 Mio. in die Förderung der Photovoltaik fliessen. Deutlich weniger, als sich die Branche erhofft hat, auch weil die Grosswasserkraft erfolgreich schwarze Wolken an den Himmel gemalt hat. Die kleine und grosse Einmalvergütung startet mit langen Wartelisten. Doch die längerfristigen Aussichten sind rosig: Nach einer Durststrecke könnten ab 2020 jährlich knapp 450 MW PV-Leistung zugebaut werden.


Rund 250 Photovoltaikfachleute fanden sich am 6. Dezember in Olten am PV-Update zur neuen Förderung von Photovoltaikanlagen ein. Folgend ein Bericht über die wichtigsten Referate am Morgen. „Nach zwei eher enttäuschenden Jahren 2016 und 2017 werden gemäss unseren Schätzungen ab 2020 jährlich knapp 450 Megawatt zugebaut werden“, erklärte David Stickelberger, Geschäftsleiter Swissolar. Natürlich hätte sich die Branche auch kurzfristig mehr gewünscht, doch nach der Aufbruchsstimmung als Reaktion auf die Atomkatastrophe von Fukushima seien politisch sehr viele Kompromisse gemacht worden. Nicht zuletzt aufgrund des Rechtsrutsches bei den Wahlen von 2015.

Die KEV gibt es faktisch nicht mehr
„Rund 1000 Projekte, die bis Mitte 2012 angemeldet worden sind, werden noch in die KEV rutschen, alle anderen rutschen in die Einmalvergütung, sprich die KEV für neue Projekte gibt es faktisch nicht mehr. Die Einmalvergütung ist das, womit Sie neu rechnen müssen“, erklärte er den Photovoltaikfachleuten im Saal. Erfreulich sind für Stickelberger die neuen Lösungen für den Eigenverbrauch, in der auch mehrere Gebäude zusammengeschlossen werden können. Photovoltaikanlagen, die auch ins Netz einspeisen, müssen ab 2018 mit Smart Meter ausgerüstet werden: „Für die Branche heisst das, dass es praktisch keine Photovoltaikanlagen ohne erheblichen Eigenverbrauch mehr geben wird. Sie als Solarprofis müssen sich daher künftig um das ganze Gebäude kümmern und das ganze System verstehen.“

Bremser Grosswasserkraft
„Die Wahrheit steht in den Verordnungen“, mahnte Wieland Hintz, Fachspezialist Erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie (BFE), der die schwierige Aufgabe hatte, den Solarprofis die Änderungen bezüglich der Photovoltaik zu erklären, die neu in der „Energieförderverordnung“ festgehalten sind. Gibt es bis Ende 2017 einzig die Energieverordnung, ist diese ab 2018 in drei Verordnungen aufgeteilt, sprich die Energieförder-, die neue Energie- sowie die Effizienzverordnung. „Von den 2.3 Rappen pro Kilowattstunde, die in den KEV-Fonds fliessen, kommen ab 2018 lediglich zusätzliche 0.3 Rappen der Photovoltaik zugute. Die Gelder bleiben folglich weiterhin knapp“, erklärte Wieland Hintz. Die 0.3 Rp. teilen sich in 0.2 Rp. pro kWh für die KEV und 0.1 Rp. pro kWh für die Einmalvergütung auf. Grund für den niedrigen Anteil für die Photovoltaik sei die Grosswasserkraft, die bis 2022 unter Umständen eine Marktprämie erhalte. „Die Mittel bleiben folglich begrenzt, spätestens ab 2022 sollte es jedoch besser werden.“ Es sei übrigens heute noch nicht klar, welcher Anteil der Fördergelder tatsächlich in die Grosswasserkraft fliessen wird.

Neue Förderobergrenze von 50 MW pro Anlage
„Für neue Anlagen gibt es ab 2018 nur noch die Einmalvergütung“, erklärte Wieland Hintz, „für Anlagen bis 100 Kilowatt Leistung die kleine und für Anlagen über 100 Kilowatt Leistung die grosse Einmalvergütung. Für letztere gilt neu die Obergrenze von 50 Megawatt!“ Sprich, faktisch können alle Anlagen von der Einmalvergütung profitieren“. Für beide Förderinstrumente gilt ein Grundbeitrag von 1400 CHF plus ein Leistungsbeitrag von 400 CHF/kW pro Anlage bis 30 kW sowie ein Leistungsbeitrag von 300 CHF/kW pro Anlage ab 30 kW. Der Unterschied liegt in der Anmeldung: „Bei der kleinen Einmalvergütung melden Sie die Anlage neu erst nach der Fertigstellung an und erhalten dann die Fördergelder. Bei der grossen müssen Sie die Anlage zuerst anmelden und können erst bauen, wenn sie einen positiven Entscheid erhalten“, führte der Energiefachmann aus. Mit der Auszahlung der neuen Einmalvergütungen soll am 1.4.18 begonnen werden.

Die Krux mit der Warteliste
Anlagen mit über 300 kW Leistung, die heute in der KEV sind, müssen ab 2018 in die Direktvermarktung wechseln. „Haben Sie keine Angst vor der Direktvermarktung, ich kenne die von der Anlage meiner Eltern in Deutschland her“, erklärt der Wahlschweizer. „Unter dem Strich ist es durchaus möglich, dass Sie mehr Geld erhalten als heute.“ Die Krux liegt jedoch bei den Wartelisten für die Einmalvergütung: „12‘200 Anlagen mit einer Leistung von total 250 MW befinden sich bereits auf der Warteliste für die kleine Einmalvergütung.“ Das sind alle Anlagen unter 100 kW Leistung, die sich ab Mitte 2012 für die KEV angemeldet hatten und keinen positiven Bescheid erhielten. „Wer sich ab sofort für die kleine Einmalvergütung anmeldet, muss darum mit rund zweieineinhalb Jahren Wartezeit rechnen.

Bei der grossen Einmalvergütung sieht die Sachlage deutlich schlechter aus: „4000 Anlagen mit einer gesamten Leistung von 1.2 Gigawatt – alles Anlagen über 100 kW Leistung – werden keinen positiven KEV-Entscheid mehr erhalten und rutschen damit automatisch in die grosse Einmalvergütung. Wir rechnen daher bei Neuanmeldungen für diese Förderung mit einer Wartezeit von rund sechs Jahren.“ 30 % davon seien bereits gebaut. Wieland Hintz geht allerdings davon aus, dass einige der Anlagen aufgrund der langen Wartezeit und der neuen Vergütungsätze jetzt nicht gebaut werden. Dies sei jedoch bereits in die Berechnungen für die Wartezeit eingeflossen.

Rote Köpfe

Die Diskussion bezüglich der langen Wartefristen und einzelne Neuheiten in der Energieförderverordnung sorgten für rote Köpfe. Inwieweit bieten die langen Wartefristen überhaupt Investitionssicherheit? Was ist, wenn der Bund plötzlich entscheidet, die Fördermodelle ganz zu kippen? Ein Grossteil der Tagungsteilnehmer scheint zudem empört darüber, dass Anlagebesitzer, die ohne definitiven KEV-Bescheid gebaut haben, jetzt automatisch in die Warteliste der Einmalvergütung rutschten. Dadurch würden diese jetzt abgestraft. Laut den Fachleuten vom BFE wurde immer offen kommuniziert, dass eine Bestätigung über die Aufnahme einer Anlage in die KEV-Liste nicht einer KEV-Garantie gleichkomme. Das sahen viele der Tagungsteilnehmer nicht so. Bemängelt wurde auch, dass die Einmalvergütung bei neuen Anlagen pro Grundstück nur einmal ausbezahlt wird. Wer später eine Erweiterung der Anlage ins Auge fasst, geht folglich leer aus. Erst ab einer Wartefrist von 15 Jahren kann theoretisch wieder eine Einmalvergütung beantragt werden. Ausgenommen davon sind Anlagen unter 30 kW Leistung, die vor 2018 gebaut wurden.

Darüber, dass pro Grundstück nur noch eine Anlage gefördert wird, zeigte sich auch Peter Toggweiler, Vorstandsmitglied von Swissolar, erstaunt. Baut eine Stockwerkeigentumsgesellschaft eine Photovoltaikanlage, kann diese nicht in Einheiten pro Stockwerkeigentümer aufgeteilt werden. Die Gesellschaft muss folglich eine Gemeinschaftsanlage bauen. Ein Tagungsteilnehmer argumentierte pointiert: „Wir verfügen in der Schweiz über rund 2.5 % Solarstrom bezogen auf unseren Stromverbrauch. Die neue Förderung ist beschämend für eines der reichsten Länder der Welt!“

Photovoltaik öffnet Hintertür zum freien Marktzugang

Die ab 2018 neu überall in der Schweiz zugelassenen Eigenverbrauchsgemeinschaften sind ein wichtiger Schritt für die dezentrale Stromversorgung: „Neu können sich Verbraucher über die Parzellengrenzen zusammenschliessen. Wer im Zusammenschluss über 100‘000 Kilowattstunden Strom verbraucht, der kann den Strom auf dem freien Markt einkaufen“, erklärte Wieland Hintz. „Der Energieversorger ist nicht mehr für die Zähler der einzelnen Verbraucher zuständig.“ Der Strom darf indes nicht übers öffentliche Netz fliessen und der Photovoltaikanteil muss mindestens 10 % der Netzanschlussleistung betragen. Wieland erklärte zudem: „Mieter können zum Eigenverbrauch verpflichtet werden, ausser bei bestehenden Mietverhältnissen oder wenn die Stromversorgung dadurch nicht gewährleistet oder zu teuer ist.“ Der Vermieter darf den Mietern nur die tatsächlichen Kosten in Rechnung stellen. Dazu zählen die Kosten für die interne Produktion einschliesslich Kapital-, Betriebs- und Unterhaltskosten, Kosten für Messung, Datenbereitstellung, Administration, Abrechnung sowie die Kosten für extern bezogene Elektrizität und den Photovoltaikstrom. Der Photovoltaikstrom darf aber nicht teurer sein als der externe Strombezug.. Doch was ist damit gemeint? Dieses Detail könnte noch zu heissen Diskussionen führen.

Abhilfe zu den Detailfragen soll der neue Leitfaden für Eigenverbrauchsgemeinschaften schaffen, den Swissolar gerade im Auftrag von Energie Schweiz erstellt. Mit am Tisch sitzen Mitarbeiter vom Schweizerischen Mieterverband, vom Hauseigentümerverband und vom VSE. Erscheinen soll der Leitfaden Ende des 1. Quartals 2018.

Rückliefertarife gesetzlich verankert
Die Netzbetreiber unterliegen neu einer Abnahme- und Vergütungspflicht für dezentral produzierten Strom. Die Vergütung richtet sich nach den Kosten des Netzbetreibers für den Bezug gleichwertiger Elektrizität bei Dritten sowie den Gestehungskosten der eigenen Produktionsanlagen. Wieland Hintz: „Heute gilt nur der Bezugspreis von Dritten.“ Pius Hüsser, Vizepräsident von Swissolar, erklärte: „Wir rechnen damit, dass der Rückspeisetarif um die 6 bis 7 Rappen pro Kilowattstunde betragen wird.“ BKW habe allerdings schon angekündigt, dass sie diese Tarife nicht anwenden werde, monierte einer der Tagungsteilnehmer.

Wieland Hintz wusste zudem zu berichten, dass für neue Anlagen ab 30 kVA keine Lastgangmessung, jedoch ab 0 kVA ein Smart Meter erforderlich sei. Die Kosten dafür werden über Netzgebühren sozialisiert.

Direktvermarktung löst KEV ab
„Ab dem 1.4.2018 können alle, die in der KEV sind, in die Direktvermarktung wechseln“, erklärte Laura Antonini, Fachspezialistin Fördersysteme erneuerbare Energien beim BFE. „Für Anlagen über 500 kW Leistung ist sie ab 2020 obligatorisch sowie für Anlagen ab 100 kW, die nach 2018 in die KEV rutschen.“ Wie Wieland Hintz erklärte sie, dass die Förderung, die sich neu aus einem fixen Tarif und dem Erlös aus dem Direktverkauf zusammensetzt, sogar zu höheren Erträgen führen könne. Ziel der Direktvermarktung sei es, Anreize für eine flexiblere und verbrauchergerechtere Produktion zu schaffen, statt blind zu fördern. Für den Zusatzaufwand der Direktvermarktung gibt es zusätzlich neu 0.55 Rp. pro Kilowattstunde. „Der Anlagebetreiber schliesst mit einem Direktvermarkter – das kann ein professioneller Anbieter, der Netzbetreiber oder jemand anderes sein – einen privatrechtlichen Vertrag ab.“

Die Einspeiseprämie wird fortan pro Quartal berechnet. Ein Teilnehmender der Tagung bemängelte, dass dies nicht den Marktgegebenheiten entspreche, in Deutschland werde die Einspeiseprämie monatlich ermittelt. Laura Antonini argumentierte, man wolle den administrativen Aufwand klein halten.

Neue Begriffe
Mit der neuen Energieförderverordnung werden auch neue Begriffe eingeführt, hier eine kleine Übersicht:

Alt

Neu

Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV)

Einspeisevergütungssystem (EVS)

Einmalvergütung (EIV)

  • kleine Einmalvergütung (KLEIV)
  • grosse Einmalvergütung (GREIV)

Eigenverbrauchsgemeinschaft EVG

Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV)

Bisherige Vergütung Neue Vergütung
Peter Toggweiler: „Von den neuen Instrumenten möchte ich vor allem vier hervorheben: die Anhebung der Grenze für die Einmalvergütung auf 50 Megawatt und die Aufwertung der Eigenverbrauchsgemeinschaften, der Gesetzgeber spricht hier nun vom ‚Zusammenschluss zum Eigenverbrauch‘. Was auch sehr erfreulich ist, ist das Recht auf Netzanschluss elektrischer Speicher. Da konnte sich der Netzbetreiber bis anhin verweigern. Und last but not least die Vorgaben zum Vergütungspreis für den ins öffentliche Netz gelieferten Solarstrom.“ Toggweiler nannte noch weitere Markttreiber: die tiefen Anlagenkosten dank tiefer Zinsen, die Tatsache, dass eigener Solarstrom günstiger ist als der vom Netz bezogene Strom, das Quasi-Obligatorium für Photovoltaik beim Minergie-Standard und die Relevanz von Photovoltaik bei den Mustervorschriften der Kantone, den sogenannten MuKEn.

Bezüglich der Zusammenschlüsse von Eigenverbrauchern stellte der Solarfachmann folgende Bedenken in den Raum: „Pro Kilowattstunde darf nicht mehr in Rechnung gestellt werden, als die Kosten des extern bezogenen Stromprodukts pro Kilowattstunde betragen. Dabei stellt sich die Frage, welches Stromprodukt als Referenz dient. Ist damit das Risiko für den Investor zu hoch? Wenn die Strompreise weiter fallen würden, könnte er den Solarstrom nicht mehr kostendeckend verkaufen.“ Für Peter Toggweiler bietet die neue Förderverordnung viele Chancen. Nun hofft er, dass die sinkenden Kosten von Photovoltaik nicht durch neue Zählertarife oder Lastpreise seitens der Energieversorger ausgehebelt werden.

Zu den Folien der oben erwähnten Vorträge auf der Homepage von Swissolar >>

©Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin und Herausgeberin von ee-news.ch

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