Werner Hässig, Inhaber der hässig sustech gmbh, zeigt, wie der Temperaturfühler des gSKIN-Messkits an der Aussenwand montiert wird, um den U-Wert zu messen. Foto: B. Vogel

Damit die Messung des U-Werts nicht verfälscht wird, ist der Aussentemperatursensor mit einem Sonnenschutz versehen. Foto: B. Vogel

Ein zentraler Bestandteil des GEAK ist die Energieetikette: Sie charakterisiert die Effizienz der Gebäudehülle sowie die Gesamtenergieeffizienz des untersuchten Gebäudes von A (sehr effizient) bis G (wenig effizient). Bild: Verein GEAK

Der gSKIN-Messkit erfasst Innentemperatur (rot), Aussentemperatur (gelb) und den Wärmefluss an der Innenseite der Wand (blau). Über die Messdauer nähert sich der abgeleitete Wert (grün) dem realen U-Wert an. ©Bild: Schlussbericht UFELD

Die Grafik macht das Hauptergebnis der Studie anschaulich: Die gemessenen U-Werte (rot) liegen in der Regel deutlich tiefer als die im GEAK-Berechnungstool hinterlegten Werte (grün). ©Bild: Schlussbericht UFELD

Die Grafik zeigt die im GEAK-Berechnungstool hinterlegten Werte für den U-Wert. ©Bild: Schlussbericht UFELD

Der gSKIN-Messkit, wie er bei einer Messung an der Innenwand befestigt ist. Foto: greenTEG

Grafik zu Kasten am Textende. ©Illustration: greenTEG

U-Werte: Neues Verfahren ermöglicht nicht-invasive Methode

(©BV) Der Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) ist für Planer und Bauphysiker eine zentrale Kennzahl. Energieberater richten Sanierungsempfehlungen an diesem Wert aus. Dank eines neuartigen Verfahrens lässt sich der U-Wert einer Wand, eines Dachs oder einer Fensterfront jetzt mit einer nicht-invasiven Methode vor Ort bestimmen. Das Messverfahren kann bei der Erneuerung von Altbauten und denkmalgeschützten Gebäuden gute Dienste leisten, wie eine vom BFE mitfinanzierte Studie zeigt.


Der Gebäudeenergieausweis der Kantone – kurz GEAK – ist ein mittlerweile gut etablierter Nachweis, der über Energieeffizienz und Energieverbrauch eines Gebäudes Auskunft gibt und unter anderem als wichtige Entscheidungshilfe für Kaufinteressenten oder Mieter dient. In seiner ausführlichen Variante ('GEAK Plus') formuliert der GEAK auch Vorschläge, wie sich ein Gebäude mit geeigneten Sanierungsschritten energetisch flott machen lässt. In der landesweiten GEAK-Datenbank sind unterdessen 44'000 Gebäude verzeichnet. Damit diese Datenbank aktuell bleibt, muss der 'Energiesteckbrief' für jedes Gebäude spätestens alle zehn Jahre bestätigt bzw. erneuert werden.

Für die Erstellung eines GEAK bzw. eines GEAK Plus ist Expertenwissen gefragt. Für die Ausarbeitung eines solchen Energieausweises macht der Energieberater eine Begehung des fraglichen Gebäudes, sichtet Planungsdokumente und Energieabrechnungen und beschafft nach Bedarf zusätzliche Informationen. Ist die Baudokumentation der betreffenden Liegenschaft lückenhaft oder ganz verschwunden, muss sich der Energieberater bei der Erstellung des GEAK teilweise auf Annahmen abstützen. Dies gilt unter anderem für die Qualität der Wärmedämmung. Sind für das Gebäude keine verlässlichen Angaben verfügbar, stützt sich der Energieberater auf die Richtwerte, die in der GEAK-Software – ein internetbasiertes Berechnungstool – hinterlegt sind oder korrigiert diesen anhand des BFE-Bauteilkatalogs.

Reale U-Werte von Altbauten liegen tiefer
Der U-Wert quantifiziert den Wärmedurchgang von Wänden, Dächern, Fenstern und Böden. In der GEAK-Software wird für Wände von Altbauten (Baujahr vor 1975) ein U-Wert von 1.4 W/m2K angenommen. Ob dieser Wert die Realität realistisch abbildet, gab in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen Anlass. Verschiedentlich haben Bauexperten die Vermutung geäussert, der Wert sei zu hoch angesetzt, der U-Wert der vor 1975 erstellten Gebäude liege also in Wahrheit tiefer, ihre Wände seien also besser gedämmt, als es die im GEAK-Berechnungstool hinterlegten Werte glauben machen.

Diese Vermutung wird nun durch eine neue Studie erhärtet, im Auftrag des Bundesamts für Energie und mit finanzieller Unterstützung von drei Dämmstoffproduzenten (Flumroc AG, Isofloc AG, Agitec AG) erstellt wurde. Das Planungsbüro hässig sustech gmbh (Uster) hat in der Untersuchung den U-Wert bei 32 überwiegend unsanierten Altbauten durch eine Messung bestimmt und diese Messwerte anschliessend mit den im GEAK-Berechnungstool hinterlegten Richtwerten vergleichen. Fazit der Studie: „Die Resultate zeigen, dass die im GEAK-Tool verwendeten U-Werte 50 bis 60% höher liegen als die gemessenen U-Werte. Infolge dieser grossen Abweichungen empfehlen die Autoren, dass die U-Werte des GEAK für Wände mit Baujahr vor 1976 von bisher 1.4 auf 1.0 W/m2K gesenkt werden sollten. Bei Wänden mit Baujahr zwischen 1976-1985 ist es angezeigt, die GEAK U-Werte auf je 0.6 W/m2K (bisher liegen sie für schwere Wände bei 0.8 und bei leichten Wänden bei 0.6) zu senken.“

Realitätsnahe Werte stärken Glaubwürdigkeit
Die Ergebnisse bedeuten, dass Energieberater dort, wo sie sich wegen lückenhafter Baudokumentation auf das GEAK-Berechnungstool verlassen, den Dämmschutz von Gebäuden bislang eher zu pessimistisch einschätzen – und folglich gegenüber dem Gebäudeeigentümer tendenziell einen zu grossen Sanierungsbedarf veranschlagen. „Gewiss war es ein Stück weit auch Absicht, die im GEAK-Tool hinterlegten U-Werte konservativ anzusetzen, um energetische Sanierungen voranzutreiben“, sagt Dr. dipl. Ing. ETH/SIA Werner Hässig, Geschäftsleiter und Inhaber von hässig sustech. „Allerdings sollten die hinterlegten U-Werte doch so realitätsnah wir möglich gewählt werden, sonst leidet die Glaubwürdigkeit des GEAK“, sagt der Bauphysik-Experte.

„Die Studie hat interessante Ergebnisse hervorgebracht und sie gibt uns Anlass, die im GEAK-Softwaretool verwendeten Werte zu überprüfen und Extremfälle zu korrigieren“, sagt GEAK-Präsident Ulrich Nyffenegger, selber dipl. Energieingenieur FH SIA/STV und heute Leiter des Amts für Umweltkoordination und Energie des Kantons Bern. Für die Anpassung der Werte hat der Verein GEAK allerdings nur begrenzten Spielraum, denn GEAK stützt seine Werte auf die im Bauteilkatalog des Bundesamtes für Energie (BFE) ausgewiesenen Materialwerte (λ-Werte). „Der GEAK hat diese Werte übernommen und dabei bewusst den ungünstigsten Fall angenommen. Wir vertrauen darauf, dass die Energieberater diese Werte während der GEAK-Erstellung im Lichte der konkreten Verhältnisse korrigieren“, sagt Nyffenegger. Der GEAK-Präsident räumt ein, dass der BFE-Bauteilkatalog die λ-Werte insbesondere bei Bauteilen ohne SIA-Überwachung viel zu schlecht ansetzt. „Das BFE sollte die Studie zum Anlass nehmen, den Bauteilkatalog zu überarbeiten“, sagt Ulrich Nyffenegger, „der GEAK würde die angepassten Werte dann in den GEAK übernehmen.“

Vor-Ort-Messungen mit mobilem Messkit
Die Bestimmung des U-Werts ist nicht trivial. Sind die verwendeten Baumaterialien und -konstruktionen bekannt, könnten die Werte auf der Grundlage des BFE-Bauteilkatalogs berechnet werden. Bei lückenhafter oder fehlender Baudokumentation musste bisher hingegen gegebenenfalls mit Bohrungen die Bauweise von Wänden eruiert werden, bevor die Berechnung durchgeführt werden konnte. Neuerdings macht es nun ein Messgerät möglich, den U-Wert von Wänden und anderen Gebäudeteilen vor Ort (in situ) zu bestimmen, und zwar ohne Beeinträchtigung der Wand. Entwickelt hat dieses nicht-invasive Messinstrument namens gSKIN U-Wert Kit die Zürcher Firma greenTEG, ein Spin-off der ETH Zürich. Der gSKIN-Messkit besteht aus drei Sensoren, die beidseitig an das zu messende Bauteil (z.B. Wand) angebracht werden. Ein Datenlogger zeichnet die Messwerte auf, und eine Analysesoftware ermittelt aus ihnen anschliessend den U-Wert. Mit dem Messkit kann der U-Wert im Zuge einer dreitägigen Messperiode mit einer Genauigkeit von +/- 20% bestimmt werden (vgl. Textbox unten).

Die Tücken der Messung
Die Untersuchung von hässig sustech hat Altbauten mit unterschiedlichen Wandtypen berücksichtigt. Dabei handelte es sich in der Regel um Backsteinwände ohne Wärmedämmung. Der Backstein war entweder nur verputzt oder aber mit einer (nicht wärmedämmenden) Zementfaserplatte (Eternit) oder Holz belegt. Auch wenn eine doppelte Backsteinmauer vorlag (Doppelschalen-Mauerwerk), war der dazwischenliegende Spalt teilweise nicht für eine Wärmedämmung genutzt.

Werner Hässig und seine Mitarbeiterin Sara Wyss haben die Erfahrung gemacht, dass die Messung des U-Werts einige Tücken bereithält. So fällt der U-Wert höher aus, wenn man an einer Stelle misst, wo Mörtel statt direkt ein Backstein unter dem Verputz liegt. Auch können Effekte wie die Reflexion des Nachbarhauses die Messung beeinträchtigen. Bei der Anwendung des Messgeräts sei daher immer ein Fachmann erforderlich, der die Ergebnisse einzuordnen wisse, sagt Werner Hässig. „Das Messgerät ist ein nützliches Instrument zur Einschätzung des Zustands von älteren Gebäuden, die vor einer Sanierung stehen. Gerade im Bereich denkmalgeschützter Gebäude hat die Messmethode ein grosses Anwendungspotenzial, da hier oft nur unvollständige oder gar keine Planungsunterlagen vorhanden sind.“


Ein Messgerät zur Bestimmung des U-Werts

Das innovative Element des gSKIN-Messkits ist der Wärmeflusssensor (siehe Grafik links unten): Das 3 mal 3 cm grosse und 2 mm dicke Plättchen wird auf der Innenwand des Gebäudes angebracht und misst dort, wie viel Wärme aus dem warmen Innenraum durch die Hauswand nach aussen fliesst. Technisch gesehen handelt es sich bei dem Sensor um einen thermoelektrischen Generator (TEG): Herrscht an beiden Seitenflächen des TEG eine unterschiedliche Temperatur, entsteht eine Spannung und es fliesst ein Strom. Die Stärke dieses Messstroms ist abhängig von der Temperaturdifferenz, von den verwendeten Materialien und dem Temperaturbereich, in dem gemessen wird. Die Firma greenTEG nutzt den Messstrom im gSKIN-Messkit, um über einen Algorithmus den U-Wert zu bestimmen.

Der U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient) beschreibt den Wärmedurchgang durch ein Material (z.B. eine Wand). Der U-Wert setzt den Wärmestrom durch die Wand in ein Verhältnis zur Wandfläche und zur Temperaturdifferenz (daher die Masseinheit W/m2 K). Je höher der U-Wert, desto schlechter die Wärmedämmung der Wand. Für die Messung mit dem gSKIN-Messkit an einer Mauer werden auf der Innenseite der Wärmeflusssensor und einer der beiden Temperatursensoren angebracht. An der gleichen Position wird auf der Aussenseite der zweite Temperatursensor platziert. Der Wärmeflusssensor misst nun, wie viel Energie (in Watt) durch die Wand fliesst. Mit der Software lässt sich aus den gemessenen Innen- und Aussentemperaturen sowie dem Wärmestrom der U-Wert berechnen.

Der Wärmeflusssensor muss von direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden. Für die Messung ist eine minimale Differenz von 5 °C zwischen Innen- und Aussentemperatur notwendig (was insbesondere in der kalten Jahreszeit gegeben ist). Obwohl bereits nach zwei Stunden Messung verwendbare Daten vorliegen, empfiehlt es sich, über einen längeren Zeitraum zu messen, damit Schwankungen ausgeglichen werden. In der ISO 9869 Norm ist beschrieben, wie eine U-Wert-Messung durchgeführt werden sollte. Damit eine U-Wert Messung ISO konform ist, sollte 72 Stunden lang gemessen werden. Die Grafik (Illustration 04) zeigt, wie der U-Wert (grüne Linie) im Verlauf der Messung immer präziser bestimmt werden kann.

Der Wärmeflusssensor des gSKIN-Messkits beruht auf dem Seebeck-Effekt (auch: thermoelektrischer Effekt). In der technischen Umsetzung des Sensors von greenTEG werden zylinderförmige Elemente aus Halbleitern mit unterschiedlichen Seebeck-Koeffizienten ('Thermopaare') nebeneinander platziert und zu einem Stromkreis verbunden. Die beiden Halbleiter müssen in geeigneter Weise mit Fremdatomen versetzt ('dotiert') sein, der eine n-dotiert, der andere p-dotiert. Besteht zwischen Unter- und Oberseite der Zylinder eine Temperaturdifferenz, fliesst ein Strom. Um einen relevanten Messstrom zu erzeugen, wird eine Vielzahl von Thermopaaren in Serie geschaltet. Die Grafik (Illustration 05) zeigt das Konstruktionsschema eines TEG der Firma greenTEG: In der mittleren Folie sind die ausgestanzten Löcher erkennbar; diese werden durch elektrochemische Abscheidung mit Thermopaaren gefüllt, die anschliessend oben und unten mit Kontakten versehen und damit in Serie geschaltet werden. Die ganze Anordnung wird oben und unten mit einer Schutzfolie (grün) geschützt.

TEG lassen sich zur Erzeugung eines Messstroms nutzen, wie das beim gSKIN-Messkit der Fall ist. TEGs können auch für die Stromversorgung diverser Anwendungen verwendet werden, beispielsweise für die Regulierung eines Heizungsventils. (vgl. Fachartikel 'Der Thermostat wird energieautark', abrufbar unter www.bfe.admin.ch/CT/strom).



©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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