Projektleiter Giw Zanganeh vor der Anlage, mit der der adiabatische Kompressor simuliert wird. Hinten in der Bildmitte: Eingang zur Druckkammer. ©Foto: B. Vogel

Ein 120 m langer Abschnitt des Felsstollens zwischen Pollegio (Leventina) und Loderio (Bleniotal) wurde von Wissenschaftlern in eine Druckkammer umgewandelt, um die Grundlagen eines adiabatischen Druckluftspeichers zu erforschen. ©Foto: ALACAES

Die 120 m lange Druckkammer wird beidseitig durch Betonzapfen verschlossen: Sie sind konisch geformt, um dem hohen Druck standzuhalten. ©Illustration: ALACAES

Die 120 m lange Druckkammer, beidseitig abgeschlossen durch konische Betonzapfen. ©Illustration: ALACAES

Der IT-Experte Luciano Serio im Kontrollraum des Druckluft-Experiments. Der Bildschirm visualisiert die Messdaten, die im Experiment aufgezeichnet werden. ©Foto: B. Vogel

Schalldämpfer, der beim Entladen der Kaverne die ausfliessende Luft abkühlt und abdämmt. ©Foto: ALACAES

Die 7 t schwere Stahltür ermöglicht den Zugang zur Druckkammer. ©Foto: ALACAES

Eine mit Steinen gefüllte Betonwanne dient beim Tessiner Experiment als Wärmespeicher. Die Verkabelung dient dem Datentransport von den Temperatursensoren im Innern des Speichers. ©Foto: ALACAES

Die Druckkammer des Tessiner Experiments: Die Wände sind mit Spritzbeton ausgekleidet, aber nicht speziell abgedichtet. Die Stäbe im Vordergrund sind Teil einer Messeinrichtung. ©Foto: ALACAES

Zwei Kompressoren, die dazu dienen, zusammen mit einem Heizgerät, einen adiabatischen Kompressor zu simulieren. ©Foto: ALACAES

Temperaturverlauf im Wärmespeicher (durchgezogene Linien) und zugehöriger Druckverlauf (gestrichelte Linien), gemessen während drei Lade-Entlade-Zyklen auf unterschiedlichem Druckniveau. ©Grafik: ALACAES

Druckverlauf und Massenstrom bei zyklischen Drucktests. Violett: Massenstrom beim Laden. ©Grafik: ALACAES Orange: Massenstrom beim Entladen. Blau: Druckverlauf. Grafik: ALACAES

Adiabatischer Druckluftspeicher: Der Gotthard hält dicht

(©BV) Ein noch wenig erprobter Weg der Speicherung von Elektrizität ist die Druckluft. Eine Testanlage in einem ehemaligen Tessiner Neat-Stollen hat nun die Machbarkeit dieser Speichertechnik grundsätzlich bestätigt. Ein 120 m langer Abschnitt des Stollens wurde dazu beidseitig mit einem 5 m dicken 'Betonzapfen' abgeriegelt. Die Forscher schafften es, Luft bei einem Druck von 7 bar im Fels zu speichern.


Gotthard-Granit ist hart, aber nicht undurchdringlich. Der Fels wird von Wasseradern durchzogen, und bisweilen gibt es Gesteinsschichten, die wie Sand zerbröseln. Wer im Gotthard Druckluft speichern will, der muss also erst einmal prüfen, ob der Fels dicht genug ist. Genau das hat Dr. Giw Zanganeh von der Tessiner Firma Alacaes SA in den letzten Monaten getan. Der an der ETH Zürich ausgebildete Maschinenbauer hat gemeinsam mit Forscherkollegen mehrere Monate tief im Innern des Gotthards zugebracht, um die Dichtigkeit des Gesteins zu erforschen: „Wir konnten mit unseren Messungen zeigen, dass Stollen im Gotthard dicht genug sind, um Luft unter hohem Druck zu speichern“, berichtet Zanganeh. Damit rückt die Vision eines Stromspeichers im Gotthardgranit einen Schritt näher: Überschüssige elektrische Energie zum Beispiel aus Wind- und Solarkraftwerken würde dabei in Druckluft umgeformt und tief im Fels gespeichert. Sobald ein Bedarf besteht, kann die Druckluft über einen Generator wieder in Strom rückverwandelt und den Stromkonsumenten zur Verfügung gestellt werden.

Der Felsen ist dicht und stabil
Die Firma Alacaes möchte einen solchen Speicher bauen. Seit 2014 hat sie einen ausgedienten Neat-Stollen nördlich von Biasca (TI) so hergerichtet, um die Speicherung von elektrischem Strom in Druckluft testen zu können: Ein 120 m langer Abschnitt des Stollens wurde beidseitig mit einem 5 m dicken 'Betonzapfen' abgeriegelt. Jeder der beiden Zapfen enthält eine 7 t schwere Stahltür, die den Zugang zur Druckkammer ermöglicht. Die Wände des Felsstollens sind mit Spritzbeton versehen, wie er üblicherweise bei Tunnels verwendet wird.

Im Herbst 2016 fand im ungebauten Neat-Stollen eine Messkampagne statt. Die Alacaes-Forscher schafften es, Luft bei einem Druck von 7 bar im Fels zu speichern. „Wir haben vom Fels selber keine Verluste beobachtet und feststellen können, dass sich der Felsen grundsätzlich für einen Druckluftspeicher eignet“, fasst Giw Zanganeh das Hauptergebnis zusammen. Damit konnte das Team um Zanganeh die vorgängigen theoretischen Berechnungen mit Messungen bestätigen. „Unter dem Einfluss der Druckluft bewegt sich der Berg nicht; wir haben keine relevanten Verschiebungen im Gestein beobachtet.“

550°C heisse Druckluft
Für diese Erkenntnis mussten die Forscher einen beträchtlichen Aufwand betreiben, wie ein Augenschein vor Ort zeigt. Vom Bahnhof Biasca sind es mit dem Auto nur wenige Minuten zum Eingang des knapp 3 km langen Felsstollens, der etwa einen Kilometer entfernt vom Neat-Südportal beginnt und während der Bauzeit dazu diente, das ausgebrochene Gestein von der Leventina (Pollegio) durch den Berg ins Bleniotal (Loderio) wegzutransportieren. Die Druckkammer liegt 700 m tief im Berg. Hier ist Gesteinsüberdeckung stark genug, um die Drücke auszuhalten, die in der geladenen Druckkammer herrschen.

Am Eingang der 120 m langen Druckkammer stehen die Geräte, welche den elektrischen Strom in Druckluft verwandeln. Künftig soll dazu ein adiabatischer Kompressor verwendet werden. Adiabatisch bedeutet, dass die bei der Verdichtung der Luft entstehende Wärme nicht an die Umgebung abgegeben wird (durch Kühlung des Kompressors), sondern in der Druckluft verbleibt. Da adiabatische Kompressoren für die relativ kleinen Dimensionen der Pilotanlage nicht verfügbar sind, wird die heisse Druckluft im Tessiner Experiment mit einer Hilfskonstruktion erzeugt: zwei Kompressoren verdichten die Umgebungsluft schrittweise auf den gewünschten Druck, und ein Heizgerät bringt sie anschliessend auf 550 °C. Die heisse Druckluft wird anschliessend über ein Rohr in die Druckkammer geleitet.

Einfacher und leistungsfähiger Wärmespeicher
Das Herzstück der Versuchsanlage steht in der Druckkammer selber: der thermische Speicher, der die in der Druckluft enthaltene Wärme aufnimmt, solange der Druckluftspeicher geladen ist (siehe Textbox unten). Der Wärmespeicher ist von fast schon enttäuschender Einfachheit: eine 10 m lange, gut 2 m breite und fast 3 m hohe Betonwanne, angefüllt mit 44 m3 Steinen von ca. 2 cm Durchmesser, wie sie in jedem Fluss vorkommen. Die heisse Druckluft durchströmt während des Ladevorgangs das Gesteinsbett und gibt die Wärme an die Steine ab. So einfach das Prinzip des Wärmespeichers – Auslegung und Bau sind höchst anspruchsvoll. Die Form musste thermodynamisch und mechanisch optimiert werden, und im Inneren kommen speziell entwickelte Betonziegel zum Einsatz, die hohe Temperaturen aushalten und sich der mechanischen Belastung der Steine widersetzen müssen. Ist der Speicher geladen, sind hier zwei Drittel der Energie als Wärme gespeichert, das restliche Drittel in der Druckluft. Der Ladevorgang dauert (wie später der Entladevorgang) bis zu 60 Stunden. Die Temperatur in der Druckkammer erhöht sich beim Laden von den 18 °C, die hier im Fels normalerweise herrschen, auf 21 bis 23 °C.

Die Testanlage einschliesslich Wärmespeicher ist mit einem Netz von rund 150 Messsensoren ausgerüstet, die während der Versuche Temperatur, Druck und weitere Werte aufzeichnen und über ein Glasfaserkabel in den Kontrollraum am Stollenportal transportieren. Oberflächenextensometer zeichnen allfällige Bewegungen auf, mit denen der Fels auf die Druckerhöhung reagiert. Zudem sind in der Druckkammer 4 Kameras eingerichtet. Sie stammen aus der Unterwasserforschung und halten bis zu 100 bar Druck aus. Die beiden 'Zapfen', die den Speicher an den Stirnseiten verschliessen, werden mit speziellen Bewegungssensoren (Tachymetern) vermessen.

Kugelförmige Kavernen
Mit dieser Testanlage haben die Forscher nun nachgewiesen, dass ein adiabatischer Druckluftspeicher im Felsinnern funktionieren könnte. Bis ein Druckluftspeicher für Elektrizität tatsächlich zur Verfügung steht, sind allerdings noch wichtige Hürden zu nehmen: Der Speicher müsste vergrössert werden, damit die Speicherkapazität – heute bei 1 MWh – auf 100 MWh und mehr wächst. Zudem muss die Druckkammer um einen adiabatischen Kompressor (verwandelt beim Laden Strom in Druckluft) und die Druckluftturbine (verwandelt beim Entladen Druckluft in Strom) ergänzt werden. Klar ist dabei: Felsstollen sind für die kommerzielle Druckluftspeicherung nicht optimal geeignet. Dafür würden wohl kugelförmige Felskavernen ausgebrochen, da die Kugelform physikalisch vorteilhaft ist. Auch müssen erheblich höhere Drücke erreicht werden als die bisher realisierten 7 bar.

Das vom BFE als Pilot- und Demonstrationsprojekt unterstützte Vorhaben bei Biasca hat wichtige Erkenntnisse hervorgebracht. Auf der Grundlage dieses Wissen wird die Firma Alacaes nun entscheiden, ob sie den Bau eines adiabatischen Druckluftspeicher anpackt. Dazu Francesco Bolgiani, Präsident des Alacaes-Verwaltungsrats: „Wir sind in fortgeschrittenen Gesprächen mit internationalen Spitzenakteuren, um die nächsten Schritte zu definieren.“ Die Promotoren beziffern die Speicherkosten in einem kommerziellen Druckluftspeicher auf 150 EUR/kWh installierte Kapazität, deutlich weniger als eine Batterie (1000 EUR/kWh).

  • Weitere Auskünfte zu dem Projekt erteilt Roland Brüniger (roland.brueniger[at]r-brueniger-ag.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Elektrizitätstechnologien.
  • Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Elektrizitätstechnologien finden Sie unter: www.bfe.admin.ch/CT/strom.

Wie der adiabatische Druckluftspeicher funktioniert

Das Prinzip eines Druckluftspeichers ist denkbar einfach: Die elektrische Energie, die man speichern will, wird für den Betrieb eines Kompressors genutzt, der Druckluft erzeugt, die dann in einem Speichergefäss gelagert wird. Will man den Druckluftspeicher entladen, lässt man die Druckluft über eine Turbine entweichen, die dann einen Stromgenerator antreibt. Berechnungen zeigen, dass man mit einem kugelförmigen Druckluftspeicher von 46 m Durchmesser 500 MWh Strom speichern könnte. Diese Strommenge reicht aus, um den Strombedarf einer Stadt von der Grösse Luganos während zwölf Stunden zu decken. Ein solcher Speicher hätte eine (Mindest-) Lade-/Entladezeit von 3 bis 4 Stunden und würde mit einem Wirkungsgrad von über 70% arbeiten.

In der praktischen Umsetzung hält der Druckluftspeicher noch etliche Herausforderungen parat: Wer Luft verdichtet – siehe Velopumpe – erzeugt auch Wärme. Das bedeutet, dass die Elektrizität zum Betrieb des Kompressors nicht nur in Druckluft, sondern auch in Wärme umgewandelt wird, und das sogar in einem erheblichen Ausmass von ca. 60%. Damit diese Wärmeenergie nicht nutzlos verpufft, dient ein Wärmespeicher innerhalb des Neat-Stollens. Dort wird die Wärme aufgehoben, bis der Speicher entladen wird. Bei der Entspannung der Druckluft wird diese Wärme wieder aufgenommen und in Elektrizität rückverwandelt.

Dieser Typ von Druckluftspeicher – genau genommen müsste man von einem Wärme-Druckluft-Speicher sprechen – gibt also bei der Ladung (Kompression der Luft) keine Wärme an die Umgebung ausserhalb des Druckluftspeichers ab und nimmt bei der Entladung (Dekompression) keine Wärme von aussen auf. Diese Arbeitsweise wird als 'adiabatisch' bezeichnet. Adiabatische Druckluftspeicher versprechen Wirkungsgrade von bis zu 75%. Den ersten Druckluftspeicher dieser Art mit einem Speichervolumen von 360 MWh wollte der deutsche Energieversorger RWE im ostdeutschen Stassfurt in einem ausgedienten Salzbergwerk bauen. Im Frühjahr 2015 wurde das Projekt wegen fehlender Marktperspektiven gestoppt.

Weltweit existieren bisher zwei Druckluftspeicher. Eine Anlage steht seit 1978 in Huntorf (Niedersachsen), seit 1991 eine zweite Anlage in McIntosh im US-Bundesstaat Alabama. Beide Specher arbeiten aber nicht adiabatisch, sondern in beiden Fällen wird die Luft bei der Entspannung mittels Erdgas erhitzt. Aufgrund der Zuführung fossiler Energien liegt der Wirkungsgrad mit 40% (Huntorf) bzw. 52% (McIntosh) relativ niedrig, zudem entstehen CO2-Emissionen. BV



Tessiner Vision

Hinter dem Tessiner Pilot- und Demonstrationsprojekt zur Entwicklung eines adiabatischen Druckluftspeichers steht die Firma ALACAES SA mit Sitz in Biasca (TI). ALACAES gehört mehrheitlich der Firma Airlight Energy Holding SA (ebenfalls Biasca), die 2007 gegründet wurde und im Bereich Solartechnologien und Energiespeicherung tätig ist. Das Tunnelbau-Ingenieursunternehmen Amberg Engineering AG ist mit 20%, das Planungs- und Bauunternehmen Lombardi SA mit 10% an ALACAES beteiligt. ALACAES wurde 2012 gegründet mit dem Ziel, einen adiabatischen Druckluftspeicher zu bauen. Die Hauptaktivität war das Forschungsprojekt im ehemaligen Neat-Stollen bei Biasca.

Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesamt für Energie im Rahmen seines P+D-Programms gefördert, darüber hinaus auch vom Schweizerischen Nationalfonds. Fachliche Begleitung erfährt das Projekt durch das Swiss Competence Center in Energy Research (SCCER) 'Heat & Electricity Storage'. ETH Zürich und die Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) unterstützen die Datenauswertung.

©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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