Dank neuer Photovoltaikfassade wir das 1982 erstellte Gebäude zum Plus-Energie-Haus. Bild: Viridén + Partner AG

Die fassadenintegrierten Photovoltaikpanele ermöglichen relativ hohe Erträge auch im Winter. Die Darstellung im zeitlichen Verlauf von Solarstromerzeugung und Energieverbrauch. ©Grafik: Viridén + Partner AG

Detail der stromproduzierenden Fassade, die sich in keiner Weise von einer herkömmlichen Galsfassade unterscheidet. Ausser eben, dass sie Strom produziert. ©Bild: Viridén + Partner AG

Projektleiter Karl Viridén: «Die Fassade kann während den Übergangszeiten im Frühling und Herbst einen wesentlichen Beitrag zum Strombedarf der Mieterschaft und für die Gebäudeversorgung leisten.» ©Bild: T. Rütti

Voll im Umbruch: Mehrfamilienhaus «Hofwiesenstrasse/Rothstrasse» in Zürich. Bild: Toni Rütti

Gemeinsam mit Vertretern des Bundes und des Kantons Zürich hat ein Konsortium privater Investoren und Unternehmen das nationale Leuchtturmprojekt mitten in der Stadt Zürich vorgestellt. ©Bild: T. Rütti

Das Projektteam besteht aus Investoren und Unternehmen, die beachtliche Eigenleistungen erbringen. Unterstützt wird das Projekt vom Bundesamt für Energie (BFE), dem Kanton Zürich (AWEL), ewz und der EcoRenova AG. ©Bild: Viridén + Partner AG

Farbige Solarfassade: Neue Module ermöglichen Plus-Energie-Haus mitten in der Stadt

(©TR) Dank einer neuen Fassade, bestückt mit Photovoltaikmodulen aus monokristalinen Zellen mit matter Oberfläche, wird das 1982 erstellte Mehrfamilienhaus «Hofwiesenstrasse/Rothstrasse» in Zürich zum Plus-Energie-Gebäude. Im Keller des vom BFE unterstütztes Leuchtturmprojekts wird der Strom in Batterien gespeichert.


Mit der Energiezukunft kann man auch im urbanen, dicht besiedelten Gebiet loslegen: Dort, wo in Zürich die Hofwiesenstrasse auf die Rothstrasse trifft und noch in Sichtweite des Schaffhauserplatzes wird derzeit ein Wohnhaus rundum in eine neuartiger Glasfassade gepackt. Die Fassade produziert – scheinbar nur so nebenher – noch Energie. Eingesetzt wird dazu erstmals ein Fassadensystem, das Energie in Form von Solarstrom erzeugt. Dass sich dies optimal ins Gebäude und auch in die innerstädtische Siedlungsumgebung integrieren lässt, wurde den Medien am 19. April 2016 demonstriert. «Kernstück dieser Schweizer Premiere ist das Photovoltaikmodul aus monokristalinen Zellen mit matter Oberfläche; quasi im Sandwichverfahren wurden Photovoltaikmodule in die Glasfassade integriert. Die Farbe kann unterschiedlich gewählt werden. Zwar hebt sich die Materialisierung von den benachbarten, verputzten Hauswänden ab, doch der dezente, grau-grüne Farbton passt die erneuerte Fassade dennoch optisch in die Umgebung ein», zitieren wir Karl Viridén, Projektleiter dieses BFE-Leuchtturmprojekts. Das Produkt wurde von PVP Photovoltaik GmbH in Wies in Österreich entwickelt.
A-8551 Wies

Knapp ein Fünftel der Stromproduktion als Überschüsse
Auch die Leistungswerte der innovativen Glasfassade lassen aufhorchen: Insgesamt erzeugen Fassaden- und Dachflächen so viel Solarstrom, dass die jährliche Energiebilanz für die Bereitstellung des Raumklimas, die Beleuchtung sowie weitere Anwendungen in den 30 Wohn- und Büroeinheiten positiv ausfällt. In der Energiebilanz eingerechnet sind der Heizwärme- und der Warmwasserbedarf, die Beleuchtung, haustechnische Hilfsgeräte, sowie Haushaltsgeräte (Durchschnittswerte für den privaten Stromkonsum). Knapp ein Fünftel der Stromproduktion sollte als Überschüsse ins Stromnetz des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich (ewz) eingespeist werden könnte – so die Erwartungen. «Die Fassade kann auch während den Übergangszeiten im Frühling und Herbst einen wesentlichen Beitrag zum Strombedarf der Mieterschaft und für die Gebäudeversorgung leisten», betonte der Geschäftsleiter der Viridén + Partner AG, Karl Viridén.

Gleichmässigere Erträge Fassaden
Die Herausforderung in der dezentralen und erneuerbaren Energieversorgung liegt vor allem darin, dass Solarstrom hauptsächlich in den Sommermonaten produziert wird, während der Verbrauch in den Wintermonaten meist höher liegt. Kombinierte Photovoltaik-Anlagen mit unterschiedlicher Ausrichtung sollen diese Divergenzen ausgleichen: Dachanlagen haben einen eindeutigen «Ertrags-Peak» im Sommer. Bei PV-Module an Gebäudefassaden sind die Einstrahlwinkel dagegen geringer; folglich liefern sie im Jahresverlauf gleichmässigere Erträge, mit jeweils kleineren «Peaks» im Frühling respektive Herbst. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach ist seit April in Betrieb; die Photovoltaikanlage an allen Gebäudefassaden soll im Mai in Betrieb genommen werden.

Eine maximale Eigenbedarfsabdeckung

Der Umbau des Mehrfamilienhauses wird nicht nur für die lokale Energieproduktion genutzt. Sondern: Sie ist gleichzeitig der passende Anlass, um ein nachhaltiges und genügsames Energie- und Verdichtungskonzept umzusetzen. Die Erneuerung der Gebäudehülle mit optimaler Wärmedämmung und eine Wärmeversorgung mit effizienter Wärmepumpe soll den Heizenergiebedarf um sage und schreibe 88 % reduzieren. Das vierstöckige Eckhaus mit Baujahr 1982 konsumierte bislang 107 kWh/m2, was man in einen theoretischen Heizölbedarf von über 10 l/m2 umgerechnen kann. Nach er Erneuerung soll der Kennwert auf 13 kWh/m2 gesenkt werden, was dem Niveau des Minergie-P-Gebäudelabels entsprechen dürfte. Eine Zertifizierung ist jedoch laut Leuchtturm-Projektleiter Viridén nicht geplant. «Trotz Aufstockung um zwei Geschosse mit insgesamt 8 Wohnungen und der Erhöhung der beheizbaren Nutzfläche kann, wenn alles wunschgemäss läuft, ein absoluter Spareffekt von markanten 84 % erreicht werden.» Ein weiteres Ziel des Projekts: die maximale Eigenbedarfsabdeckung. Möglichst viel des am Gebäude produzierten Stroms soll zeitnah vor Ort genutzt werden, entweder direkt oder nach der Zwischenspeicherung mittels Batterie. Für den Betrieb des MFH Hofwiesenstrasse/Rothstrasse wird ab 2018, nach der ersten Nutzungsperiode, ein Stromspeichersystem mit Batterie eingesetzt. Der Kapazitätsbedarf und die Dimensionierung des Elektrospeichers sollen auf die ersten Ergebnisse von Stromproduktion und Nutzerverbrauch abgestimmt werden.

Die Haustechnik wird vollständig erneuert
Die Aufstockung um zwei Geschosse erfolgt in Holzelementbauweise. Die bestehenden Balkone werden grösstenteils entfernt und danach abgekoppelt sowie thermisch getrennt von der tragenden Gebäudestruktur neu erstellt. Zudem wird die Haustechnik vollständig erneuert: Die Heizenergie wird mit einer Luft/Wasser-Wärmepumpe erzeugt, wozu die Umgebungsluft als Energiequelle genutzt wird. Die Wohnungslüftung erfolgt über ein zentrales Lüftungsgerät. Die Umsetzung der nachhaltigen und innovativen Gebäudeerneuerung endet nicht mit dem Abschluss der Bauarbeiten an der Ecke Hofwiesenstrasse/Rothstrasse, sondern soll in einer wissenschaftlichen Praxisanalyse bis 2018 fortgesetzt werden. Nach Bezug der Wohnungen Ende September 2016 sollen Haustechnik und Messinstallationen justiert werden, so dass dieser PlusEnergieBau spätestens Ende 2016 seinem Namen gerecht werden kann. Ab 2017 startet die zweijährige Messperiode, wobei nach dem ersten Betriebsjahr ein Stromspeichersystem integriert wird. Die wissenschaftliche Auswertung des Praxistests wird 2019 präsentiert.

Pilot- und Demonstrationsprojekt
Das von einem privaten Konsortium unter Federführung der Viridén + Partner AG geplante und realisierte Vorhaben ist ein öffentlich gefördertes Pilot- und Demonstrationsprojekt. Gerade weil es vom Bundesamt für Energie (BFE) ins Leuchtturmprogramm aufgenommen wurde, dürfte wird die marktnahe Entwicklung von innovativen Technologien und Lösungen im Cleantech-Bereich vorangetrieben und die Umsetzung der Energiestrategie 2050 unterstützt werden. «BFE-Leuchtturmprojekte wie diese Gebäudeerneuerung zeigen auf, wie sich die Energiezukunft der Schweiz gestalten kann», erklärt BFE-Direktor Walter Steinmann gegenüber den Medien. Auch der Kanton Zürich strebt ambitionierte Ziele für die Energieversorgung der bevölkerungsreichsten Region der Schweiz an. Die Senkung des CO2-Ausstosses bis ins Jahr 2050 auf 2.2 Tonnen pro Kopf und Jahr ist gesetzlich festgeschrieben. «Wir unterstützen das nachhaltige Sanierungsprojekt, weil es eine nachahmenswerte Lösung für Fassaden integrierte Photovoltaik-Anlagen präsentiert», bestätigt Hansruedi Kunz, Abteilungsleiter Energie und stellvertretender Amtschef beim Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft AWEL des Kantons Zürich. Auch das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich beteiligt sich, «weil die Umsetzung der erneuerbaren Energiezukunft auf der Niederspannungsebene stattfinden wird», betont Benedikt Loepfe, Stellvertretender ewz-Direktor. Das ewz will erklärtermassen weitere Erkenntnisse gewinnen, etwa wie der Eigenverbrauch von produzierter Energie an Ort und Stelle möglichst zeitgleich gelingen kann und wie ein optimales Energiemanagement im Stromnetz innerhalb bestimmter Grenzen, innerhalb des «Quartiernetz», funktioniert.


Wer steckt hinter dem Projekt?
Das Projektteam besteht aus Investoren und Unternehmen, die beachtliche Eigenleistungen erbringen. Unterstützt wird das Projekt vom Bundesamt für Energie (BFE), dem Kanton Zürich (AWEL), ewz und der EcoRenova AG. Die EcoRenova AG hat das Nutzungsrecht der Photovoltaikanlagen an Fassade und Dach von den Privateigentümern der Liegenschaft erworben. Das Leuchtturm-Projektteam: Viridén + Partner AG (Projektleitung); Diethelm Fassadenbau AG, Hermetschwil; Elektrizitätswerke der Stadt Zürich (ewz); e4plus AG, Kriens; Gasser Fassadentechnik AG, St. Gallen; Zurfluh Lottenbach GmbH, Luzern.


Fakten zum Projekt

  • Baujahr 1982 des MFH Hofwiesenstrasse/Rothstrasse
  • Erneuerung: Juli 2015 bis August 2016
  • Nutzung bestehend: 20 Wohnungen; 2 Büroeinheiten
  • Nutzung, neu: 28 Wohnungen; 2 Büroeinheiten
  • Energiebezugsfläche, bestehend: 2'112 m2
  • Energiebezugsfläche, neu: 2'870 m2
  • Heizwärmebedarf (Qh), bestehend: 107 kWh/m2
  • Heizwärmebedarf (Qh) neu/geplant: 13 kWh/m2

Energieerzeugung

  • Strom: Photovoltaik, ab 2018 mit Speichersystem
  • Aktive Glasfassade rund um das ganze Gebäude: 1’535 m2 / Solardach: 165 m2
  • Thermische Sonnenkollektoren: 15,4 m2
  • Heizwärme / Warmwasser: Splitt-Luft-Wasser-Wärmepumpe

Zeitplan Leuchtturmprojekt

  • Solardach: Inbetriebnahme per 13. April 2016 (angemeldet für den Solarpreis der Solaragentur)
  • Aktive Glasfassade rund um das ganze Gebäude: Montage April / Mai 2016
  • Gebäudeerneuerung: Abschluss August 2016
  • Wohnungsbezug: September 2016
  • Monitoring: Messperiode 2017 (ohne Stromspeicherung); Messperiode 2018 (mit Stromspeicherung)
  • Abschlussbericht zum BFE-Leuchtturmprojekt bis Sommer 2019

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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2 Kommentare

Karl Viridén

Im Fassadenmodul spielen die Kosten der monokristallinen Zellen eine untergeordnete Rolle.

Mit der ausgewählten Farbe und Deckungsgrad haben wir eine Leistung von 110 W/m2. An der unbeschatteten Süd- und Westfassade rechnen wir mit 80 kWh/m2 a.
Auf dem Dach sollte 110 bis 120 kWh/m2 a erreichbar sein.

Wir hatten Muster, die gar 130 W/m2 erbrachten, doch da passte uns der Farbton nicht.

In einem halben Jahr sollten diese Werte jedoch realistisch sein.

Ueli Wieland

Dieses Projekt ist absolut beeindruckend und zeigt auf, was heutzutage möglich ist. Ich bin erstaunt, dass für die aktive Glasfassade monokristalline Solarzellen verwendet wurden, welche bekanntlicherweise nicht billig sind. Welche durchschnittliche Stromproduktion pro m2 Glasfassade resp. Solardach wird erwartet?

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