Der Swisscom Businesspark eines der grössten Minergie-P eco-Gebäude der Schweiz. Sein CO2-gesteuertes, passives Lüftungskonzept ist einzigartig. ©Bild: D. Uldry

Rund 230 Teilnehmer der Fachtagung von eco-bau und dem Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS) wollten erfahren, wie viel Technik ein nachhaltiges Bauen erfordert beziehungsweise verträgt. ©Bild: T. Rütti

Eingeführt in die breit gefächerte Lowtech- und Hightech-Problematik wurden die Tagungsbesucher von Kuno Schumacher, Immobilien Kanton Aargau und Vorstandsmitglied von eco-bau und NNBS. ©Bild: T. Rütti

Karin Frick vom Gottlieb Duttweiler Institut: «Ernüchternd ist, dass sich die Nachfrage nach hochautomatisierte Gebäuden momentan noch in Grenzen hält, herrscht doch zum Teil ein allgemeines Desinteresse vor.» ©Bild: T. Rütti

Volker Ritter von der Hochschule Darmstadt: «Im Grunde genommen krankt die Diskussion um Low- oder Hightech schon daran, dass die Begriffe nicht hinlänglich definiert sind.» ©Bild: T. Rütti

Martin Meier von Ernst Basler + Partner: «Das aus unkonventionellen Lösungen bestehende System war nur zu beherrschen, weil bei der Swisscom-Gebäude-Planung ausgiebige Simulationen gerechnet wurden.» ©Bild: T. Rütti

Werner Hässig von der hässig sustech gmbh: «Je dichter die Belegung des Schulzimmers ist und je anonymer der Schulbetrieb abläuft, umso eher braucht es ein selbsttätiges Lüftungssystem.» ©Bild: T. Rütti

Philipp Deflorin von der Firma Ernst Basler + Partner (EBP): «Mit der altbekannten Pausenlüftung sowie einem flinken Heizsystem lässt sich im Klassenraum eine hohe Effizienz erzielen.» ©Bild: T. Rütti

Jürg Spring, Bereichsleiter Bauherrenvertreter/Beratung Swisscom AG: «Diese Telekommunikationsfirma ist mit rund 13‘000 Objekten, darunter 1‘000 Betriebsliegenschaften und 90 Bürogebäuden, eine der Grossen in der Immobilienbranche.» ©Bild: T. Rütti

Andreas Hofer von der «Baugenossenschaft mehr als wohnen» informierte in seinem Referat «Lowtech im Wohnbau – das Hunziker-Areal» über die Erfahrungen mit der Grossüberbauung in Zürich. ©Bild: T. Rütti

eco-bau und NNBS: Wie viel Technik erfordert nachhaltiges Bauen?

(©TR) Knotenpunkt der Fachtagung von eco-bau und dem Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS) vom 17. März war die Frage, wie viel Technik ein nachhaltiges Gebäude braucht respektive verträgt. Die Referate spannten einen weiten Bogen von neusten Forschungsergebnissen über grundsätzliche Philosophien und Konzepte zum Umgang mit Technik am Bau bis hin zu den Erfahrungen mit bereits realisierten zukunftsfähigen Projekten.


Dass das Gros der Bevölkerung und potenziellen Nutzer einem Zuviel an hochkomplizierter Technik auch skeptisch und abwartend gegenüber stehen kann, wurde in Ittigen bei Bern nicht verschwiegen. In der Gebäudetechnik wird von Lowtech und Hightech gesprochen, wenn es um die Ausrüstung der Gebäude, die Bauweise oder die verbauten Materialien geht. Zukunftsfähige Gebäude verbrauchen über ihren Lebenszyklus betrachtet weniger Ressourcen als traditionelle Bauten, werden sie doch auch weitgehend mit erneuerbaren Energien betrieben. Auch produzieren sie weniger Treibhausgase dank einer optimierten Gebäudetechnik sowie weil sie thermisch optimal konzipiert wurden – im Idealfall. Damit befasste sich die mit 230 Teilnehmern ausgebuchte Fachtagung. Eingeführt in die Lowtech- und Hightech-Problematik, die so reich an unterschiedlichsten und zum Teil kontrovers diskutierten Aspekten ist, wurden die Tagungsbesucher von Kuno Schumacher, Immobilien Kanton Aargau und Vorstandsmitglied von eco-bau und NNBS.

Nur keine Störungsanfälligkeit und ein Zuviel an Kinderkrankheiten
Eine Stossrichtung bei den Expertenmeinungen war an der Veranstaltung im Haus des Sports in Ittigen bei Bern unverkennbar: Nicht zuletzt dank einer quasi leistungssportlich ambitionierten und adäquaten, wenn nicht gar sehr futuristisch anmutenden Gebäudetechnik sollten sich die ambitionierten Energiestrategie-Ziele 2050 erreichen lassen! Vorausgesetzt, das Ganze kommt für die Mehrzahl der Nutzer nachvollziehbar und einigermassen verständlich statt zu kompliziert daher! Anwenderfreundlichkeit heisst das Zauberwort. Störungsanfälligkeit und ein Zuviel an Kinderkrankheiten würden indessen die Gewinne durch alle technologischen Fortschritte wieder zunichte machen.

Brach liegendes Potenzial flächendeckend ausschöpfen

Laut Energie Schweiz gehen immerhin rund 45% des Schweizer Energiebedarfs aufs Konto der Gebäude, womit sie bei der Umsetzung der Energiestrategie zu einem Haupteinflussfaktor werden. Das grosse, im Bereich der Gebäudetechnik noch brach liegende Potenzial soll künftig flächendeckend ausgeschöpft werden, war man sich in Ittigen einig. In Blockveranstaltungen und selbstverständlich auch in den Pausengesprächen wurde diskutiert und spekuliert über Aspekte wie Energieeffizienz dank Gebäudeautomation, eine optimale Steuerung am Beispiel eines sommerlichen Wärmeschutzes oder der Eigenenergieverbrauch der Gebäudeautomation. Erörtert wurden zudem realisierte Projekte wie die Berner Wohnüberbauung Stöckacker Süd – ein 2000-Watt-Areal, die Lowtech-Sanierung der Siedlung Dettenbühl in Wettswil am Albis, das Gebäude 2226 in Lustenau, das Gebäude der Zukunft Hilo by NEST (Dübendorf), die Umweltbilanz von Hightech- und Lowtech-Gebäuden, Schulzimmer mit Hightech- oder aber Lowtech-Lüftung.

Lüftungstechnologie im Klassenzimmer
Werner Hässig von der hässig sustech gmbh inszenierte eine Auslegeordnung der Lüftungsmöglichkeiten in Hightech- oder eben Lowtech-Schulzimmern. Offenbar weisen Primarschulen eine viel kleinere Notwendigkeit für ein Hightech-Lüftungssysteme aus als etwa Kantonsschulen. Oder im Umkehrschluss: Je dichter die Belegung ist und je anonymer der Schulbetrieb abläuft, umso eher braucht es ein selbsttätiges Lüftungssystem, um das sich kein Schüler und kein Lehrer kümmern muss. Philipp Deflorin machte den Tagungsteilnehmern die Lüftungs-Konzept der Firma Ernst Basler + Partner (EBP) beliebt: «Gebäudehülle und Gebäudestruktur müssen ihren Anteil an der Klimatisierung übernehmen. Mit einer kontrollierten, natürlichen Stosslüftung – der altbekannten Pausenlüftung – sowie einem flinken Heizsystem lässt sich im Klassenraum eine hohe Effizienz erzielen.»

Wird «Smart Home 2030» ähnlich ablaufen wie damals bei den Smartphones?

Karin Frick vom Gottlieb Duttweiler Institut (Rüschlikon) berichtete über die Erkenntnisse der Studie «Smart Home 2030». Ernüchternd sei, dass sich die Nachfrage nach hochautomatisierte Gebäuden momentan noch «in Grenzen hält», herrsche doch zum Teil ein allgemeines Desinteresse vor. Also lassen die Anbieter jetzt nichts unversucht, in der Bevölkerung das Interesse an der Hochautomatisierung der Gebäude zu wecken. Karin Frick vermutet, dass es bei beim energieeffizienten «Smart Home 2030» ähnlich ablaufen könnte, wie bei den Smartphones: «Ganz am Anfang wollte es fast niemand haben. Und heute kann und will niemand mehr darauf verzichten. Für die Branche heisst dies: gerüstet sein, kooperieren und den Markt besetzen, bevor es ausländische Grosskonzerne tun.»

Low- oder Hightech: Sind diese Begriffe hinlänglich definiert?

Volker Ritter von der Hochschule Darmstadt ergänzte den Blick in die Forschung mit Erkenntnissen aus der qualitativen Studie der Uni Liechtenstein zum Thema «Wie viel Technik braucht das nachhaltige Haus?». «Im Grunde genommen», so Architekt und Forscher Ritter, «krankt die Diskussion um Low- oder Hightech schon daran, dass die Begriffe nicht hinlänglich definiert sind. Noch lassen sie sich nur projektbezogen und anhand des Lebenszyklus festmachen.» Wie vor ihm schon Karin Frick, stellte auch er fest, dass sowohl die Bauherren als auch Architekten und Planenden einem forcierten Einsatz von Technik eher skeptisch gegenüberstehen. «Sie befürchten etwa zu hohe Kosten, einen zu komplizierten Betrieb und mangelnde Nachfrage auf dem Käufer- respektive Nutzermarkt.» Es komme indessen auch immer wieder vor, dass schlecht konzipierte oder mangelhaft auf ihren Standort abgestimmte Gebäude erst durch sehr viel Technik wirklich gebrauchsfähig gemacht würden. Folgerichtig forderte Volker Ritter ein Zurück zu standort- und klimazonengerecht geplanten beziehungsweise «autochthonen» Gebäuden.

Vor dem Bau viel rechnen und simulieren

Andreas Hofer von der «Baugenossenschaft mehr als wohnen» informierte in seinem Referat «Lowtech im Wohnbau – das Hunziker-Areal» über die Erfahrungen mit der Grossüberbauung in Zürich. Dort wurden auf dem ehemaligen Industrieareal 10 Wohngebäude mit unterschiedlichen technischen Konzepten hochgezogen. Im Vordergrund stand dabei stets die Maxime, die Häuser von der Architektur her so robust zu planen, dass sie auch mit einfacher Technik funktionieren. «Das bedingt aber, dass man vor dem Bau viel rechnet und simuliert und vor allem die künftigen Nutzer einbindet, und ihre Wünsche berücksichtigt.» Nachhaltigkeit lasse sich zudem generieren, indem der bauliche Aufwand optimiert werde. Hierzu zählt Andreas Hofer etwa die Materialstärken von Decken und Wänden, aber auch der Anteil an Untergeschossen, beispielsweise in Form von Tiefgaragen.

Swisscom-Businesspark: Low- als auch Hightech
Jürg Spring, Bereichsleiter Bauherrenvertreter/Beratung Swisscom AG, führte die Teilnehmer ans «Objekt des Tages», den Swisscom-Businesspark in Ittigen, heran (siehe ee-news.ch vom 14.8.14 >>). Dabei erfuhr man nur so nebenher, dass die Telekommunikationsfirma mit rund 13'000 Objekten, darunter 1000 Betriebsliegenschaften und 90 Bürogebäuden, hierzulande eine der Grossen in der Immobilienbranche ist. Der Businesspark selbst wurde für 1700 Arbeitsplätze dimensioniert. Für die Swisscom war von Anfang an klar, dass hier es ein Leuchtturmobjekt in Sachen Nachhaltigkeit realisiert werden sollte.

Viele unkonventionelle und ausgeklügelte Lösungen

Von Florian Lünstedt (Bern) war zu erfahren, dass das Berner 45'000-m2-Swisscom-Gebäude 130 Mio. Franken gekostet hat. Wörtlich sagte der Vertreter von Atelier 5 Architekten: «Damit gehört es, auf den Arbeitsplatz heruntergerechnet, zu den eher günstigen Bürogebäuden. Beim Businesspark wurden sowohl Low- als auch Hightech eingesetzt, insbesondere bei Heizung, Lüftung und Kühlung. Oft wurden auch beide Ansätze miteinander kombiniert.» Martin Meier von der Ernst Basler + Partner (EBP, Zürich) wies darauf hin, dass dieses System aus vielen unkonventionellen und ausgeklügelten Lösungen nur zu beherrschen gewesen sei, weil während der Planung ausgiebige Simulationen durchgerechnet wurden. «Wichtig beim Swisscom-Businesspark war aber auch, dass die Ergebnisse der Simulationen der Bauherrschaft verständlich kommuniziert werden konnten», so der EBP-Vertreter.

Mit dem Award «
Watt d'Or 2016» ausgezeichnet
Für ihr Projekt wurden das Telekommunikationsunternehmen Swisscom AG und das Ingenieur-, Planungs- und Beratungsunternehmen Ernst Basler + Partner übrigens in der Kategorie «Gebäude und Raum» gemeinsam mit dem Award «Watt d'Or 2016» ausgezeichnet. Schliesslich plädierte Martin Meier dafür, in der Diskussion anstelle von Lowtech und Hightech lieber den Begriff Smart-Tech zu verwenden: «Die Frage lautet ja nicht, ob die Technik komplex oder einfach, neu oder alt ist – funktionieren muss sie! Aus Erfahrung kann gesagt werden, dass einfache und robuste Lösungen eine umso aufwendigere Planung bedingen, wenn sie denn funktionieren sollen…»

Weitere Infos: www.eco-bau.ch, www.nnbs.ch

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news

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