Elektrolyse-Anlage an der Wasserstofftankstelle der EnBW im Stuttgarter Osten. ©Bild: DLR

An der Wasserstofftankstelle der EnBW im Stuttgarter Osten tanken regelmässig schon Brennstoffzellenautos und -busse von Pilotflotten. ©Bild: DLR

DLR: Wärme, Strom, Verkehr durch Energiespeicher verknüpfen

(DLR) Die Dekarbonisierung der Energieversorgung – sprich der Verzicht auf kohlenstoffhaltige Energieträger und der Ausbau der erneuerbaren Energien – ist ohne Speicher nicht denkbar. Beim fünften Stuttgarter EnergieSpeicherSymposium des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) diskutierten am 24. Februar 2016 mehr als 100 Vertreter aus Industrie, Politik und Wissenschaft über aktuelle Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Energiespeicher.


Im Fokus standen Ansätze, wie die Bereiche Wärme, Strom und Verkehr mit Hilfe von Speicher möglichst effizient verbunden werden können, um Energie bestmöglich zu nutzen. Das Symposium wird veranstaltet vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik, das neue Speichertechnologien entwickelt und deren Integration in regionale, nationale und internationale Energiesysteme untersucht.

Wasserstoff zuverlässig tanken: Testanlage für PEM-Elektrolyse
Wohin mit Strom aus Windkraft, wenn die Nachfrage auf dem Strommarkt gering ist und die Netze an ihre Grenzen kommen? Ein Lösungsansatz ist die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse. Mit diesem Wasserstoff können dann zum Beispiel an Wasserstofftankstellen Brennstoffzellenautos betankt werden. Damit der mittels Elektrolyse gewonnene Wasserstoff genauso zuverlässig getankt werden kann wie Benzin und Diesel heute, untersuchen und vergleichen die DLR-Energieforscher unterschiedliche Elektrolyseverfahren – direkt vor Ort an einer bereits existierenden Wasserstofftankstelle des Energieversorgers EnBW im Stuttgarter Osten.

Polymer-Membran-Elektrolyse (PEM-Elektrolyse)
Bisher wird der dort benötigte Wasserstoff mittels alkalischer Elektrolyse bereitgestellt, einem technisch ausgereiften, langlebigen und zuverlässigen Verfahren. Zusätzlich zur existierenden Anlage bauen die DLR-Wissenschaftler eine Polymer-Membran-Elektrolyse (PEM-Elektrolyse) auf und erproben sie. "Die PEM-Elektrolyse hat unter anderem den Vorteil, dass sie von der Anlagengrösse wesentlich kompakter ist und hoch dynamisch betrieben werden kann", erklärt Projektleiter Dr. Fabian Burggraf. Alkalische Elektrolyseanlagen fahren am effizientesten unter kontinuierlicher Volllast. Im Gegensatz dazu können PEM-Elektrolyseanlagen schnell hoch- und runtergefahren, in unterschiedlichen Lastbereichen problemlos betrieben werden und auch einige Stunden Überlast verkraften. "Das sind alles sehr wichtige Eigenschaften, wenn wir in Zukunft Wasserstoff aus erneuerbaren, aber stark fluktuierenden Ressourcen wie Windkraft erzeugen wollen", fasst Burggraf zusammen.

Erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf
Gleichzeitig handelt es sich um eine vergleichsweise junge Technologie mit erheblichem Forschungs- und Entwicklungsbedarf: So will das Team um Burggraf beispielsweise herausfinden, wie sich das PEM-System im Betrieb unter realistischen Bedingungen verhält und sich Komponenten hinsichtlich ihrer Leistung, Lebensdauer und Langzeitstabilität weiter verbessern lassen. Ausserdem sollen beide Elektrolysearten in einem gekoppelten Betrieb bewertet und miteinander verglichen werden. "Die Idee liegt nahe, beide Technologien zu verbinden, also die konstante Grundversorgung der Tankstelle mit Wasserstoff aus der alkalischen Elektrolyse abzudecken und die PEM-Elektrolyse für Spitzenlasten und als Puffer bei Bedarf dazu zu schalten", erklärt Burggraf. Welche Steuerungs- und Regelungstechnik dazu notwendig ist und ob sich durch die Kopplung Synergien für den Praxiseinsatz schaffen lassen – diesen Fragen wollen die Wissenschaftler im Zuge dieses deutschlandweit einmaligen Projekts auf die Spur gehen.

Szenarien der Versorgungssicherheit in Süddeutschland
Gemeinsam mit der Universität Stuttgart haben die Systemanalytiker des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik in zwei Studien die Entwicklung der Versorgungssicherheit in Süddeutschland bis zum Jahr 2025 untersucht. Sie betrachteten dabei unter anderem die zukünftige Spitzenlast und gesichert verfügbare Erzeugungsleistung sowie die Beiträge von Stromnetzen und fluktuierenden erneuerbaren Energien. Unter Verwendung des DLR-Energiesystemmodells REMix untersuchten sie für verschiedene Szenarien im Detail, wie wahrscheinlich Deckungslücken auftreten und wie gross diese sein können.

"Die Studien zeigen, dass es unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland bis 2025 zu Versorgungsengpässen kommen kann. Ob und wann diese auftreten, hängt stark ab von der weiteren Betriebsdauer existierender Kraftwerke, aber auch dem Ausbau erneuerbarer Energien und des Stromnetzes", fasst DLR-Wissenschaftler Hans Christian Gils zusammen. Für Süddeutschland rechnen die Forscher mit Defiziten von bis zu 0. Gigawatt, was ungefähr zwei mittelgrossen Gaskraftwerken oder der Spitzenerzeugung von 150 Windenergieanlagen entspricht. Ob durch weitere Kraftwerke, Speicher, Netzausbau, Lastmanagement oder Sektorenkoppelung – wie diese Engpässe am günstigsten zu vermeiden sind, steht im Fokus zukünftiger Arbeiten.

Speicherung in flüssigen Kraftstoffen
Ein weiterer Weg, um momentan nicht benötigten Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen zu nutzen, ist die Herstellung von synthetischen flüssigen Kohlenwasserstoffen. Diese sind bei Umgebungstemperatur flüssig und nutzen – im Gegensatz zu Wasserstoff – die bereits vorhandene Tank- und Lagerinfrastruktur. Von Interesse sind sie vor allem als Treibstoff für den Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr: Sie verbrennen CO2-neutral und können in bestehenden Brennkammern und Turbinen zum Einsatz kommen. Im Zuge einer techno-ökonomischen Bewertung haben die DLR-Energieforscher mittels einer verfahrenstechnischen Prozesssimulation untersucht, welche Wege es gibt, um flüssige Kohlenwasserstoffe besonders preiswert herzustellen. Zudem analysierten sie, wie sich diese Technologie eignet, um preiswerten erneuerbaren Strom für die Energiewende im Transportsektor einzusetzen.

"Die Markteinführung wird nicht von alleine stattfinden, sondern hängt davon ab, ob die Politik die benötigten Rahmenbedingungen schafft", fasst Dr. Ralph-Uwe Dietrich zusammen. "Ein denkbarer Weg ist die stufenweise Absenkung der Treibhausgas-Minderungsquote für Raffinerieprodukte, wie sie bereits für Benzin und Diesel besteht. Die derzeit verlangten moderaten Minderungsziele sind noch relativ einfach mit herkömmlichen Biokraftstoffen zu erfüllen, dieser Weg stösst allerdings eines Tages an seine mengenmässigen Grenzen. Parallel dazu denken wir bereits jetzt über Alternativen nach, die auch für die Energieversorger interessant werden können."

Text: Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)



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