Die Heizzentrale mit dem Kessel, dem Warmwasserspeicher und dem Silo steht neben der Käserei. ©Bild: Energie Schweiz

Hans Duppenthaler, Landwirt und Vorstandsmitglied des Wärmeverbunds: «Mir ist es wichtig, umweltschonend zu arbeiten.» ©Bild: Energie Schweiz

Zufuhr zur Holzschnitzelheizung. ©Bild: Energie Schweiz

Oberaargau: Käserei beheizt das halbe Dorf

(PM) Die Erfolgsgeschichte eines Wärmeverbundes im ländlichen Oberaargau: Vier Milchbauern gründen eine einfache Gesellschaft, um den Ölkessel der Käserei Melchnau durch eine Schnitzelheizung und eine Solaranlage zu ersetzen, die bald mehr als nur die Käserei wärmen. Heute liefert der Verbund Wärme für insgesamt 29 Wohnhäuser, die Käserei, die Schulanlage, eine Bank und zwei Altersheime.


Was zu einem Erfolg geworden ist, begann im Jahr 2008 holprig: Als der Ölkessel der Käserei Melchnau in die Jahre kam, musste eine neue Lösung gefunden werden. Die Käserei-Genossenschaft prüfte Varianten, um den Wärmebedarf für die nächsten Jahre sicherzustellen. Für Landwirt und Vorstandsmitglied Hans Duppenthaler war eine Holzschnitzelheizung die optimale Lösung: «Es war mir schon immer wichtig, umweltschonend zu arbeiten und Sorge zum Boden zu tragen.» Der Vorstand schlug vor, eine grosse Schnitzelheizung zu bauen. Mit Holz aus der Region sollten neben der Käserei noch weitere Gebäude mit Wärme versorgt werden. Doch der Vorschlag wurde an der Hauptversammlung der Genossenschaft abgelehnt. «Die Mitglieder befürchteten, dass eine Schnitzelheizung teurer würde als ein Ersatz des Ölkessels», sagt Hans Duppenthaler. «Der Idee eines Wärmeverbunds waren sie nicht abgeneigt, aber das finanzielle Risiko erschien ihnen zu gross.»

Vier Initianten, ein Ziel
Vier Käsereimitglieder und Milchlieferanten gaben jedoch nicht auf. Kurzerhand gründeten Hans Duppenthaler, Werner Widmer, Peter Leuenberger und Kurt Baumann eine einfache Gesellschaft, welche die Idee des Wärmeverbundes weiterverfolgte. Die Schnitzelheizung planten sie grosszügig, sodass zahlreiche Gebäude angeschlossen werden konnten. Ihr Projekt stiess in der Umgebung rasch auf positive Resonanz. Bald meldeten auch der Kindergarten und die Schule, eine Wohnsiedlung, eine Bank, ein Restaurant und mehrere Einfamilienhäuser ihr Interesse an, sich dem neuen Wärmeverbund anzuschliessen.

Der Bau beginnt
Bereits im Winter 2008/2009 wurde mit dem Bau der Anlage begonnen. Verlegt wurde ein Leitungsnetz von rund 1700 m Länge. Die Heizzentrale selbst mit dem Kessel, den beiden Warmwasserspeichern und dem 240 m³ fassenden Silo für die Holzschnitzel kam als eigenständiges Gebäude neben der Käserei zu stehen. Im Frühling 2009 konnte die gesamte Anlage, die netto 1.4 Mio. Franken kostete, in Betrieb genommen werden. Weil die Käserei ganzjährig auf Wärme angewiesen ist, wird die Heizzentrale auch in den warmen Monaten betrieben.

Zwei Besonderheiten
Der Melchnauer Wärmeverbund beliess es nicht beim Einbau der Holzschnitzelanlage. Auf den Dachflächen der Heizzentrale und auf der benachbarten Garage installierten die vier Genossenschafter eine thermische Solaranlage. Das zusätzliche Investitionsvolumen in der Höhe von 70’000 Franken sicherten sie sich durch ein originelles Geschäft: Privatpersonen «kauften» für 1000 Franken pro m² die Dachfläche von insgesamt 70 m². Die Rückzahlung erfolgt in Form von Naturalien. Während zwölf Jahren erhalten die Beteiligten jedes Jahr einen Gutschein im Wert von 100 Franken, einzulösen bei der Chäsi Melchnau. Die zweite Besonderheit der Melchnauer Anlage ist der Rauchgaskondensator. Er gewinnt die Wärme zurück, die sonst mit den heissen Abgasen durch den Kamin entweichen würde.

Rosige Zukunftsaussichten
Heute liefert der Verbund Wärme für insgesamt 29 Wohnhäuser, die Käserei, die Schulanlage, eine Bank und zwei Altersheime. Die Leitungen zu einer geplanten Überbauung mit 35 Wohneinheiten sind bereits verlegt. Vor vier Jahren installierte der Wärmeverbund zudem eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines neuen Stalls in Busswil. Das Geschäft mit der erneuerbaren Energie läuft: Im vergangenen Jahr verkaufte der Wärmeverbund 1.3 Mio. kWh klimaneutrale Wärme. Bei Vollauslastung können in Zukunft bis 1.9 Mio. kWh produziert werden. Nach sechs Jahren Betrieb zieht Geschäftsführer Duppenthaler eine positive Bilanz: «Wir rechnen spätestens ab 2017 mit schwarzen Zahlen


Interview mit Daniel Binggeli, Fachspezialist Erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie

Daniel Binggeli, wie viele Holzheizungen gibt es in der Schweiz?
Automatische Holzschnitzelanlagen (grösser als 50 kW) gibt es rund 6000. Die meisten davon sind in kleineren oder grösseren Wärmeverbünden organisiert. Ausserdem gibt es rund 60’000 Gebäudeheizungen mit Warmwasserspeicherung und rund 540’000 Wohnraumfeuerungen.

Welche Vorteile hat eine Holzschnitzelfeuerung gegenüber anderen Heizungen? Holz gilt als CO2-neutraler Energieträger. Zudem ist Holz ein einheimischer Rohstoff, der nachwächst. Man ist also nicht abhängig von ausländischer Energie. Die Versorgungssicherheit ist damit gewährleistet.

Gibt es auch Nachteile?
Der Arbeitsaufwand: Ein- oder zweimal pro Woche muss man nachschauen, ob noch genügend Schnitzel vorhanden sind, eventuell den Kessel reinigen oder die Asche austragen. Das dauert allerdings maximal eine Stunde. Die Lufthygiene ist ebenfalls ein Thema. Die Luftreinhalte-Verordnung zur Begrenzung der Emissionen, die alle Holzheizungen einhalten müssen, ist bereits streng. Dennoch wird daran gearbeitet, die Schadstoffe bei der Verbrennung weiter zu minimieren.

Wem empfehlen Sie eine Holzschnitzelanlage?
Jedem, der selber Holz beziehungsweise Wald besitzt, oder der die Möglichkeit hat, sich einem Wärmeverbund anzuschliessen. Und Leuten, denen es wichtig ist, CO2-neutral zu heizen und lokal produzierte Energie zu verwenden.

Wie viel kostet der Einbau?
Das ist ganz unterschiedlich. Das reicht von einigen 10’000 Franken für die private Heizung eines Bauernbetriebs bis zu siebenstelligen Beträgen für einen grossen Wärmeverbund.

Gibt es Fördermassnahmen für Schnitzelheizungen?
Für die Förderung im Wärmebereich sind die Kantone zuständig. Der Bund leistet Globalbeiträge an die Förderprogramme der Kantone. Wichtigstes Instrument in diesem Bereich ist das Gebäudeprogramm >>. In ländlichen Kantonen erhält man eher Beiträge für Holzschnitzelanlagen.

Text: Energie Schweiz

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