Erst etwa 60 % der vom Reaktorunfall von Fukushima-Daiichi betroffenen Gemeinden sind der Verpflichtung, Evakuationspläne für den Fall einer nuklearen Katastrophe zu erstellen, bisher nachgekommen. ©Bild: SES

Japan: Evakuationsplanung – Empfängergemeinden sind nicht bereit

(©KT/SES) Dreieinhalb Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima-Daiichi leben noch immer über 120‘000 Menschen fern ihrer Heimat, innerhalb und ausserhalb der Präfektur Fukushima. Evakuationspläne haben erst etwa 60 % der betroffenen Gemeinden erarbeitet.


Nach dem Reaktorunfall von Fukushima-Daiichi hat die japanische Regierung alle Gemeinden, welche im Umkreis von 30 Kilometer eines AKW liegen, dazu verpflichtet, Evakuationspläne für den Fall einer nuklearen Katastrophe zu erstellen. Darin sollten beispielweise die Evakuationswege und Aufnahmegebiete ebenso wie die Transportmittel definiert werden. Etwa 60 % der betroffenen Gemeinden sind dieser Verpflichtung bisher nachgekommen.

Nur 13 % sind bereit
Anders sieht es bei den Aufnahmegemeinden aus. Nach einer Umfrage der grossen Tageszeitung Mainichi Shinbun, haben bis Ende Juli nur etwa 13 % der betroffenen 362 Gemeinden in 25 Präfekturen ihre Hausaufgaben gemacht. Das heisst: Niemand weiss konkret, wie, wo und wieviel Katastrophenflüchtlinge aufgenommen und betreut werden sollen.

Ist die kurzfristige Evakuation schon eine logistische und menschliche Herkulesaufgabe, so ist die langandauernde Evakuation noch viel schwerer vorzuplanen. Während für Kurzzeitaufenthalte auch die finanziellen Aufwendungen für Unterkunft, Nahrung, Wasser, Hygiene oder Energie tragbar erscheinen, so bedeuten Langzeitlösungen – wie aktuell im Fall Fukushima – einen immensen finanziellen Aufwand. Die meisten Aufnahmegemeinden wissen auch nicht, wie und wo die evakuierten Menschen von der Strahlung dekontaminiert werden solllen.

Nur Schreibtischlogik
«Evakuationsplanung ohne Planung durch die Aufnahmegemeinden ist nur Schreibtischlogik», kommentiert Naomi Kamioka vom UmweltWirtschaftsInstitut in einem Interview mit Mainichi Shinbun. Die Aufnahmegemeinden erhalten für Planung und Vorbereitung keinerlei finanzielle Unterstützung durch den japanischen Staat. Nach dem geltenden Kernkraft-Entschädigungsgesetz sind im Katastrophenfall Kosten von den AKW-Betreibern zu übernehmen.

Präfekturgrenzen überschreiten
Manche vorgesehene Evakuation wird auch die Präfekturgrenzen überschreiten, etwa beim AKW Tokai-Daini in Ibaraghi mit nahezu einer Million EinwohnerInnen in der 30-km-Zone. Diese Menschen müssten in fünf fremden Präfekturen untergebracht werden. Wie die grenzübergreifende Koordination im Ernstfall funktionieren soll, ist noch unklar.

Unklare Evakuation von Pflegebedürftigen
Unklar ist auch noch immer, wie die Evakuation von Pflegebedürftigen und Kranken vor sich gehen soll. Der Gouverneur der Präfektur Kagoshima, in der ein erstes AKW nun die grundsätzliche Zusage für das Wiederhochfahren vom japanischen Sicherheitsamt (NRA) erhalten hat, kommentiert, Evakuierungspläne für Pflegebedürftige ausserhalb der 10-km-Zone seien gar nicht nötig.

©Text: von Kaori Takigawa-Wassmann im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung, Quelle: Mainichi Shinbun, Tokyo Shinbun, Toyo-Keizai online

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