Gemüsebauer Hansjörg Grob in einem der Gewächshäuser, die er ab 2014 mit Erdwärme heizen wird. Foto: Benedikt Vogel

In dem blauen Tank kann das Warmwasser aus der Tiefe zwischengespeichert werden. Foto: Benedikt Vogel

In der Tiefe verlief die zweite Bohrung praktisch horizontal mit dem Ziel, eine möglichst grosse Wassermenge zu erschliessen. Grafik: Grob/E. Müller

Die zweite Bohrung stiess im April 2013 in Schlattingen auf 68 Grad warmes Wasser. Mit 10 Litern pro Sekunde reicht die Menge aus, den gesamten Wärmebedarf des Gemüsebaubetriebs zu decken. Foto: Nagra/B. Frieg

In der Tiefe verlief die zweite Bohrung praktisch horizontal mit dem Ziel, eine möglichst grosse Wassermenge zu erschliessen. Grafik: Grob/E. Müller

Geothermie: Erdwärme lässt Treibhausgemüse wachsen

(©BV) Das Geothermie-Projekt in St. Gallen hat einen Rückschlag erlitten, doch nur 50 Kilometer nordwestlich steht die Erdwärme vor einem Erfolg: Voraussichtlich ab Anfang 2014 wird ein grosser Gemüsebau-Betrieb in Schlattingen (TG) seine Gewächshäuser mit Geothermie-Wärme heizen. Das Pionierprojekt fusst massgeblich auf einer privaten Initiative.


Der Familienbetrieb Grob im thurgauischen Schlattingen ist einer der grossen Gemüsebauern der Schweiz. Wer wissen will, was der Gemüsebau-Betrieb von Hansjörg Grob und seinem Sohn Stefan anbaut, der muss muss sich bloss die Gemüseabteilung einer Coop- oder Migrosfiliale anschauen: Tomaten und Gurken, Rettich und Kohlrabi, Fenchel und Chabis, und natürlich das ganze Salatspektrum vom Nüsslisalat über Lollo bis zum Ruccola. Coop und Migros beziehen ihr Gemüse unter anderem von Grob, aber auch die Discounter Aldi und Lidl und der Grosshandel. Wer in der Schweiz Gemüse verzehrt, kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit rechen, dass es bei Schlattingen am Rhein gewachsen ist.

Bis zu 1.2
Mio Franken Energiekosten jährlich
Gemüseproduzent Grob gehört zu den ganz grossen unter den Schweizer Landwirtschaftsbetrieben. Allein die Fläche der Gewächshäuser umfasst sieben Hektar, hinzu kommt nochmals das Zehnfache an Freilandfläche. Die Produktion in den Gewächshäusern läuft praktisch über das ganze Jahr, mit 30 bis 150 Mitarbeitenden aus Portugal, Slowakei, Ungarn und Rumänien, abhängig von der saisonalen Arbeitsbelastung. Die Konsumenten wollen heute über das ganze Jahr gluschtiges Gemüse einkaufen. „Die vom den Kunden verlangte Topqualität ist bei Gurken, Tomaten, Peperoni und Paprika nur mit Gewächshäusern erreichbar“, sagt Seniorchef Hansjörg Grob. Der Gemüsebauer muss in seinen Gewächshäusern denn auch bei kühlen Herbst- und Frühjahrstemperaturen jene 18 bis 20 Grad sicherstellen, die beispielsweise Tomaten brauchen, um jederzeit zu gedeihen. Der Wärmebedarf ist erheblich: jährlich rund 20 Mio. kWh, etwa soviel wie 2000 Einfamilienhäuser. Ausgedrückt in Geld: 800 000 bis 1,2 Million Franken für Erdöl und Erdgas.

Diese Kosten waren für Hansjörg Grob vor zehn Jahren der Anstoss, nach Alternativen zur fossilen Energieproduktion zu suchen. Warum sollte er die Wärme nicht aus dem Boden holen, fragte er sich. Sie liesse sich das Erdöl und das Erdgas, das er bisher für die Heizung nutzte, durch die unerschöpfliche Erdwärme ersetzen. Eine Bohrung nach Erdwärme verursacht Kosten in Millionenhöhe. Aber dann baute Grob ein grosses neues Gewächshaus dazu. „Dadurch hat der Betrieb eine Grösse bekommen, wo sich die Investition lohnt.“

68 Grad
warmes Wasser in ausreichender Menge
Eine Vorstudie (2007), eine Potenzialstudie (2009) und eine Machbarkeitsstudie (2010) zeigten, dass eine Bohrung nach Erdwärme möglich war, verbunden allerdings mit einem erheblichen Fündigkeitsrisiko. Im Herbst 2011 erfolgte eine erste Bohrung auf 1508 Meter Tiefe, die mit acht Sekundenlitern Warmwasser einen Teilerfolg brachte. Im April 2013 kam eine zweite Bohrung, die mit 1172 Metern weniger tief ging, aber das wasserführende Gestein (Aquifer) horizontal durchquerte mit dem Ziel, den Wasserertrag zu steigern. Die zweite Bohrung hat dieses Ziel erreicht: Sie stiess auf 68 Grad warmes Wasser, und dies mit 10 Litern pro Sekunde in einer Menge, die ausreicht, den gesamten Wärmebedarf des Gemüsebaubetriebs zu decken. Hansjörg Grob ist überzeugt: „Wir haben das Ziel, den Betrieb ab 1. 1. 2014 mit Untergrundwärme zu heizen.“

Hansjörg Grob führt seinen Gast über seinen Betrieb. Am Eingang zur Packerei waschen Arbeiter Rettiche. Drin im Gebäude verpacken Arbeiter Tomaten unter Folie. Auch nebenan in Kühlhalle herrscht Betriebsamkeit. Eben hat ein Grossverteiler zwei Paletten Salate nachbestellt, die nun hergerichtet werden. In zwei Stunden muss die Ware bereitstehen zu Abtransport. Heutige können Konsumenten nicht mehr warten. Sie wollen erste Qualität. Und diese am besten umweltgerecht produziert. Genau hier wittert Hansjörg Grob seine Chance. „Mit der Geothermie schaffe ich ein CO2-freies Gewächshaus-Gemüse, das kann in der Schweiz noch niemand“, sagt Grob. Grob, der auf seinem Betreib bisher schon ausschliesslich Ökostrom einsetzt, will diesen Umstand gezielt für die Vermarktung seines Gemüses nutzen, und er denkt darüber nach, ein geeignetes Label zu kreieren. Denn eines ist für Grob sicher: „Der Markt fragt danach.“

Breite Unterstützung

Wir stehen in einem der Gewächshäuser. Trauben von Tomaten lugen unter den Stauden vor. Unter den Stauden führen die Rohrleitungen vorbei, in denen die Erdwärme dereinst zirkulieren wird. Das warme Wasser aus der Tiefe hat nach dem Transport an die Oberfläche noch 62 °C und kann über einen Wärmetauscher in den Heizkreislauf eingespeist werden. Der Aufwand für den Bau der Rohrleitungen hält sich in Grenzen. Die Bohrstelle liegt nur wenige Hundert Meter entfernt an der Bahnlinie. Der Bohrort liegt etwas ausserhalb von Schlattingen und Diessenhofen. Einsprachen gegen das Projekt gab es keine.

Deutlich tiefere Temperaturen

sAuch wenn die Projekte nicht direkt vergleichbar sind: Nach den Fehlschlägen in Basel, Zürich und St. Gallen präsentiert Schlattingen den Beweis, dass Erdwärme erfolgreich genutzt werden kann. In St. Gallen – wie auch ehemals in Basel - sind auf Grund der geplanten gleichzeitigen Wärme- und Stromproduktion Wassertemperaturen über 120 Grad nötig. In Schlattingen wird die Wärme aufgrund der mit 68 Grad deutlich tiefen Temperaturen ohne Wärmetauscher genutzt, daher ist die Anwendung in der Umsetzung auch sehr einfach und – wenn die Bohrungen erfolgreich waren, eher wirtschaftlich.

Die Erfahrungen von Gemüsebauer Grob lassen sich nicht einfach auf die anderen 56 000 Schweizer Landwirtschaftsbetriebe übertragen. Einerseits müssen sie sich in der Nähe eines Aquifers befinden. Andererseits sind sie in aller Regel zu klein und haben nicht den Energiebedarf, dass sich eine Geothermie-Bohrung für sieht lohnen würde. Allerdings führen die Erfahrungen von Pionieren wie Hansjörg Grob vor Augen, dass Geothermie auch in mittelgrossen Projekten – also zwischen den Grossprojekten der Tiefengeothermie und der einfachen Wärmepumpe – aussichtsreich ist und auch ausserhalb der Landwirtschaft Nachahmer beispielsweise von Gemeinden (Infrastruktur, Bäder) oder Industriebetrieben mit entsprechendem Wärmebedarf finden könnte.

Nach zehn bis zwanzig Jahren amortisiert

Eine Bohrung zur Abklärung von Warmwasservorkommen im Untergrund dauert nur wenige Wochen. Allerdings erfordert Geothermie erhebliche Investitionen. Im Fall von Schlattingen betrugen die Bohrkosten 30 000 bis 65 000 Franken pro Tag, die beiden Bohrungen von 2011 und 2013 verschlangen jeweils rund 3.5 Millionen Franken. Ein solches Projekt erfordert eine solide Finanzierung, die auch Risiken mit einbezieht. Während der zweiten Bohrung in Schlattingen brach – kurz vor dem Ziel – das Bohrgestänge. Die Reparatur des Schadens kostete 1.5 Millionen Franken.

Hansjörg Grob hat viel Idealismus und privates Kapital in sein Projekt gesteckt, die die Finanzhilfen und Risikogarantien von Kanton Thurgau, Nagra, Stiftung Klimarappen und Bundesamt für Energie (BFE) ergänzen. Doch längerfristig soll sich das Projekt für ihn rechnen. Pro Jahr spart er Heizöl und Gas im Wert von durchschnittlich rund einer Million Franken. Viel lange es dauern wird, bis sich seine Investition amortisiert, kann Grob nur schätzen. Fünfzehn bis zwanzig Jahre, sagt er. Das hänge stark von den Betriebskosten beispielsweise für die Pumpe ab, die er zur Zeit erst grob abschätzen kann. Der Geothermie-Unternehmer muss den Bezug der Erdwärme dem Kanton übrigens vergüten: Die Konzessionsgebühr pro Kilowattstunde Erdwärme beträgt einen Rappen, im Jahr voraussichtlich 75 000 Franken, bei grosser Fördermenge sogar noch etwas mehr.

Und das nächste Projekt steht Hansjörg Grob schon vor Augen: Biogasanlage zur Herstellung von eigenem Strom. Den Nährstoffkreislauf schliessen, das kein Dünger mehr zu zugekauft werden muss.

Fündig im Oberen Muschelkalk

Die Geologie hält für Geothermie-Pioniere stets Überraschungen bereit. Hansjörg Grob musste bei seiner Bohrung in Schlattingen noch mit einem zusätzlichen Problem fertig werden: Das Bohrloch befindet sich nur wenige Hundert Meter von der Landesgrenze zu Deutschland entfernt. Da die Bohrung nicht einfach senkrecht in die Tiefe ging, sondern seitlich abgelenkt wurde, um den Ertrag zu optimieren, musste er darauf achten, dass die Bohrung nicht deutsches Staatsgebiet erreichte. Das war auch der Grund, dass die gerichtete Bohrung nicht exakt in jener Richten gemacht werden konnte, die gemäss den geologischen Studien den optimalen Ertrag gebracht hätte.

Trotzdem hat sich der Erfolg eingestellt, als die Bohrung den Zielaquifer im Oberen Muschelkalk bzw. dem Trigonodus-Dolomit erreichte und die in dieser Gesteinsschicht vorhandenen Warmwasservorräte mit einem Filterrohr erschlossen werden konnten. Nicht nur Temperatur und Wassermenge entsprechen den Erwartungen. Wichtig ist auch, dass das Wasser – anders als bei der ersten Bohrung in tiefere Schichten – keine aggressiven Mineralstoffe enthält. „Das Wasser hat die gleiche Qualität wie im Thermalbad Zurzach“, zieht Hansjörg Grob einen anschaulichen Vergleich.

Die Quelle dürfte auch auf lange Sicht ergiebig genug sein. Gemäss Berechnungen wird pro Jahr weniger als ein Promille des Vorrats genutzt. Zudem wird das Wasser nach der Nutzung – es ist dann immer noch 30 °C warm – wieder zurückgepumpt. Dafür wird das Bohrloch der ersten Bohrung verwendet, womit ein geschlossener Wasserkreislauf entsteht. Mit Blick auf die Nutzung des Warmwassers hat Hansjörg Grob neben den Gewächshäusern bereits einen Warmwassertank mit 1000 m3 Fassungsvermögen errichtet, der als Zwischenspeicher dient.

Bei der ersten Bohrung im Jahr 2011 war das mit dem Kt. Thurgau vereinbarte Kriterium der Fündigkeit (7.9 l/s) noch nicht erreicht worden. Trotzdem wurde diese erste Bohrung schon als Teilerfolg gewertet, wie Hansjörg Grob damals in einer Zwischenbewertung schrieb: „Jedoch liessen die Bohrkerne und Bohrlochmessungen vermuten, dass sich die Fördermengen in den porösen und geklüfteten Gesteinsserien des Oberen Muschelkalkes (Trigonodus-Dolomit und Hauptmuschelkalk) sowie des obersten Dolomits des Mittleren Muschelkalkes mittels geeigneter Säuerungsmassnahmen stark erhöhen lassen.“ In drei Säuerungsschritten konnte die Durchlässigkeit des Gesteins tatsächlich soweit erhöht werden, dass die Ergiebigkeit die für einen Teilerfolg nötigen 7.9 l/s erreichte. Mit der zweiten Bohrung wurden dann 10 l/s erreicht, womit die Bohrung laut Grob als Vollerfolg gewertet werden kann.

©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie/BFE

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