Sittertobel Au, die grösste Baustelle St. Gallens. Hier entsteht ein Geothermie-Heizkraftwerk, das jährlich rund 80 Mio. kWh Wärme und ungefähr 7 Mio. kWh Strom liefern soll. ©Foto: T. Rütti

Geologe Markus Frank im GEOdata-Container. Eine Herausforderung entstand beim «Logging», einem geophysikalischen Messprogramm. ©Foto: T. Rütti

Projektleiter St. Galler Stadtwerke, Michael Sonderegger kann auf über 90 Tage Bohrdauer zurückrückblicken. Jetzt stehen die Pumptests an. ©Foto: T. Rütti

Stadtrat Fredy Brunner: «Zusammen mit dem kantonalen Amt für Umwelt wurde die Vorprojektierung des Geothermie-Heizkraftwerks gestartet.» ©Foto: T. Rütti

Die «ITAG Rig 23» der deutschen Firma ITAG Tiefbohr GmbH (Celle) verfügt über die notwendige Hakenlast von mehr als 450 Tonnen. ©Foto: T. Rütti

Geothermie St. Gallen: «Fündig» oder eben «nicht fündig»?

(©TR) Das im St. Galler Sittertobel Au projektierte Geothermie-Heizkraftwerk soll dereinst heisses Wasser aus rund 4‘000 m fördern, um die Fernwärmeversorgung um eine neue Dimension erweitern. Noch sind die Tiefenbohrungen im Gange. Die dritte Bohrsektion ist abgeschlossen, die vierte sowie umfangreiche Tests stehen unmittelbar bevor.


«Hier entsteht das Geothermie-Heizkraftwerk» prangt am Eingang der zurzeit grössten Baustelle St. Gallens. Die geplante Anlage soll dereinst jährlich rund 80 Mio. kWh Wärme und ungefähr 7 Mio. kWh Strom liefern, was ca. 10 % des gesamten gegenwärtigen Wärme- und etwa 2 % des Strombedarfs der Stadt St. Gallen entspricht. «Zusammen mit dem Amt für Umwelt AfU des Kantons wurde die Vorprojektierung des geplanten Geothermie-Heizkraftwerks bereits gestartet. Dabei geht es um Abklärungen betreffend Konzession, Wasserzins und Umweltverträglichkeitsprüfung», sagte Stadtrat Fredy Brunner neulich gegenüber den Medien. Auf dem Weg zur «Energiestadt» entwickelte St. Gallen das «Energiekonzept 2050 – für einen nachhaltigen Umbau der Wärmeversorgung». Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, werden reihenweise technisch machbare, wirtschaftlich möglichst sinnvolle und sozial verträglichen Massnahmen umgesetzt. Oder zumindest in Erwägung gezogen.

Sehr weit fortgeschrittene Tiefenbohrungen

Die wichtigste Massnahme ist das Geothermie-Projekt mit seinen bereits sehr weit fortgeschrittenen Tiefenbohrungen. Diese bestehen aus mehreren Bohrsektionen: Die erste führte auf eine Tiefe von 1000 Meter, die zweite bis 2500 Meter und die Dritte bis 4000 Meter in den Untergrund. Mit der vierten Bohrsektion soll nun das Zielgebiet mit jenen Gesteinsschichten durchbohrt werden, in denen aufgrund der umfangreichen Vorabklärungen heisses Wasser vermutet wird. Nur wenige Bohranlagen erfüllen übrigens die Anforderungen des Geothermie-Projekts der Stadt St. Gallen.

 

Bereits über 90 Tagen Bohrdauer
Die «ITAG Rig 23» der deutschen Firma ITAG Tiefbohr GmbH (Celle) verfügt über die notwendige Hakenlast von mehr als 450 Tonnen. «Tiefbohren ist Bergbau», so der Projektleiter St. Galler Stadtwerke, Michael Sonderegger. Zusammen mit dem St. Galler Stadtrat Fredy Brunner blickte er neulich zurück auf die bisherigen Bohrsektionen mit bis heute über 90 Tagen Bohrdauer. Die beiden Projektverantwortlichen gaben einen Einblick in die geologische Arbeit und erörterten die bevorstehenden Pumptests; Marco Huwiler, Leiter Geothermie, konnte an der Medienorientierung nicht teilnehmen.

Bohrlochrandausbrüche

Die Bohrarbeiten sollen bislang grundsätzlich zufriedenstellend verlaufen sein, was nicht heisst, es hätten nicht diverse unvorhergesehene Vorkommnisse bewältigt werden müssen. Zu ausserordentlichen Herausforderungen kam es beispielsweise beim «Logging», dem geophysikalischen Messprogramm, aufgrund von Bohrlochrandausbrüchen. Diese waren auf Gebirgsspannungen zurückzuführen. Beim jüngsten Hochwasser der Sitter blieb der Bohrplatz glücklicherweise verschont. Ende Juni werden die Tiefenbohrungen aus Sicherheitsgründen für die Dauer des auf dem benachbarten Geländes stattfindenden Open-Air St. Gallen mit rund 30‘000 Fans eingestellt.

O
bertägige Umbau- und Installationsarbeiten
Die Zeit wird genutzt, um obertägige Umbau- und Installationsarbeiten auf dem Bohrplatz vorzunehmen. Gemäss der approximativen Zeitplanung sollen die jetzt anlaufenden Tests im Juli ausgewertet werden können. Ende der Sommerferien 2013 wird das Ergebnis «fündig» oder eben «nicht- oder teilfündig» vorliegen. Falls man tatsächlich auf das herbeigesehnte Heisswasser stösst, wird frühestens Anfang August eine zweite Tiefbohrung «GT 2» gestartet. Bei «nicht- oder teilfündig» soll ab Ende Juli die erste Tiefbohrung «GT 1» vertieft werden.

Die aktuell erreichte Bohrtiefe
: 4000 Meter
Nicht vermeiden lässt sich offenbar, im Malmkalk zur Methode «Säuerung» zu greifen: Zur Auflösung karbonatischer Gesteinskomponenten und zur Verbesserung der bohrlochnahen Wasserdurchlässigkeit wird 15-prozentige Salzsäure in die geothermische Zielformation eingeleitet. «Da die Säure sehr schnell reagiert und sich aber auch wieder rasch abbaut, zeigt die chemische Stimulation im bohrlochnahen Umfeld sogleich entsprechende Effekte. Die Abbauprodukte Kohlendioxid, Wasser und Kalziumchlorid sind ungefährlich und stellen keine Umweltrisiko dar», wie der Projektleiter Sonderegger versicherte.

Malm- und Muschelkalk in rund 4‘000 Metern

Unser Planet ist voller Energie: 99% der Erdmasse sind heisser als 1‘000°C, der Erdkern sogar heisser als 5‘000°C. Diese Geothermie genannte Energie beziehungsweise Erdwärme soll in St. Gallen als unerschöpfliche, ökologische Energiequelle genutzt werden. St. Gallen verfügt laut Expertenmeinung über gute Voraussetzung zur Nutzung von Geothermie: Die Stadt liegt über dem vor Millionen Jahren geformten nordalpinen Molassebecken. Die darunterliegenden mächtigen Gesteinsschichten Malm- und Muschelkalk in rund 4‘000 Metern Tiefe sind von Rissen, Klüften und Brüchen durchzogen, durch die heisses Wasser fliessen könnte. Die Wassertemperatur beträgt 130°C bis 150°C. Diese Temperatur sollte ausreichen, um über eine Dampfturbine Strom zu produzieren und Wärme ins Fernwärmenetz zu speisen. Das Energiekonzept 2050 der Stadt St. Gallen sieht vor, die Fernwärmeversorgung Schritt für Schritt mit Energie aus nachhaltiger, ökologischer Produktion auszubauen. Was lag also näher, als voll auf Geothermie zu setzen!?

Infos zum Projekt
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©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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