An der Projektrealisation beteiligt: Tobias Hoeck, Projektleiter Klimaschutzprojekte bei myclimate; Vincent Eckert, Geschäftsführer Klimastiftung Schweiz; Lorenz Köhli, Leiter Bereich Klimaschutz bei Ökostrom Schweiz. Bilder: T. Rütti

Landwirtschaftliche Abfallstoffe sind eine brachliegende Ressource und werden noch kaum für die Energieproduktion genutzt. Oekostrom Schweiz, Klimastiftung und myclimate wollen das ändern.

Paul Blaser, Landwirt und Betreiber der Biogas Hopösche Ruswil AG: «In den Gärtank kommen Hofdünger wie Mist und Gülle, landwirtschaftliche Abfallprodukte der Nachbarhöfe sowie Grünabfälle der beteiligten Gärtnerei.»

Pilotprojekt: Biogaserzeugung ohne Methangasemissionen

(©TR) Die Genossenschaft Ökostrom Schweiz, die Klimastiftung Schweiz sowie die Stiftung myclimate haben mit dem Klimaschutzprojekt «Biogaserzeugung ohne Methangasemissionen» Neuland betreten. Nebst der technischen Umsetzung bestand die Herausforderung auch in der Entwicklung von Grundlagentools.


Die Projektvorgabe lautete: In einer Biogasanlage Strom und Wärme klimafreundlich produzieren und dabei die Methangasemissionen vermeiden. Der Prozess von der Eingabe des Projekts bis zur ersten «Vintage» war zeit- und kostenintensiv; als Vintage wird die Reduktion bezeichnet, die in einer Jahresperiode erzielt wird. Der Lohn für diese Arbeit war die Zertifizierung der schweizweit ersten CO2eq-Emissionsreduktionen nach der Vollzugsweisung «Klimaschutzprojekte in der Schweiz» von BAFU und BFE.

Mit Ökostrom Schweiz, Klimastiftung Schweiz, Stiftung myclimate
Wie dieses Pilotprojekt in natura aussieht, wurde den Medien neulich anlässlich eines Betriebsrundgang bei der Biogas Hopösche Ruswil AG gezeigt. Betrieben wird diese Biogasanlage von Landwirt Paul Blaser, der sich zur Realisierung des 2-Millionen-Projektes mit benachbarten Landwirten und einer Ruswiler Gärtnerei zusammengetan hatte. Weitere Partner der Ruswiler Klimaschutz-Pilotanlage sind die Genossenschaft Ökostrom Schweiz (Frauenfeld TG), die Klimastiftung Schweiz (Zürich) sowie die Stiftung myclimate (Zürich). Diese Organisationen kümmerten sich um die klimarelevanten Aspekte des Projektes.

Viel Aufwand mit dem Gang zu den Behörden
«Die vielleicht grösste Herausforderung bei der Projektrealisierung waren nicht die technischen Fragen, sondern das Einholen der erforderlichen Bewilligungen. Der Gang zu den Behörden wurde zum Teil zum Spiessrutenlauf», erinnert sich Landwirt und Biogasanlagenbetreiber Paul Blaser. Auch Vincent Eckert, Geschäftsführer der Klimastiftung Schweiz, sprach von einem Hürdenlauf, den es zu absolvieren galt, bis das Klimaprojekt vom BAFU anerkannt wurde: «Um im Zusammenhang mit der Treibhausgasreduktion zu wirtschaftlich notwendigen Zusatzeinnahmenzu kommen, musste eine aufwendige Nachweis- und Zertifizierungsarbeit geleistet werden. Als erstes Projekt zur Methanemissionsreduktion war die Pfadarbeit ausgesprochen anspruchsvoll.» Laut Vincent Eckert hat die Stiftung das Biogas-Projekt unterstützt, weil es als erstes Methan-Klimaprojekt in der Schweiz innovativ war, aber auch weil es ein grosses Multiplikationspotential in sich birgt. Auf der Basis des Pilotprojekts wurden mittlerweile 40 weitere Anlagen in Angriff genommen. Einige konnten bereits gebaut und sogar in Betrieb genommen werden. Davon verspricht man sich die Reduktion von mehreren zehntausenden Tonnen CO2eq pro Jahr.

Biomassepotenzial
bei Biogasanlagen
Umweltschutz und Umwelttechnologie sind längst nicht mehr nur Fragen der politischen Ausrichtung, sagt Lorenz Köhli, Leiter Klimaschutz bei der Genossenschaft Ökostrom Schweiz. Die Bereitstellung von genügend erneuerbarer Endenergie sei vielmehr zu einer globalen Herausforderung geworden, zumal sie nicht klimaschädigend sein dürfe. Und: «Unser Projekt zur Reduktion von Methan – einem über 20-mal schädlicheren Treibhausgas als CO2 – setzt genau hier an.» Das grösste Biomassepotenzial liege bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Durch die Vergärung von Gülle und Mist werde nicht nur immer mehr umweltfreundliche Energie gewonnen, sondern gleichzeitig auch viel CO2 reduziert. «Ich bin überzeugt, dass die CO2-Reduktion in Zukunft nochmals an Bedeutung gewinnen wird», so der Verantwortliche für die Entwicklung von Klimaschutzprojekten. Was führte zu Stromgestehungskosten, die über dem durch die kostendeckende Einspeisevergütung KEV garantierten Strompreis lagen? Es waren dies:

  • hohe Anfangsinvestitionen
  • geringe Einnahmen auf dem Wärmeverkauf und der Co-Substratentsorgung
  • geringere Biogasproduktion durch Verwendung von Hofdünger.

Klimaschutz ermöglicht erst die Realisierung
Lorenz Köhli erklärt: «Einnahmen aus dem CO2-Projekt im Zusammenhang mit der Vermeidung von Methan ermöglicht erst die Realisierung dieser landwirtschaftlichen Biogasanlagen und garantiert jetzt einen nachhaltigen und rentablen Betrieb.» Das Gesamtprojekt umfasst mittlerweile nebst dem Pilotbündel – die Anlage von Paul Blaser und eine weitere im aargauischen Kaisten – vier Bündel mit jeweils bis zu 10 einzelnen Biogasprojekten in der ganzen Schweiz. «Eine konsequente Bündelung der Anlagen ist absolut notwendig, um die hohen Transaktionskosten zu senken», so Lorenz Köhli.

Schlankere Prüfprozesse
werden gefordert
Über sieben Jahre gerechnet sollen die landwirtschaftlichen Biogasanlagen in Ruswil LU und Kaisten AG eine Emissionsreduktion von 9757 Tonnen CO2eq ergeben. Das Schweizer Klimaschutzprojekt «Landwirtschaftliche Biogasanlagen in der Schweiz: Vermeidung von Methanemissionen» erhält die ersten nach den Richtlinien des Bundesamt für Umwelt ausgestellten Emissionsreduktionen, welche von der Organisation myclimate für die freiwillige CO2-Kompensation verwendet werden. Mit dem neuen CO2-Gesetz nimmt die Bedeutung der CO2-Kompensation in Schweizer Klimaschutzprojekten nochmals zu. Mit Blick auf die ab nächstem Jahr wieder steigende Bedeutung für CO2-Kompensationsprojekte in der Schweiz fordern Partner wie Ökostrom Schweiz, Klimastiftung Schweiz und Stiftung myclimate vereinfachte und beschleunigte Prozesse für Schweizer Klimaschutzprojekte. Dafür brauche es aber praktikable und pragmatisch anwendbare Instrumente.

Gestiegene Nachfrage nach Co-Substraten
«Die entstandenen Gärsubstrate gelangen in flüssiger oder fester Form als hochwertiger Dünger zurück in die Betriebe. Dadurch schliesst sich ein natürlicher Nährstoffkreislauf, denn während der Vergärung gehen keine Nährstoffe verloren. Vielmehr werden sie den Böden und Kulturen wieder vollumfänglich zugeführt», so Landwirt Blaser. Noch attraktiver als gewöhnlicher Hofdünger sind für die Biogasproduktion Co-Substrate, also andere organische Abfälle aus Feld und Garten. Sie sind viel energiereicher als Hofdünger und liefern durch Vergärung mehr Biogas. Paul Blaser erhält als Anlagenbetreiber für die Abnahme von Co-Substraten eine Entsorgungsentschädigung – eine nicht unwichtige Einnahmequelle für den Betrieb: «Allerdings ist die Nachfrage nach diesen energiereichen Co-Substraten in den letzten Jahren enorm gestiegen und die Entsorgungsgebühren sind unter Druck geraten. Zudem befinden sich viele weitere Biomasseprojekte auf der KEV-Warteliste, die alle auch Co-Substrate brauchen werden. Dies führt zu einer Nachfragezunahme, während die in der Schweiz jährlich anfallende Biomasse konstant bleibt. Antrieb, das Unterfangen überhaupt in Angriff zu nehmen und bis zur Fertigstellung durchzuziehen, war meine Überzeugung, dass in der Schweiz tierische Exkremente und organische Abfälle aus anderen Quellen eine brachliegende Ressource sind und viel zu selten zur Energieproduktion genutzt werden», so Paul Blaser.

Intelligente Logistik rund um die Gülle
Intelligent ist in Ruswil die Logistik rund um die Gülle: sie wird von den Nachbarbetrieben durch unterirdische Pipelines von insgesamt 6 km Länge zur Biogasanlage Hopösche Ruswil AG gepumpt; um mit nur einer Pumpe auszukommen wurde sie auf einen Anhänger montiert. Dass das Gelände fast eben ist, so dass kaum Niveauunterschiede bewältigt werden müssen, vereinfachte das Verlegen der Rohre und begünstigt die Fliesseigenschaften der doch sehr zähflüssigen Gülle. Das gewonnene Biogas wird in einem Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umgewandelt. Während der produzierte Strom ins Netz eingespeist wird, wird die Wärme im Vergärungsprozess der Biogasanlage eingesetzt und zum Heizen der Wohn- und Ökonomiegebäuden sowie der Treibhäuser der Gärtnerei in der Nachbarschaft verwendet. Laut Paul Blaser kann der Gärrest als überaus wertvoller Dünger auf die Felder ausgebracht werden: «Unsere landwirtschaftliche Biogasanlagen produziert aber nicht nur erneuerbare Energie, sie vermeidet im willkommenen Nebeneffekt auch die Methanemissionen. Methan ist ein hochwirksames Treibhausgas und entsteht bei der Lagerung von Hofdünger.»

Strenge Anforderungen an eine Biogasanlage

Damit kein Methan mehr in die Atmosphäre entweichen kann, werden strenge Anforderungen an eine Biogasanlage gestellt. Erreicht werden die Vorgaben durch zusätzliche technische Massnahmen wie
  • Doppelmembran-Dächer auf den Gärtanks
  • Gasmess- und Analysegeräte
  • ein abgedecktes Endlager für die Gärsubstrate
  • das Ausbringen der Gärreste mit dem Schleppschlauch auf die Felder
  • regelmässiges Überprüfen und Messen des Methanschlupfs.

Die Dichtigkeit der Anlage wird jährlich von externen Fachleuten geprüft. Ermittelt wird die Treibhausgasreduktion der Anlage und die Berechnung der Kompensationswirkung aus dem Unterschied zwischen der Biogasanlage als Projektszenario und einem Referenzszenario, also von Bauernbetrieben, die ohne Biogasanlage auskommen.

Auf zusätzliche Finanzierung angewiesen
Obwohl die Förderlandschaft für Treibhausgasreduktionen in der Schweiz bereits umfangreich ist, gibt es immer noch Projekte, die für einen nachhaltigen Betrieb auf zusätzliche Finanzierung angewiesen sind», sagt Tobias Höck, Projektleiter Klimaschutzprojekte bei myclimate.ch. Genau hier komme der Mechanismus der Kompensationsprojekte zum Zug. Dies zeige sich am Beispiel der Biogasanlage in Ruswil sehr gut, welche erst durch die zusätzlichen Einnahmen aus den CO2-Zertifikaten rentabel betrieben werden könne. «Dieses Klimaschutzprojekt zeigt zudem sehr schön, dass es möglich ist, brachliegende lokale Ressourcen in einem geschlossenen Kreislauf sinnvoll für die Energieproduktion zu nutzen. Solche dezentralen Initiativen sind für unsere zukünftige Energieversorgung entscheidend», so Tobias Höck.

Finanzierungsmöglichkeit: Das KMU-Modell der EnAW
Wer etwas fürs Klima tun und gleichzeitig Kosten senken möchte, kann seinen Betrieb von Profis  begutachten lassen: Das so genannte KMU-Modell der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) ist auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen zugeschnitten. Die Agentur untersucht einen Betrieb auf wirtschaftliche Einsparpotenziale und vereinbart mit diesem Unternehmen ein Energieeinsparziel. Die Klimastiftung Schweiz trägt bei KMU die Hälfte des Teilnehmerbeitrages und fördert die Umsetzung der Massnahmen. Die Teilnahme am KMU-Modell bedeutet:

  • Energie- und Kosteneinsparung durch wirtschaftliche Energiesparmassnahmen
  • Abschluss einer freiwilligen Zielvereinbarung, die jederzeit kündbar ist
  • Möglichkeit, sich von der CO2-Abgabe befreien zu lassen
  • Lokale und schweizweite Benefits durch Förderprogramme: finanzielle Unterstützung bei den Teilnehmerbeiträgen, Strompreisreduktionen, finanzielle Unterstützung für umgesetzte Energiesparmassnahmen
  • Zertifikat zum freiwilligen Engagement für den Klimaschutz.

Eckdaten des Gesamtprojekts

  • Vorprojekt eingereicht am 5. 9. 2008
  • Eingereicht am 1. 2. 2009
  • Registrierung: 22. 12. 2009
  • Projektbeginn: Winter 2009
  • Projektlaufzeit: 20 Jahre
  • Leistung der Anlagen: 100 bis 400 kW pro Anlage
  • Verwertungskapazität der Anlage: Hofdünger von mind. 200 Grossvieheinheiten pro Anlage
  • Anlagentyp: Nassfermentation
  • Emissionseinsparung Pilotbündel bis 2012: 5100 Tonnen CO2eq
  • Emissionseinsparung Pilotbündel Durchschnitt: 1500 Tonnen CO2eq/Jahr
  • Methanreduktion durch Abfackelung bzw. energetische Nutzung von überschüssigem Methangas.
  • Die Emissionsreduktion aus der Produktion erneuerbarer Energie wird nicht geltend gemacht.

Eckdaten der Biogasanlage in Ruswil LU

  • Elektrische Leistung Blockheizkraftwerk: 171 kW
  • Thermische Leistung des Blockheizkraftwerks: 210 kW
  • Volumen Fermenter und Endlager: je 1570 m3
  • Produzierter Strom: Zirka 800 000 kWh
  • Anteil nichtlandwirtschaftliche Kosubstrate am Gesamtinput: 6% - 7%
  • Wärmespeicher: 60 bis 80 m3.

www.oekostromschweiz.ch www.klimastiftung.ch 
www.myclimate.org,www.enaw-kmu.ch

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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