V.l.n.r.: Projektleiter Geothermie St. Gallen Marco Huwiler und Stadtrat Fredy Brunner, Direktor Technische Betriebe. Bild: T. Rütti

St. Gallen: Geothermie-Tiefbohrung verzögert sich

(©TR) Die Stadt St. Gallen will über zwei Tiefbohrungen geothermische Energie nutzbar machen. Das Projekt ist ein Hauptpfeiler des Energiekonzepts 2050 der Stadt, die vermehrt auf erneuerbare Energien setzt. Was allerdings jetzt noch fehlt, ist der Bohrturm…


Auf die zweite Ausschreibung «Tiefbohrungen» der Stadt St. Gallen vom Februar 2012 sind diesmal keine Einsprachen eingegangen, nachdem das Verfahren nach der erste Ausschreibung vom Juli 2012 hatte abgebrochen werden müssen; damals waren die erhobenen Beschwerden gutgeheissen worden. Die Stadt hatte sodann eine Neuausschreibung beschlossen. Der ITAG Tiefbohr GmbH Celle (D), es ist dies die gleiche Firma, die schon bei der ersten Ausschreibung den Zuschlag erhalten hatte, wurde auch jetzt wieder der Auftrag für Tiefbohrungsarbeiten erteilt. Laut Stadtrat Fredy Brunner, Direktion Technische Betriebe, handelt es sich um ein «etabliertes internationales Bohr-Unternehmen, bei dem das Preis-/Leistungsangebot stimmt». Was allerdings jetzt noch fehlt, ist das Wichtigste, der Bohrturm nämlich.

Bohrtürme mit Hakenlasten von 450 t

Offenbar sind in Europa nur wenige Bohrtürme mit Hakenlasten von 450 t verfügbar. Erschwerend kommt laut Stadtrat Brunner hinzu, dass das öffentliche Beschaffungswesen in hochkomplexen Projektvorhaben unvergleichbar weniger flexibel reagieren kann als dies privaten Unternehmen möglich wäre, kurz: Das unverzichtbare Vergabe-Verfahren erweist sich bei Geschäfte von dieser Dimension und einer solchen Komplexität als untauglich, besonders wenn die allgemeine Marktsituation sehr angespannt ist. Fredy Brunner und Projektleiter Marco Huwiler geben selbstverständlich nicht klein bei, sondern bleiben weiter in Verhandlung mit der ITAG Tiefbohr GmbH, prüfen aber gleichzeitig noch Alternativen mit anderen Bohrturmunternehmungen, die sich ebenfalls um den Bohrauftrag beworben hatten. Einzelheiten der Strategie zur weiteren Vorgehensweise der St. Gallen waren allerdings an einer Medienkonferenz in St. Gallen nicht in Erfahrung zu bringen. Auch zum nun in Verzögerung geratenen Zeitplan konnten keine verbindlichen Aussagen gemacht werden.


Bohrrisikogarantie ist so gut wie abgeschlossen
Erfreulich, dass die Bohrrisikogarantie nach einem über zwei Jahre dauernden Verfahren so gut wie abgeschlossen ist. Die Zusage des Bundesamtes für Energie (BFE) ist definitiv, und Swissgrid ist derzeit am Erstellen der erforderlichen Verfügung. Damit ist die wichtige Voraussetzung für die Risikominderung erfüllt, liegt doch eine Zusage für 24 Millionen Franken vor, während zusätzlich 5 Millionen Franken an Bohrrisikogarantie in Aussicht gestellt wurden. Was die Bewilligungen des Kantons anbelangt, liegt die Bohrbewilligung noch nicht vor, und auch die Wasserkonzession ist noch offen; bei der Direktion Technische Betriebe ist man zuversichtlich, dass das Verfahren bald abgeschlossen sein wird. Keinerlei Probleme sind bezüglich der Bewilligung für den Bohrplatz zu vermelden.

Dereinst jährlich rund 80 Mio. kWh Wärme

Zur Erinnerung: Eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2009 hat gezeigt, dass 4‘000 bis 5‘000 m unter der Stadt mit rund 150 Grad heissem Wasser zu rechnen ist. Diese Temperatur wäre ausreichend, um über eine Dampfturbine Strom zu produzieren und Wärme in das Fernwärmenetz zu speisen. Gemäss Plan hätte ab Mitte 2012 mit der Tiefbohrung begonnen werden sollen; nun wird es wohl bis zum Start noch Monate dauern. Nach Abschluss der Bohrarbeiten, intensiven Messungen und Tests soll sodann die Planungs- und Bauphase für das Geothermie-Heizkraftwerk beginnen. Die Inbetriebnahme war ursprünglich für 2015 vorgesehen gewesen, eine Verzögerung lässt sich nun wohl nicht mehr umgehen. Die Anlage soll dereinst jährlich rund 80 Mio. kWh Wärme und ungefähr 7 Mio. kWh Strom liefern, was ca. 10 % des gesamten derzeitigen Wärme- und etwa 2 % des Strombedarfs der Stadt St. Gallen entspricht.

Geothermie mehr als nur Erdwärmesonden
Erdwärmesonden kombiniert mit einer Wärmepumpe haben sich in Schweizer Gebäuden etabliert: Auch die kombinierte Nutzung des Untergrundes zu Heiz- und Kühlzwecken grosser Gebäude ist aus energetischer Sicht sehr effizient und wirtschaftlich interessant. Auch aus Tunneln abgeführtes warmes Wasser wird genutzt. In der Nutzung unterirdischer Aquifere steckt ein grosses Energiepotenzial. Ist das Geothermievorhaben der Stadt St. Gallen erfolgreich, wäre dies ein wichtiger Durchbruch. Auch das Einpressen von Wasser in warme Gesteinsschichten bis rund 5000 Meter Tiefe ist vielversprechend. Diese stimulierten Geothermie-Systeme erfordern aber noch mehr Entwicklungsarbeit.

Infos zum Projekt >>


©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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