Nach der Registrierung muss im Rahmen eines ebenfalls neu entwickelten Monitoringplans nachgewiesen werden, wie viel Methan jährlich effektiv reduziert wird.Bilder: Biomasse Energie Schweiz

Ökostrom Schweiz bündelt nach Möglichkeiten pro Eingabe acht bis zehn Einzelprojekten zu bündeln. Bilder: Biomasse Energie Schweiz

Stefan Mutzner: „Neben den drei Anlagen im Pilotbündel konnte in der Zwischenzeit bereits ein zweites Bündel an geplanten Projekten beim BAFU offiziell registriert werden.“ Bilder: Biomasse Energie Schweiz

CO2-Equivalent-Zertifikate für Methanreduktion dank Biogasanlagen

Die Anstrengungen im Schweizer Klimaschutz zielten bisher stark auf die Reduktion von CO2. Neu legt das Bundesamt für Umwelt den Fokus auf alle klimarelevanten Gase. Ökostrom Schweiz hat die Grundlagen entwickelt, damit landwirtschaftliche Biogasanlagen als Klimaschutzprojekte eingereicht werden können. Und die Klimastiftung Schweiz hat die Innovation mit einer Anschubfinanzierung unterstützt.


Der Anteil der Landwirtschaft an den gesamten CO2-Emissionen in der Schweiz ist verschwindend klein, trotzdem waren bis anhin die Instrumente der Umweltpolitik ausschliesslich auf die Reduktion von CO2 ausgerichtet. Dagegen birgt die Landwirtschaft bei Methan, Lachgas und synthetischen Gasen ein grosses Potenzial zur Emissionsreduktion. Denn Kulturanbau, Tierhaltung und Lagerung von Hofdünger verursachen fast 80 Prozent des Schweizer Methan-Ausstosses. Werden alle klimarelevanten Gase berücksichtigt, beträgt der Anteil der Landwirtschaft an den Gesamtemissionen immer noch rund zehn Prozent.

CO2-Equivalent-Zertifikaten
Ende 2008 erliessen die Bundesämter für Umwelt und Energie (BAFU, BFE) die Vollzugsweisung «Klimaschutzprojekte in der Schweiz». Damit schufen sie die Rahmenbedingungen für Klimaschutzprojekte, die Leistungen zur Methanreduktion anerkennen und in Form von Zertifikaten für den Emissionshandel berücksichtigen. Hier setzt das Pionierprojekt von Ökostrom Schweiz an: Die Genossenschaft der landwirtschaftlichen Biogasproduzenten will die Reduktion von Methan-Emissionen und die energetische Verwertung des Methans in Biogasanlagen erfassbar machen und diese Leistungen in Form von sogenannten «CO2-Equivalent-Zertifikaten» im Markt anbieten.

Rentabilität erhöhen
Das lohnt sich doppelt: Einerseits leistet die Reduktion der Treibhausgase einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Und andererseits stützt der Erlös aus dem Verkauf der Reduktionspapiere die Rentabilität der Biogasanlagen nachhaltig. Dies ist angesichts des schwierigen Marktumfeldes im Sektor Biomasse enorm wichtig. Die Anerkennung als Klimaschutzprojekt bedingt aber auch höhere Anforderungen an die Nachhaltigkeit der betreffenden Anlagen: Sie müssen bei Gülleausbringung, Lagerung, Messgeräte und Transport strengere Anforderungen erfüllen als herkömmliche Anlagen. Mit einer Anschubfinanzierung hat die Klimastiftung Schweiz mitgeholfen, die detaillierte Grundlagenarbeit zu initialisieren und so den Prozess zu mehr Nachhaltigkeit in Gang zu setzen.

Mit Methan Energie gewinnen
In einem herkömmlichen Landwirtschaftsbetrieb wird Gülle und Mist im Stall eingesammelt, auf dem Misthaufen und im Güllelager zwischengelagert und dann auf den Feldern verteilt. Dabei wird nicht nur der Boden gedüngt, es entweicht auch Methan. Anders bei einem Betrieb mit Biogasanlage: Hier lässt man Gülle und Mist in speziellen Tanks vergären. Das entstehende Methangas verwandelt ein Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme. Und mit dem vergorenen Material werden anschliessend die Felder gedüngt – jetzt aber mit minimaler Treibhausgasemission.

Daten innovativ erfassen
Ökostrom Schweiz hat zusammen mit Greenstream Biogas eine Methode entwickelt, welche die Methanreduktion genau erfasst. Denn nur, wenn ein Projekt nachweisen kann, dass es Methanemissionen senkt, entspricht es den Anforderungen eines Klimaschutzprojektes. Diese Standardisierung ermöglicht es Projekteigner erstmals, ihre Anlagen auch als Klimaschutzprojekt einzureichen und allenfalls registrieren zu lassen.

In einem Pilotprojekt lieferten drei projektierte Anlagen die Datengrundlage. Diese entwickelte Ökostrom Schweiz zu einem Modul, das die Daten für geplante Anlagen erfasst und entsprechende Kalkulationen für die Projekteingabe ermöglicht. Hierfür mussten eine ganze Reihe von Faktoren einbezogen werden: Wie werden die Tiere gehalten? Wie wird der Hofdünger gelagert? Wie werden Grün- und Rüstabfälle geliefert? Wird die Wärme extern genutzt? Wie sieht die Wirtschaftlichkeit aus? Welcher Zeitplan wird bis zur Realisierung verfolgt?

Effektiver Methan-Reduktion
Nach der Registrierung muss im Rahmen eines ebenfalls neu entwickelten Monitoringplans nachgewiesen werden, wie viel Methan jährlich effektiv reduziert wird. Um dies zu überprüfen, werden wiederum verschiedene Kennzahlen erhoben: Art und Menge der verarbeiteten Hofdünger und organischen Reststoffe (Grüngut, Rüstabfälle etc.), produzierte Strommenge (brutto und netto), Methangehalt im Biogas sowie produzierte Gasmenge. Eine unabhängige externe Prüfstelle kontrolliert zudem periodisch, dass im Verwertungsprozess der Anlage kein Methan durch ein Leck entweicht.

Gebündelte Kräfte
Eine einzelne Biogasanlage reduziert relativ wenige Methanemissionen. Deshalb macht es aufgrund der Administrativkosten wirtschaftlich wenig Sinn, einzelne Biogasprojekte einzureichen. Hinzu kommt, dass Abnehmer von Emissionszertifikaten tendenziell an grösseren Mengen interessiert sind. Ausserdem entstünden für den Betreiber einer Biogasanlage als Einzelprojekt erhebliche Kosten für die Vermarktung der Zertifikate. Darum bemüht sich Ökostrom Schweiz, pro Eingabe acht bis zehn Einzelprojekten zu bündeln: Fällt der Verifizierungsbericht des BAFU positiv aus, so werden die Emissionszertifikate in der Regel nicht an jede einzelne Anlage, sondern für das ganze Bündel vergeben. So gewinnt der Klimaschutz in der Schweizer Landwirtschaft an Effizienz.

«Wir bieten Impulse für rentable Anlagen.»

Nachgefragt bei Stefan Mutzner, Geschäftsführer Ökostrom Schweiz.

Was bringt die neue Methode dem Betreiber einer Biogasanlage?
Das von uns entwickelte Modul erlaubt eine rasche Beurteilung, ob eine Anlage als Klimaschutzprojekt überhaupt in Frage kommt. Und wenn die Voraussetzungen gegeben sind, wird dem Anlagebetreiber viel Aufwand für die systematische Erfassung der komplexen Daten abgenommen. Ausserdem können wir dank der Standardisierung die Kosten für die Abklärungen tief halten, um die Wirtschaftlichkeit einer geplanten Biogasanlage nicht wegen hoher Startinvestitionen von Anfang an zu gefährden.

Können CO2-Equivalent-Zertifikate als neuer Geschäftszweig in der nachhaltigen Landwirtschaft dienen?
Sie geben sicher zusätzliche Impulse. Denn Pläne zu Biogasanlagen werden oftmals wieder sistiert, da die kostendeckenden Einspeisevergütungen (KEV) in den meisten Fällen eben nicht kostendeckend sind. Dies gilt gerade bei Anlagen, die sehr viel Hofdünger verwerten. Der Erlös aus den Zertifikaten macht zwar nur einen kleinen Anteil des Ertrages einer Biogasanlage aus. Aber gerade diese Beträge können über die Rentabilität der projektierten Anlagen entscheiden.

Wer bestimmt die Preise?
Beim Verkauf der CO2-Equivalent-Zertifikate spielt der freie Markt – also Angebot und Nachfrage. Festgesetzte Preise gibt es nicht. Die gebündelte Vermarktung der Zertifikate durch Ökostrom Schweiz vereinfacht für interessierte Kunden – beispielsweise Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeiten klimaneutral betreiben wollen – die Umsetzung ihrer Reduktionspläne. Denn für diese sind die Zertifikate erst ab einer gewissen Menge interessant. Diese kann ein Produzent allein kaum anbieten. Bei den Preisverhandlungen vertreten wir als Produzentenorganisation die Interessen der Biogasanlagenbetreiber.

Welche Rolle spielte die Klimastiftung Schweiz für das Projekt?
Die Mitfinanzierung durch die Klimastiftung war für uns zentral. Als kleine Produzentenorganisation hätten wir den zusätzlichen Aufwand für die Erarbeitung des Erfassungssystems kaum bewältigen können. So aber erhielten wir die nötige Mitfinanzierung, um eine ausgereifte Methode für die Projekteingabe und das jährliche Monitoring zu entwickeln.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit der Klimastiftung?
Gleich bei unserem ersten Kontakt stiessen wir mit unserem Vorhaben auf Interesse. Allerdings entsprach unser Projekt nicht unbedingt dem, was die Klimastiftung bis anhin unterstützt hatte. Hier ging es um das Erarbeiten von Grundlagen, die indirekt zu einer Leistung für den Klimaschutz führen. Deshalb mussten wir den konkreten Nutzen unseres Projekts für den Klimaschutz und vor allem die Innovationskraft plausibel machen. Und die erwartete Wirkung in der Praxis ist eingetroffen: Neben den drei Anlagen im Pilotbündel konnte in der Zwischenzeit bereits ein zweites Bündel an geplanten Projekten beim BAFU offiziell registriert werden. Diese Biogasprojekte profitieren so indirekt von der Klimastiftung, weil auf den Entwicklungen aus dem Pilotbündel aufgebaut werden kann.

Welche Chance geben Sie Biogasanlagen in der zukünftigen Energieversorgung?
Wie das Potenzial der Biomasse als Energielieferant in Zukunft ausgeschöpft wird, hängt stark von den politischen Anstrengungen ab. Besonders die Verwertung von Gülle und Mist ist vielversprechend. Die aktuelle KEV bietet hier jedoch zu wenig Anreize. Das Potenzial von Hofdüngeranlagen sollte deshalb bei der Revision der Energieverordnung unbedingt berücksichtigt werden. Zusätzlich verspricht die Umsetzung von Smart Grid Technologien im liberalisierten Strommarkt weitere Potenziale für erneuerbare Energien, insbesondere aber für Biogasanlagen.

Über die Klimastiftung
Die Klimastiftung Schweiz unterstützt KMU, die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Stiftung wird von Dienstleistungsunternehmen finanziert, die ihre Mittel aus der Rückvergütung der CO2-Lenkungsabgabe zusammenlegen. Gefördert werden freiwillige Zielvereinbarungen mit der Energieagentur der Wirtschaft EnAW, Energiesparen im Betrieb oder innovative Lösungen im Klimaschutz. Besonderen Wert legt die Klimastiftung Schweiz auf schnelle und unbürokratische Unterstützungen.

Text: Klimastiftung Schweiz, Bilder: Biomasse Energie Schweiz

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