Energieministerin Simonetta Sommaruga räumte ein, das Vorgehen des Bundesrates sei etwas aussergewöhnlich. Allerdings müsse eine Regierung angesichts der "ersten weltweiten Energiekrise" vorsorgen und handeln. Bild: T. Rütti

Ständerat: Will Rettungsschirm auch für kleinere Stromunternehmen öffnen

(SDA) Der Ständerat hat am Donnerstag als Erstrat einen mit maximal zehn Milliarden Franken dotierten Rettungsschirm für die systemkritischen Stromunternehmen beschlossen (siehe ee-news.ch vom 20.5.22 >>). Auf eine Rückweisung des Geschäfts an die Kommission verzichtete er. Nun ist der Nationalrat am Zug.


In der Gesamtabstimmung hiess der Rat das Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft mit 28 zu 9 Stimmen bei 6 Enthaltungen gut. Die Gegenstimmen stammten vereinzelt von Vertreterinnen und Vertretern der Mitte, der FDP sowie der SVP. Der Bundesbeschluss zum entsprechenden Verpflichtungskredit passierte mit 36 zu 2 Stimmen bei 5 Enthaltungen.

Auch kleinere Unternehmen
Anders als der Bundesrat möchte der Ständerat, dass auch kleinere Unternehmen von der Bundeshilfe profitieren können, sofern sie systemrelevant sind. Der Bundesrat wollte allein die drei Konzerne Axpo, Alpiq und BKW unter den Schutzschirm stellen. Die BKW will diesen Schirm nicht, die Axpo nur basierend auf Freiwilligkeit.

Unternehmen, die auf eine kantonale Liquiditätsunterstützung zählen können, will der Bundesrat vom Bundesgesetz ausnehmen. Das könnte in erster Linie die BKW betreffen, falls der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär rechtsgenüglich einspringen sollte.

Weiter nahm der Ständerat eine Bestimmung auf, die Wasserzinsen und Konzessionsabgaben unangetastet lässt, auch wenn Unternehmen von Kantonen und Gemeinden Darlehen beziehen.

Unattraktive Bedingungen
Der Bund will insgesamt bis zu zehn Milliarden Franken an Darlehen bereitstellen. Die Finanzhilfen sollen nur auf Antrag fliessen, wenn die Unternehmen alles Menschenmögliche unternommen haben, um ihre Liquiditätsprobleme zu lösen. Ausserdem ist die Auszahlung der Darlehen an unattraktive Bedingungen geknüpft. Die Unternehmen könnten also "den Rettungsring erst kurz vor dem Ertrinken ergreifen", umschrieb Jakob Stark (SVP/TG) den Mechanismus.

Risikozuschlag von vier bis zehn Prozent
Es wird nämlich ein Risikozuschlag von vier bis zehn Prozent fällig. Axpo, Alpiq und BKW müssen zudem eine Bereitstellungspauschale für die Milliardenbeträge von zehn bis zwanzig Millionen Franken pro Jahr bezahlen. Nach Protesten in der Vernehmlassung hat der Bundesrat den Risikozuschlag erheblich gesenkt. Dazu kommt ein marktgerechter Zinssatz, und die Unternehmen unterliegen weitreichenden Offenlegungspflichten. Zudem besteht ein Dividendenverbot, solange das Darlehen läuft.

Die grosse Debatte fand beim Eintreten auf die Vorlage statt, wobei das Eintreten unbestritten war. Stefan Engler (Mitte/GR) hatte allerdings einen Rückweisungsantrag gestellt. Dieser blieb am Schluss noch übrig, weil Martin Schmid (FDP/GR) seinen Rückweisungsantrag mit deutlich mehr Vorgaben an den Bundesrat für eine Darlehensgewährung vor der Abstimmung zurückgezogen hatte.

Die Kommissionsminderheit um Engler wollte den Entwurf des Bundesrates und der Kommissionsmehrheit noch einmal überarbeiten lassen. Im Vordergrund müsse die Sicherstellung der Stromversorgung und nicht die Rettung von Unternehmen stehen.

Nicht falsches Geschäftsgebaren absichern
Die Debatte stand denn auch unter dem Eindruck des Verdachts, dass sich die vom Rettungsschirm profitierenden Unternehmen allenfalls für schiefgelaufene Spekulationen an der Strombörse schadlos halten könnten, wie dies namentlich Beat Rieder (Mitte/VS) in den Raum stellte. Es könne nicht darum gehen, mit dem Rettungsschirm falsche und riskante Geschäftsgebaren abzusichern.

Er sei für Rückweisung, damit der Bundesrat mit den Konzernen Klartext rede und vertieften Einblick in deren Zahlen verlange. Der Rat müsse die Ursachen für die Liquiditätsprobleme der Alpiq kennen, die diese Vorlage überhaupt erst ausgelöst habe.

Grosse Mühe mit der Logik der Rückweiser hatte Elisabeth Baume-Schneider (SP/JU). Diese verlangten lediglich Mikroanpassungen - "einen Luxus, den wir uns im Moment nicht leisten können". Es gehe bei diesem Geschäft einzig und allein um die Sicherheit der Stromversorgung. Und ohne ausreichend Liquidität gebe es nun mal keinen Zugang zum Markt.

Notrecht ist nicht der Königsweg
Mit dem seit der Corona-Pandemie umstrittenen Notrecht zu handeln, sei nicht der Königsweg, gab Benedikt Würth (Mitte/SG) jenen zu bedenken, die argumentierten, bis das Gesetz stehe, könne der Bundesrat notfalls ja mit Notrecht handeln. Eine ordentliche Rechtsgrundlage zu schaffen, sei besser.

Von einer einfachen Lösung für ein sehr spezifisches Problem sprach Eva Herzog (SP/BS) und warnte davor, das Geschäft mit einer Rückweisung unwiederbringlich zu verzögern. Es gehe nur darum, Handlungsmöglichkeiten für eine befristete Zeit zu haben, sagte ihr Solothurner Parteikollege Roberto Zanetti.

Energieministerin Simonetta Sommaruga räumte ein, das Vorgehen des Bundesrates sei etwas aussergewöhnlich. Allerdings müsse eine Regierung angesichts der "ersten weltweiten Energiekrise" vorsorgen und handeln.

Es gehe auch nicht darum, "Firmen zu sanieren, die sich verspekuliert haben". Es gebe einen einzigen Grund für die Vorlage: die Versorgung der Schweiz mit Strom auch in aussergewöhnlichen Situationen sicherzustellen. "Nur dafür und nur befristet." Das dringliche Bundesgesetz soll nach dem Willen des Bundesrats befristet bis 2026 gelten.

©Text: Keystone SDA

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