Fragt man Walter Ammann, was ihn antreibt, kommt er in Fahrt und sprüht geradezu vor Energie: «Als Landwirt hat man die Möglichkeit, seine Produkte auf den üblichen, ausgetretenen Pfaden zu vermarkten, oder man kann eigene Ideen umsetzen. Ich habe mich für das Zweite entschieden. Zum Beispiel 2008 dafür, die Idee eines mit Energieholz betriebenen Wärmeverbundes für unser Dorf zu realisieren und als erstes unsere Nachbarliegenschaft anzuschliessen. Das hat wunderbar geklappt. Im gleichen Jahr haben wir eine Umfrage im Dorf gemacht und die Leute gefragt, ob sie ihre Liegenschaften an ein mit Holzschnitzeln betriebenes Nahwärmenetz anschliessen würden.»
Menschen denken mit dem Portemonnaie
Heizöl war damals sehr billig, die Menschen denken kurzfristig und vor allem mit dem Portemonnaie. Es meldeten deshalb nur einzelne Liegenschaftsbesitzende ihr Interesse an. Zuwenig für einen rentablen Betrieb eines Wärmenetzes. Der initiative Landwirt legte das Projekt auf Eis und wartete auf einen günstigeren Zeitpunkt. 2010 wurde das Schloss Wittenwil, eine stattliche Liegenschaft mit hohem Energiebedarf verkauft. Der neue Besitzer interessierte sich sehr für einen Anschluss an die klimafreundliche Energieversorgung und gab damit den Anstoss für eine weitere Umfrage im Dorf. «Man muss etwas Mut und eine gewisse Hartnäckigkeit haben, wenn man von einer guten Idee überzeugt ist», schmunzelt Walter Ammann, und er sollte recht bekommen.
Was heisst Interesse?
Bedeutend mehr Parteien bekundeten 2010 Interesse, beim Wärmeverbund mitzumachen. Aber: Was heisst Interesse? Bei Wärmeverbundprojekten unterzeichnen potentielle Interessenten als erstes oftmals sogenannte Absichtserklärungen. Darauf fussen die ersten Planungen und Wirtschaftlichkeitsrechnungen. Absichtserklärungen bergen – weil sie unverbindlich sind – das Risiko, dass sich die Unterzeichnenden in der «Stunde der Wahrheit» zurückziehen und ihre Liegenschaft nicht an das Wärmenetz anschliessen. Beispielsweise, weil die Öl- oder Gaspreise gerade extrem tief sind. Das hat einen negativen Einfluss auf die Projekte, denn weniger verkaufte Energie pro Laufmeter Wärmenetz bedeutet schlechtere Wirtschaftlichkeit der ohnehin meist knapp kalkulierten Projekte.
Wirtschaftlichen Fehlstart vermeiden
«Um einen wirtschaftlichen Fehlstart zu vermeiden, musste ich mir etwas anderes überlegen», sagt Walter Ammann. Wichtig ist eine von Anfang an genügend hohe Auslastung, d.h. genug Wärmekundschaft, um von Beginn weg einen wirtschaftlich tragfähigen Betrieb zu gewährleisten. Er kam deshalb auf die Idee, der potentiellen Kundschaft ein attraktives, zeitlich begrenztes Einstiegsangebot zu machen. «Ich bot den Leuten einen etwas günstigeren Energiepreis an, wenn sie ihre Gebäude längstens innerhalb von zwei Jahren nach Realisierung des Wärmenetzes anschliessen.» Diese «Frühe Mehrheit» bezeichnet Walter Ammann als «A-Kunden». Sie profitieren von einem attraktiven Energiepreis. Diejenigen, die sich erst nach Ablauf der Frist für das Mitmachen entscheiden, sind die «B-Kunden». Die jüngste Entwicklung an der Preisfront mit den sehr starken Verteuerungen von Heizöl oder Gas machen auch das «B-Kunden-Angebot» attraktiv.
Nachfrage steigt kontinuierlich
Walter Ammanns Wärmeverbund erfreut sich einer kontinuierlich steigenden Nachfrage. «Die Leute sind preissensitiv», bestätigt Walter Ammann. Sein Modell spiegelt nicht einfach die sehr volatilen Preise der klimaschädlichen fossilen Energie, die in den letzten Monaten geradezu explodiert sind, sondern ist an den Schweizer Konsumentenpreisindex gekoppelt. Das schafft Sicherheit und verhindert problematische Preissprünge.
Kantonale Förderung finanziert Feinstaubfilter
Die Frage nach der Bedeutung der kantonalen Förderung für die Realisierung des Projekts beantwortet Walter Ammann vorsichtig positiv. «Es ist nicht so, dass die Beiträge die Wirtschaftlichkeit massiv beeinflusst hätten, so dass ich die Energie deutlich günstiger hätte anbieten können», beschreibt Ammann die Situation. Die Beiträge ermöglichten aber 2011 die Installation einer der ersten Filteranlagen zur Verminderung der Feinstaubemissionen mittels einer elektrostatischen Anlage mit Nasswäscher. «Das war damals ein Projekt mit Innovationscharakter», präzisiert Ammann.
Man lebt nicht vom Wärmeverkauf allein
Für den Betrieb von Walter Ammann ist der Wärmeverbund ein wichtiges Standbein. Allein davon kann die Familie aber bei weitem nicht leben, denn die Wirtschaftlichkeit ist knapp kalkuliert. Walter Ammann hat sich deshalb noch auf weitere Dienstleistungen spezialisiert. Zusammen mit seiner Frau Doris besorgt er seit vielen Jahren in rund zehn Gemeinden die Strassenreinigung und den Randsteinunterhalt. Das Milchkontingent seines Betriebs hat er einem anderen Landwirt verkauft und baut seither auf seinem Hof Getreide und Gemüse an. Die rund sechs Hektaren eigener Wald sichern einen Teil des Energieholzes für den Wärmeverbund. Auf rund einer halben Hektare Land stehen zudem schnell wachsende Holzarten zur Sicherung des Nachschubs an Energieholz bei allfälligen Versorgungsengpässen. «Das hat aber eher symbolischen Charakter», schmunzelt Ammann, «wir haben noch nie Schwierigkeiten gehabt, genügend Holz zu bekommen.»
Räucherschnitzel oder -pellets verkaufen sich gut
Mit seiner jüngsten Innovation nimmt Ammann den Trend des anspruchsvollen Grillierens auf. Damit das Grillgut auch auf Gasgrills einen typischen und feinen Geschmack bekommt, kann es mit Rauch aus Holzschnitzeln oder Pellets aus Apfel-, Birn- oder Kirschbaumholz, wahlweise mit Zusätzen von Knoblauch oder Rosmarin, veredelt werden. Der Rauch entsteht ganz einfach: Man fülle einige der genannten Holzstückchen in eine speziell gelochte Blechdose und stelle sie in den geschlossenen Grill. Der sich entwickelnde Rauch beeinflusst die Geschmacksnoten des Grillgutes aufs Feinste. Die Räucherschnitzel oder -pellets verkaufen sich gut. Das Geschäft ist aber noch sehr jung und die Suche nach weiteren Vertriebspartnern läuft.
Alles in Allem ist Walter Ammann zufrieden. «Mir wird nie langweilig. Ich könnte mir keinen abwechslungsreicheren und interessanteren Beruf vorstellen.»
Ohne Energieholz wäre die Waldbewirtschaftung überhaupt nicht mehr lohnend
Herr Amman, Sie sind selber Waldbesitzer. Wie wichtig ist für Sie das Sortiment Energieholz für die Bewirtschaftung des Waldes?
Ich besitze rund sechs Hektaren Wald. Bei der Bewirtschaftung dieser Fläche spielt das Energieholz eine zentrale Rolle. Ich unterscheide nur noch «Cervelats und Filets», d.h., nur die schönsten Stücke werden als Stammholz in der Sägerei zu Brettern verarbeitet. Zwischensortimente sind wirtschaftlich schon längst nicht mehr zu vertreten. Ohne Energieholz wäre die Waldbewirtschaftung überhaupt nicht mehr lohnend.
Sie betreiben ein Wärmenetz. Wie ist es Ihnen gelungen, die Hausbesitzer zu überzeugen, sich an das Wärmenetz anzuschliessen?
Man muss die Gunst der Stunde nutzen. Bei uns war dies sicher der Moment, als sich der neue Besitzer des Schlosses für die Wärme aus Holz interessierte. Gleichzeitig spielt unser Modell mit den A- und B-Kunden eine wichtige Rolle. A-Kunden haben innerhalb der ersten zwei Jahre ihre Liegenschaften an unser Wärmenetz angehängt und profitieren von etwas günstigeren Energiepreisen. Spätere Anschliesser, die für die Gesamtwirtschaftlichkeit des Energienetzes ebenfalls wichtig sind, bezahlen einen etwas höheren Preis.
Es gibt viele Landwirtschaftsbetriebe mit vergleichbaren Rahmenbedingungen. Haben Sie Empfehlungen, wie andere Betriebe vorgehen können, um ähnliche Projekte zu realisieren?
Im Dorf kennt man sich. Da ist nur derjenige mit einem solchen Projekt erfolgreich, der selber von der Sache überzeugt ist und über die Materie Bescheid weiss. Zudem muss man ehrlich sein, die Informationen und Rahmendaten des Projekts offen und glaubwürdig darstellen und – das ist nicht zu unterschätzen – selber mit gutem Beispiel vorangehen. Das haben wir 2008 zusammen mit unseren direkten Nachbarn gemacht.
Technische Daten der Holzschnitzel-Heizzentrale Wittenwil TG
Besitzer und Betreiber der Heizzentrale |
Oekotech AG, Walter und Doris Ammann, Wittenwil TG |
Heizkesselfabrikat/Baujahre |
Lindner&Sommerauer, 2011 und 2014 |
Nennwärmeleistung |
2 Kessel à je 250 kW |
Wärmeleistungsbereich der Kessel |
Beide Kessel: 70 bis 245 kW |
Brennstoffbedarf |
ca. 1'000 bis 1’200 m3 Holzschnitzel pro Jahr |
Jährliche Energieproduktion Holz |
ca. 850 – 1'000 MWh (Annahme: 1 Schnitzelkubikmeter Sm3 = 850 kWh) |
Brennstoff |
Holzhackschnitzel aus dem Wald und der Feld-, Flur- und Umgebungspflege |
Herkunft/Lieferanten des Brennstoffs |
Wittenwil und umliegende Gemeinden; eigener Wald, weitere Privatwaldbesitzer, Gartenbauer und Forstbetrieb |
Brennstofffeuchte |
durchschnittlich 25 % |
Brennstoffsilos |
Silo 1: ca. 30 m3; Silo 2: ca. 45 m3 netto, reichen für ca. 3 Tage Volllastbetrieb |
Substitution fossile Energie |
ca. 70 bis 85 Tonnen Heizöläquivalent pro Jahr |
CO2-Einsparung |
ca. 220 bis 270 Tonnen pro Jahr |
Speicher zur Brechung Bedarfsspitzen |
rund 8’000 l, Erweiterung auf 12'000 l geplant |
Abgasbehandlung (Feinstaubreduktion) |
2 Elektrostatische Abscheider, Trocken-, bzw. Nassabscheider (Oekosolve) |
Ölkessel |
für seltenen Einsatz, Ölverbrauch ca. 200 -300 Liter pro Jahr (entspricht ca. 2'000 – 3'000 kWh) |
Anteil Gas/Öl an Energieproduktion |
weniger als 1 Prozent |
Potential |
Zusätzlich noch 10-15 Liegenschaften |
Text: Christoph Rutschmann im Auftrag von Holzenergie Schweiz
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