Fritz Wassmann-Takigawa: "400 Windanlagen, bis spätestens 2030 realisiert, wären ein guteidgenössischer Kompromiss – und ein bedeutsamer Schritt in eine verantwortbare, enkeltaugliche Zukunft."

Windkraft kann einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung im Winter leisten, bringt sie doch zwei Drittel ihrer Jahresertrags im Winterhalbjahr und produziert auch nachts, auch bei Regen und Schnee Strom. ©Bild: D. Knuchel

Die Stunde der Windkraft: 400 Windanlagen, bis spätestens 2030 realisiert, wären ein guteidgenössischer Kompromiss

(©FWT) Die Energietrategie 2050 von Bundesrat und Parlament ist vom Schweizer Stimmvolk am 21.5. 2017 trotz abstruser Irreführungen der Gegnerschaft deutlich angenommen worden. Sie ist verbindlich und wird für unsere Energiepolitik der nächsten Jahrzehnte bestimmend sein. Ihr Ziel ist die verlässliche und wirtschaftliche Energieversorgung unseres Landes durch klima- und umweltfreundliche, erneuerbare, möglichst einheimische Energiequellen und die Senkung des CO2-Ausstosses auf Null bis 2050.


Der effiziente Umgang mit Ressourcen, namentlich auch im Gebäudebereich ist wichtiger Bestandteil der Strategie, ebenso der schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie. Ein intelligenter Mix verschiedener Energiequellen, namentlich Sonne, Wasserkraft, Wind, Biomasse und Geothermie, sowie vernetzte Speicher- und Steuersysteme sind Programm. Unabhängige Fachleute sind sich weitgehend einig: Die Richtung stimmt. Zum Schutz unseres Klimas und der Erreichung der Pariser Klimaziele ist das Tempo allerdings viel zu gemächlich. Die gesetzten Ziele müssten – und könnten – bis spätestens 2035, besser schon 2030 statt erst 2050 erreicht werden.

Windkraft – die ideale Ergänzung zu Sonne und Wasserkraft
Photovoltaik, allein auf geeigneten Gebäuden und Fassaden könnte nach einer aktuellen Studie BfE/ZHAW übers Jahr weit über 100 % unseres Strombedarfs decken. Der Engpass liegt im Winterhalbjahr, wo wir mehr Strom brauchen und die Sonne weniger und schwächer scheint. Windkraft könnte da einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung leisten, bringt sie doch zwei Drittel ihrer Jahresertrags im Winterhalbjahr und produziert auch nachts, auch bei Regen und Schnee Strom.

Sowohl in Europa, wie auch weltweit wird Windkraft rasant zugebaut. Alle unsere Nachbarn, wie auch Schweizer Stromkonzerne sind im Ausland mit dabei. Was macht Windkraft so attraktiv? Sie ist umweltfreundlich und sauber – nach einer aktuellen deutschen Studie die umweltfreundlichste Energiegewinnung überhaupt. Windkraft benötigt wenig Platz, ist (am richtigen Standort) hocheffizient; ihre Ökobilanz ist unschlagbar; die Grauenergie ist innert einem halben Jahr wieder eingespielt; eine Neuanlage innert Monaten aufgebaut und in noch kürzerer Zeit wieder spurlos abgebaut. Und Windstrom ist preisgünstig: In der Schweiz liegen die Produktionskosten bei etwa 10 Rp/KWh und tiefer, im europäischen Ausland bei 6 Eurocent und darunter. Windkraft ist die ideale Partnerin zu Sonnenenergie und Wasserkraft. Worüber endlose Diskussionen hinwegtäuschen: Windkraft ist bei Volksbefragungen nach wie vor sehr beliebt und über 80 % der Abstimmungen zu konkreten Projekten auf Gemeinde- und Kantonsebene gehen für die Windkraft positiv aus. Und ganz persönlich: Windanlagen sind einfach schön, die perfekte Synthese von Funktion, Hightech und Ästhetik!

Shitstorm gegen Windkraft und dessen Hintergründe
Die Fülle guter Eigenschaften der Windkraft ist aber auch ihre Achillesferse, denn durch ihre Schlüsselposition als Ergänzung zur Photovoltaik ist sie eine tödliche Konkurrenz aller fossilen und nuklearen Energieträger. Vor allem deshalb wird sie von grossen Energiekonzernen – in der Schweiz vor allem von der Atomlobby – seit Jahren ebenso vehement wie auch skrupellos bekämpft. Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass der allergrösste Teil der gegen Windkraft vorgebrachten Behauptungen schlicht falsch und meist klar widerlegt ist.

Windkraft nicht relevant für Vogelbestände
Besonders schmerzlich, wenn Vogel-, Natur- und Landschaftsschützer sich gegen Windkraft engagieren und sich von nachweislich realitätsfremden Publikationen verunsichern lassen (ich habe mehrere aktuelle Publikationen, wie auch einen Vortrag von Freie Landschaft Schweiz kritisch geprüft). Ja, es gibt leider Vogelschlag an Windturbinen – aber sehr, sehr selten. Dies belegen gründliche Studien u. a. in Deutschland (z. B. Progress-Studie, Paderborner Studie). In Deutschland, wo rund 30‘000 Windturbinen drehen, wie auch in anderen Ländern Europas, hat beispielsweise der Rotmilan gleichzeitig mit dem Ausbau der Windkraft massiv zugenommen, ebenso wie Uhu, Seeadler, Schwarzstorch und Wanderfalke. BUND, WWF Deutschland und WWF Österreich, das Deutsche Bundesamt für Naturschutz, die EU-Kommission und zahlreiche Gewährsleute unterstützen den weiteren Ausbau der Windkraft und kommen zum Schluss, dass bei keiner einzigen Vogelart die Windkraft für die Bestände relevant ist.

Die soeben erschiene Broschüre „Winterstrom für die Schweiz – Warum wir auch in der Schweiz Windenergie brauchen“ von energieschweiz/Bundesamt für Energie BfE informiert faktentreu und überzeugend über die Windkraft in der Schweiz kostenlos und in beliebigen Mengen zu beziehen bei www.bundespublikationen.admin.ch unter Artikelnummer 805.240 D).

Zielorientierte Gespräche – eine einvernehmliche Lösung für die Schweiz
Alle grossen Umweltorganisationen, auch Swiss Bird Life und die Stiftung für Landschaftsschutz, haben der Energiestrategie 2050 des Bundes zugestimmt – im Wissen, dass darin der Bau von 700-800 Windanlagen vorgesehen ist. Jetzt fast jedes Windkraftprojekt zu bekämpfen ist weder fair noch glaubwürdig. Für den Klimaschutz (und damit auch den Arten- und Naturschutz) und eine verlässliche, saubere Stromversorgung gehen so Jahre unnötig verloren. Eine konsensfähige Lösung ist überfällig.

Deshalb mein Vorschlag: Gemeinsam ein verbindliches Etappenziel festlegen. Befürworter und Kritiker der Windkraft setzen sich zusammen, legen Standorte für künftige Windanlagen fest (vorbehältlich exakter Messdaten vor Ort). 400 Windanlagen, bis spätestens 2030 realisiert, wären ein guteidgenössischer Kompromiss – und ein bedeutsamer Schritt in eine verantwortbare, enkeltaugliche Zukunft.

©Text: Fritz Wassmann-Takigawa

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1 Kommentare

Max Blatter

"Windanlagen sind einfach schön, die perfekte Synthese von Funktion, Hightech und Ästhetik!" Sehe ich genau so. Das gilt mit Sicherheit für die einzelne Windturbine. Und ich bin überzeugt: Diese Ästhetik lässt sich auch bei größeren Windparks erreichen. Vielleicht braucht es das geschulte Auge einer Landschaftsarchitektin oder eines Landschaftsarchitekten, um mit kleinen Standortverschiebungen der Turbinen das Ganze optimal in die Natur zu integrieren. Der kleine Mehraufwand könnte sich lohnen!

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