Nutzungsoptionen von erneuerbaren Gasen. In einem immer stärker durch Wind- und Solarstrom geprägten Energiesystem gewinnt die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff und Methan an Bedeutung. ©Bild: Uwe Welteke-Fabricius

Universal-Energieträger für die Energiewende: Sektorenkopplung mit erneuerbaren Gasen

(AEE) Wasserstoff (H2) spielt für die Verknüpfung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr (Sektorenkopplung) eine wichtige Rolle. Das Gas kann in vielen Anwendungen genutzt werden, wie z. B. als Kraftstoff im Verkehr oder als Rohstoff in der Industrie. Es kann durch Einbindung von Kohlenstoff aus CO2 auch weiter umgewandelt werden in synthetisches Methan (CH4). Letzteres ist genauso vielseitig nutzbar wie herkömmliches Erdgas. Das zur Methanisierung benötigte CO2 kann auch durch Biogasanlagen bereitgestellt werden, denn in Biogasanlagen entsteht konzentriertes CO2.


In Zukunft soll die Nutzung von Power-to-Gas-Technologien die mittel- und langfristige Speicherung von Energie ermöglichen und vor allem in Bereichen eingesetzt werden, wo eine direkte Stromnutzung nicht möglich ist, etwa zur Produktion von Hochtemperatur-Prozesswärme. Aufgrund der hohen Energieverluste bei den chemischen Prozessen sollte Strom jedoch entsprechend den Möglichkeiten bevorzugt direkt genutzt werden.

Flexibler Betrieb
Die Anlagen können und müssen flexibel betrieben werden, um einerseits Netzengpässe zu vermeiden und andererseits den Anteil der erneuerbaren Energien bei voller Versorgungssicherheit bis auf 100 Prozent zu steigern. Flexibilität bedeutet, dass die Stromerzeugung in Gaskraftwerken und Biogasanlagen ruht, sobald das Netz ausgelastet ist und die Anlagen genau dann einspringen, wenn Wind und Sonne fehlen. Um dies nutzen zu können, müssen verstärkt Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, wie z. B. BHKW an Biogasanlagen und in Wärmenetzen, mit hoher Leistung und mit Wärmepufferspeichern ausgestattet werden. Dann können flexibilisierte Systeme die ausscheidenden Kohle- und Kernkraftwerke ersetzen und die Energieversorgung sichern. „Eine erneuerbare Vollversorgung wird zukünftig auf die Flexibilität von Power-to-Gas angewiesen sein, die neben dem Wasserstoff heute schon mit Technologien der Bioenergie erfolgreich betrieben wird“, so Robert Brandt, Geschäftsführer der AEE. „Die Grundlage für den effizienten Einsatz von synthetischen Gasen bilden jedoch die Stromerzeugung aus Wind und Sonne, deren weiterer Ausbau gewährleistet sein muss.“

3 Fragen an ...
Uwe Welteke-Fabricius, Geschäftsführer der Flexperten – Netzwerk Flexibilisierung für KWK / meta-i. d. Ökologische Innovation GmbH:

Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit Wasserstoff zukünftig effektiv in das Energiesystem integriert werden kann?
Wasserstoff ist ein idealer Energieträger, um erneuerbaren Strom aus klimatisch begünstigten Erzeugerländern in Molekülen zu speichern. Die Energie kann dann ohne Leitungen in kalte und hoch industrialisierte Länder transportiert werden. Für die breite Erzeugung von Wasserstoff brauchen wir zunächst einen entschlossenen und möglichst schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Also noch mehr Wind- und Solarstrom, als ohnehin schon für den Strommarkt, E-Mobilität und Anderes bereits absehbar war.

Aber: Nur für Strommengen, die man nicht zeitgleich direkt verbrauchen kann, die also im Moment überschüssig sind, hat die Elektrolyse einen Sinn. So lange noch Strom aus fossilen Quellen kommt, wäre es widersinnig, daraus Wasserstoff zu erzeugen – ausser zu Forschungszwecken. Deshalb wird man sicher hohe Förderung benötigen, um den Aufbau von Elektrolyseuren in nur den wenigen Betriebsstunden mit EE-Strom wirtschaftlich zu machen. Erst Ende des Jahrzehnts werden wir etwa 3000 Jahresstunden mit Strom-Überschuss erreichen – das ist wenig für eine Technik, die Tag und Nacht laufen kann. Die in der Wasserstoff-Strategie genannten Energiemengen sind bisher relativ bescheiden. Noch auf lange Sicht wird ein Vielfaches von der Stahl- und Chemieindustrie benötigt, bevor man Wasserstoff in andere Energiesysteme integrieren müsste.

Wie kann Windenergie, die wegen des unzureichenden Netzausbaus teils abgeregelt wird, schon heute nutzbar gemacht werden?
Es ist natürlich schade um jede Kilowattstunde, die wegen des nachhinkenden Leistungsbaus verloren geht. Aber das ist nur ein Bruchteil der Windernte. Die naheliegende Lösung ist, erst einmal alle regelbaren Erzeuger komplett abzuschalten, um die Kapazitäten für den Windstrom freizumachen. Biogasanlagen müssen dafür flexibilisiert werden, träge Grosskraftwerke endlich ganz aus dem Markt gehen.

Was dann noch übrig ist, kann man wesentlich schneller und mit weniger Investitionsaufwand in Wärme umwandeln und damit fossile Heizungen verdrängen. Eine Wasserstoffwirtschaft auf den abgeregelten Strommengen aufzubauen, wäre eine Illusion.

Insbesondere im Wärmesektor muss der Anteil der Erneuerbaren gesteigert werden. Wie kann dabei eine verstärkte Flexibilisierung der Sektoren helfen?
Im Wärmesektor haben wir drei wesentliche Optionen: Die Energieeffizienz reduziert den Bedarf – im Neubau hoffentlich bald auf nahe Null. Den kleinen Rest macht man in Zukunft immer öfter mit Strom. Im Bestand gibt es einen Wettbewerb zwischen der Modernisierung des Bestands und dem Bau von Wärmenetzen. Solche Wärmenetze werden vorzugsweise mit einem regenerativen Speicherkraftwerk kombiniert, bekommen einen grossen Pufferspeicher und können dann vielfältige Wärmequellen nutzen: Solarthermie, industrielle Abwärme, Power-to-Heat und insbesondere Wärme aus flexiblen KWK-Anlagen, also kleinen Kraftwerken vor Ort.

Diese Wärmespeicher können auch die Abwärme der Wasserstofferzeugung aufnehmen – deshalb ist die Flexibilität der dezentralen Sektorenkopplung ein Schlüssel für den schnellen Aufwuchs der Wasserstoffwirtschaft. Und dann – die dritte Option – brauchen wir viel mehr Biogas und Wasserstoff, um möglichst zügig das importierte Erdgas zu ersetzen und das Gasnetz zu defossilisieren.

Praxisbeispiele für flexible Bioenergieanlagen >>

Text: Deutsche Agentur für Erneuerbare Energien (AEE)

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1 Kommentare

Max Blatter

Das ist mal ein Statement, bei dem ich hinter jedem Detail stehen könnte! Mit einer kleinen Präzisierung: "Power-to-Heat" nur mit Wärmepumpen. Außer vielleicht in Ausnahmefällen für Hochtemperatur-Prozesswärme.

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