Der Entscheid zum neuen CO2-Gesetz zeigt: Das Parlament ist eindeutig grüner geworden. Bild: T. Rütti

Totalrevision CO2-Gesetz: Parlament beschliesst deutlich Klimamassnahmen im Strassen- und Flugverkehr und ambitioniertere Inlandziele

(SDA) Wer fliegt oder Auto fährt, soll künftig tiefer in die Tasche greifen müssen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Flugticketabgabe sowie Massnahmen zur Verteuerung des Benzins beschlossen. Damit sollen die Ziele des Pariser Klimaabkommens näher rücken. Eine Aufzählung der wichtigsten Entscheide finden Sie am Textende.


Nach über zwölf Stunden Beratung hat der Nationalrat am Mittwochnachmittag das CO2-Gesetz zu Ende beraten. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage zur konkreten Umsetzung des Pariser Klimaabkommens deutlich angenommen - mit 135 zu 59 Stimmen bei einer Enthaltung.

Die Schweiz muss ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 halbieren. Die Totalrevision des CO2-Gesetzes stellt die Weichen, damit dieser Verpflichtung nachgekommen werden kann. Der Bundesrat hat dem Parlament ein Portfolio an Massnahmen vorgeschlagen.

Gelder werden an Bevölkerung zurückerstattet
Das Gesetz setzt unverändert auf Lenkungsabgaben. Das heisst, die Gelder fliessen in einen Klimafonds und werden im Gegensatz zu Steuern in unterschiedlichen Formen der Bevölkerung zurückerstattet. Der Ständerat hat die Vorlage im vergangenen Herbst unter dem Eindruck der weltweiten Klimaproteste behandelt und mit grosser Mehrheit angenommen.

Breite Allianz für den Klimaschutz
Der nach den Wahlen vom Herbst neu zusammengesetzte Nationalrat hat den Willen zu wirksamen Klimamassnahmen nun ebenfalls manifestiert. Er korrigierte damit seinen Entscheid vom Dezember 2018. Damals schickte eine Allianz aus SVP, Grünen und GLP das Geschäft in der Gesamtabstimmung bachab. Die SP enthielt sich.

Der Grund für das Scheitern vor anderthalb Jahren war, dass eine bürgerliche Mehrheit die Vorlage stark verwässert hatte. Dieses Mal kam es anders: Nach über zwölf Stunden Beratung setzte sich eine Mitte-Links-Mehrheit mit zahlreichen Stimmen von der FDP durch. Das Resultat in der Abstimmung lautete: 135 Ja zu 59 Nein bei einer Enthaltung.

Fliegen wird teurer
Der Nationalrat folgte mit wenigen Ausnahmen seiner vorberatenden Umweltkommission und vielen Entscheiden des Ständerats. Die allermeisten der über achtzig Minderheits- und Einzelanträge waren chancenlos. Die SVP wollte das CO2-Gesetz verwässern, die Ratslinke noch weiter verschärfen. Durchgesetzt hat sich ein moderater Kurs.

Der Nationalrat beschloss etwa die in der Öffentlichkeit viel diskutierte Flugticketabgabe, wie sie der Ständerat lanciert hatte. Auf Tickets für kommerzielle Passagierflüge soll eine Abgabe zwischen 30 und 120 Franken erhoben werden, je nach Distanz und Klasse.

Bis zu 12 Rappen mehr pro Liter Benzin
Auch im Strassenverkehr beschloss der Nationalrat Verschärfungen zugunsten des Klimaschutzes. Die grosse Kammer ist wie der Ständerat mit Massnahmen einverstanden, die das Benzin verteuern.

Künftig sollen Treibstoffimporteure mehr kompensieren müssen - und einen grösseren Teil im Inland. Wie der Ständerat will der Nationalrat den Aufschlag aber begrenzen. Bis 2024 soll die Kompensation den Liter Treibstoff um höchstens 10 Rappen verteuern dürfen, ab 2025 um bis zu 12 Rappen.

Teurer werden könnte auch das Heizöl. Der maximale Satz der CO2-Abgabe auf Brennstoffen soll von heute 120 auf bis zu 210 Franken pro Tonne CO2 steigen, wenn die Emissionen aus Brennstoffen nicht genügend zurückgehen. Das Aus für fossile Heizungen soll etwas später kommen als vom Ständerat geplant. Die Kantone sollen eine Übergangsfrist bis 2026 erhalten.

Ambitioniertere Inlandziele
Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO) sagte im Namen der Umweltkommission, dass die gesamten Abgaben rückverteilt würden. "Die CO2-Abgabe wird nicht zum Wettbewerbsnachteil gereichen."

Zu Beginn der Beratungen gaben die allgemeinen Verminderungsziele zu reden. Geht es nach der grossen Kammer, sollen mindestens 75 Prozent der Emissionsreduktionen im Inland erfolgen. Damit geht der Nationalrat weiter als der Ständerat und der Bundesrat. Sie wollen die Klimaziele nur mit mindestens 60 Prozent an inländischen Massnahmen erreichen.

Belohnung für sparsame Unternehmen
Wesentlich von den Beschlüssen des Bundesrats und des Ständerats abgewichen ist der Nationalrat auch bei den Möglichkeiten für Unternehmen, sich von der CO2-Abgabe zu befreien. Das können Unternehmen seit 2008 tun, wenn sie sich dazu verpflichten, ihre Emissionen zu senken.

Nach dem Willen der grossen Kammer soll dieser Weg neu allen Unternehmen offenstehen. Der Bundesrat hatte einen Schwellenwert von jährlich 15'000 Franken CO2-Abgabelast vorgeschlagen, der Ständerat sprach sich für 10'000 Franken aus. Die Nationalrat möchte, dass auch KMU Zielvereinbarungen abschliessen können.

Die Klimaverträglichkeitsprüfung, wie sie der Ständerat beschlossen hatte, wurde vom Nationalrat gestrichen. Neu können grundsätzlich alle Unternehmen Verminderungsverpflichtungen eingehen und so die Rückerstattung der CO2-Abgabe bewirken.

Referendum liegt in der Luft
Auch bei den Regelungen, wie die Mittel aus dem neuen Klimafonds verwendet werden sollen, müssen sich die Räte noch finden. In den Fonds sollen ein Drittel des Ertrags aus der CO2-Abgabe und knapp die Hälfte aus der Flugticketabgabe fliessen. Die Details sind umstritten.

Insgesamt ist die Vorlage aber auf einem guten Weg, wie auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga nach den Beratungen feststellte. Ein mehrheitsfähiges Schlussresultat liegt in Reichweite.

Die SVP, welche nicht auf das "giftgrüne" CO2-Gesetz eintreten wollte und diesem in der Detailberatung fast sämtliche Zähne ziehen wollte, gibt sich aber kampfeslustig. Sie werde ein Referendum unterstützen, falls "direkt betroffene Wirtschaftsverbände" ein solches ergreifen würden, liess die SVP unmittelbar nach der Gesamtabstimmung verlauten.


Wichtige Entscheide der Räte zum CO2-Gesetz
Der Nationalrat hat die Totalrevision des CO2-Gesetzes am Dienstag und Mittwoch während fast 13 Stunden beraten. Der Ständerat hatte im vergangenen Herbst erste Entscheide gefällt. Eine kurze Zwischenbilanz nach Themenfeldern:

  • ZIEL: Das Gesetz soll einen Beitrag dazu leisten, den Anstieg der durchschnittlichen Temperatur auf der Erde deutlich unter 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1.5 Grad zu begrenzen.

  • INLANDANTEIL: Die Schweiz soll bis 2030 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 halbieren. Geht es nach dem Ständerat, sollen dazu mindestens 60 Prozent der Massnahmen im Inland erfolgen. Der Nationalrat will den inländischen Zielwert bei 75 Prozent fixieren.

  • HEIZUNGEN: Geht es nach dem Ständerat, soll für Altbauten ab 2023 ein CO2-Grenzwert gelten, wenn die Heizung ersetzt werden muss. Hausbesitzer könnten damit nur noch dann eine neue Ölheizung einbauen, wenn das Haus gut isoliert ist. Der Grenzwert von maximal 20 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Energiebezugsfläche und Jahr soll in Fünfjahresschritten um jeweils fünf Kilogramm reduziert werden. Der Nationalrat will, dass zu ersetzende Öl- und Gasheizungen teilweise erst ab 2026 einem CO2-Grenzwert unterliegen müssen.

  • NEUWAGEN: CO2-Zielwerte für den Durchschnitt neuer Fahrzeuge sollen weiter verschärft werden, im Einklang mit der EU. Neu sollen ausserdem nicht nur für Autos, Lieferwagen und leichte Sattelschlepper Vorgaben erlassen werden, sondern auch für schwere Lastwagen. Importeure müssen zahlen, wenn ihre Neuwagenflotte über den Zielvorgaben liegt.

  • BENZINPREIS: Die Hersteller und Importeure fossiler Treibstoffe sollen einen grösseren Teil des CO2-Ausstosses kompensieren müssen - und mehr im Inland. Das schlägt sich auf den Benzin- und Dieselpreis nieder. Das Parlament will den Aufschlag aber begrenzen: Bis 2024 soll die Kompensation den Liter Treibstoff um höchstens 10 Rappen verteuern dürfen, ab 2025 um bis zu 12 Rappen.

  • FLUGTICKETABGABE: Auf Flugtickets soll eine Abgabe von mindestens 30 und höchstens 120 Franken erhoben werden, je nach Klasse und Reisedistanz. Belohnt werden jene, die wenig oder gar nicht fliegen: Gut die Hälfte der Einnahmen soll an die Bevölkerung zurückerstattet werden, die andere Hälfte fliesst in einen neuen Klimafonds, der bisherige Gefässe ersetzt. Auch auf Flügen mit Privatjets soll eine Abgabe erhoben werden. Abgelehnt hat das Parlament eine zusätzliche Abgabe für Flüge in der Business und First Class. Auch für Transitpassagiere gelten die Regeln nicht.

  • BRENNSTOFFE: Der maximale Satz der CO2-Abgabe auf Brennstoffen soll von heute 120 auf bis zu 210 Franken pro Tonne CO2 steigen, wenn die Emissionen aus Brennstoffen nicht genügend zurückgehen.

  • UNTERNEHMEN: Die CO2-Abgabe soll schrittweise erhöht werden. Der Nationalrat will aber, dass sich alle Unternehmen davon befreien können. Der Ständerat legt die Schwelle für eine Abgabebefreiung bei 10'000 Franken fest.

  • KLIMAFONDS: In den Fonds sollen ein Drittel des Ertrags aus der CO2-Abgabe und knapp die Hälfte aus der Flugticketabgabe fliessen. Die Details sind umstritten.

Text : Keystone-SDA

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3 Kommentare

Stephan Riediker

Ein nachhaltiger Schutz unserer Umwelt liegt in allgemeinem essenziellen Interesse. Kurzfristige Wohlstandsspekulationen und Globalisierung haben dessen Vernachlässigung begünstigt. Die daher geförderten Verbrennungen von Energieträgern setzen, neben Schadstoffen, Treibhausgase wie Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid frei. Letzteres ist Gegenstand der aktuellen politischen Diskussion, da unsere Atmosphäre damit bereichert wird.

Während das durch Holzverbrennung freigesetzte CO2 durch wieder nachwachsende Bäume gebunden wird, ist die Nutzung fossiler Energie problematischer, da sich deren CO2- Ausstoss additiv in der Atmosphäre akkumuliert, dort einen Treibhauseffekt verursacht, sich mit H2O zu H2CO3 bindet, was Kalkstein angreift und Böden übersäuert. Hinzu kommt der volkswirtschaftliche Aspekt dass fossile Energie ein ausschliessliches Importgut ist, womit sich die Wertschöpfung ausserhalb unseres BSP befindet. Würden die Ausgaben für Erdölprodukte durch einheimische Energie "Oil of Emmental" ersetzt werden, könnte man hierzulande nachhaltig Arbeitsplätze schaffen.

Ein entsprechendes Gesetz wäre natürlich sinnvoll. Problematisch am vorliegenden Gesetzesentwurf ist allerdings die willkürliche Selektion der vom Endverbraucher zu besteuernden Konsumgüter. Es wird eine ewige Diskussion geben, welche Art von Flugtickets wie stark besteuert werden soll, ob es richtig ist und dass Heizöl pro kWh Energie unterproportional besteuert wird… ob man sogar durch den Ausbau des Auto- Katalysators die Benzinbesteuerung wieder senken soll, da somit das Kohlenstoff- und Stickstoffmonoxid nicht mehr zu CO2 katalysiert wird.

Die einfachste allgemeine Lösung wäre eine angemessene Verzollung importierter Energie. Durch die Einnahmen könnten einkommensschwache Bürger steuerlich entlastet werden, womit diese eine allfällige Verteuerung einiger Konsumgüter verkraften könnten.

Markus Meier

Ein Beispiel wie das Volk an der Nase herum geführt wird... Traurig.
https://vimeo.com/281506059

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