Im Podiumsgespräch umschrieb DSV-Vorstandsmitglied Gian von Planta die vielfältigen, teilweise verwirrenden Erwartungen, denen sich die Verteilnetzbetreiber heute ausgesetzt sähen. Bild: DSV

14. DSV-Forum: Schlanke Regulierungen für effiziente Verteilnetzbetreiber

(PM) Was hat der gelbe, hölzerne «Cubebot», den alle Teilnehmenden des 14. DSV-Forums am 8. November 2019 als Mitbringsel erhielten, mit einem Verteilnetzbetreiber (VNB) zu tun? Viel, sagte DSV-Präsident Peter Lehmann in seiner Begrüssungsrede – denn mehr denn je gelte es für die VNB, angesichts der täglichen Herausforderungen flexibel, beweglich und vielleicht auch ein wenig verspielt zu sein, um sich in ganzer Grösse zeigen zu können.


So war es denn auch passend, dass als Motto des diesjährigen Forums die zentrale Vision des DSV «Schlanke Regulierungen für effiziente Verteilnetzbetreiber» gewählt wurde, die neben der Forderung nach genügend unternehmerischem Spielraum für die Strombranche auch den Aufruf an deren Exponenten beinhaltet, immer wieder von Neuem den Aufbruch zu suchen und sich beständig zu verbessern.

Moderator Rolf Schmid erinnerte sodann an den Mauerfall vor (fast) genau dreissig Jahren und zog Parallelen zur Strommarktliberalisierung, die in der Branche einen vergleichbaren Umbruch einläutete – wobei in beiden Fällen die Beteiligten auch heute noch nach dem idealen Weg suchen, wie die «Wendezeit» optimal zu meistern ist.

Keine signifikanten Versorgungssicherheitsprobleme zu befürchten
Einen solchen Weg in die Energiezukunft versuchte BFE-Direktor Benoît Revaz in seiner Keynote genauer zu skizzieren. Zwar seien der Endenergie- und Stromverbrauch pro Person und Jahr seit längerem rückläufig, dennoch brauche es weitere Anstrengungen, um die für 2035 gesteckten, anspruchsvollen Reduktionsziele zu erreichen. Immerhin seien aus der System-Adequacy-Perspektive nach wie vor keine signifikanten Versorgungssicherheitsprobleme in Europa und der Schweiz zu befürchten – vorausgesetzt, der produktionsseitige Ausbau erfolgt überall wie geplant.

Klarer Trend zur vollständigen Marktöffnung
Aufgrund der Vernehmlassung zur Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) zeichnet sich, so Revaz, ein klarer Trend zur vollständigen Marktöffnung ab. Dabei seien jedoch – wie unlängst von Uvek-Vorsteherin Simonetta Sommaruga angekündigt – geeignete Begleitmassnahmen zu treffen, um die Produktion der erneuerbaren Energien im Inland sicherzustellen sowie raschmöglichst Planungssicherheit bezüglich der Ausgestaltung der Förderinstrumente zu erhalten. Das entsprechende Aussprachepapier wird im ersten Quartal 2020 erwartet.

Elektrifizierung der Energiesysteme
Abschliessend erinnerte Revaz an die enge Verflechtung der Energiestrategie 2050 mit den Klimazielen des Bundes, deren gemeinsamer Nenner die zunehmende Elektrifizierung der Energiesysteme sei. Das daraus entstehende Marktpotenzial bezifferte Revaz auf 15 bis
20 Milliarden Franken und rief die Branche dazu auf, diesen Markt mit Engagement und Innovationen zu erobern.

Europaweit in der Topliga
Renato Tami, Geschäftsführer der ElCom, blickte anschliessend auf die ersten fünf Jahre Sunshine-Regulierung zurück und zog ein positives Fazit. Insbesondere lobte er die Verteilnetzbetreiber, deren Kapital-, Betriebs- und Verwaltungskosten seit Jahren stabil geblieben seien. Bezüglich Versorgungssicherheit (SAIDI-Ziffer) spiele die Schweiz zudem «europaweit in der Topliga», und auch die (bisherige) 95-Franken-Regel werde von rund 90 Prozent der Netzbetreiber eingehalten.

Individuellen Ergebnisse von Sunshine-Regulierung veröffentlichen
Aus Sicht der ElCom gelte es nun, baldmöglichst die – in der Revision StromVG vorgesehene – Rechtsgrundlage zu erhalten, um die individuellen Ergebnisse der Sunshine-Regulierung veröffentlichen zu können. Dabei gehe es, so Tami, nicht darum, Unternehmen an den Pranger zu stellen, sondern den Wettbewerb zu fördern. Grössere Ausschläge bei den erfassten Werten, etwa bei den Netzkosten, seien oft auf falsche Allokationen zurückzuführen – etwa, dass Unternehmen allzu oft auf lokale Anbieter setzten und den Markt zu wenig nutzten.

40 bis 45 Terawattstunden Solarstrom
Roger Nordmann, SP-Nationalrat und Präsident der Urek-N, hielt sodann ein engagiertes Plädoyer für die Photovoltaik – auf der Basis seines unlängst erschienenen Buches «Ein Solarplan für die Schweiz». Für Nordmann ist die Photovoltaik die realistischste Option, den zusätzlichen Strombedarf von 40 bis 45 Terawattstunden bis 2050 zu decken, der sich aus dem Atomausstieg sowie der Dekarbonisierung von Verkehr und Gebäuden ergibt. Sommerliche Überschüsse in der Stromproduktion könnten gemäss Nordmann problemlos mittels Peak Shaving bewältigt werden, und für die Deckung der «Winterlücke» könnte mittels saisonaler Wärmespeicherung nicht zuletzt der Verbrauch der Wärmepumpen im Winterhalbjahr reduziert werden. Dabei zählt Nordmann ausdrücklich auf die VNB als Verbündete, weil durch das lokale Strommanagement die Netze entlastet würden.

Teilweise verwirrenden Erwartungen
Im anschliessenden Podiumsgespräch umschrieb DSV-Vorstandsmitglied Gian von Planta die vielfältigen, teilweise verwirrenden Erwartungen, denen sich die Verteilnetzbetreiber heute ausgesetzt sähen, und forderte Politik und Behörden auf, die Branche im Gesetzgebungsprozess früher und stärker einzubinden. BFE-Direktor Benoît Revaz äusserte Verständnis, dass die derzeit hohe Regulierungsdichte eine Herausforderung darstellen könne – und appellierte gleichzeitig an die VNB, sich in die Diskussionen einzubringen, aber auch, mutig zu sein und die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Auch Roger Nordmann wies darauf hin, dass der Markt zu immer neuen Regulierungen führe, weil einige Marktteilnehmer zu sehr nach der Maxime «Wen kann ich noch melken?» agierten.

Ausspeiseprinzip könnte obsolet werden
Renato Tami ortete in der Frage nach dem Marktmodell der Zukunft die entscheidende Herausforderung, da das heute gültige Ausspeiseprinzip aufgrund der neuen Entwicklungen obsolet werden könnte. Dabei sei jedoch in erster Linie die Situation der grossen, im internationalen Wettbewerb stehenden Energieproduzenten zu berücksichtigen, da diese letztlich die Versorgungssicherheit gewährleisteten – während die auf Netzebene 7 tätigen VNB dank des WACC von gewissen Sicherheiten profitieren könnten. Auf jeden Fall habe das künftige Marktdesign nach Ansicht von Renato Tami klare Investitionsanreize zu schaffen.

Emotionalität des Themas
Die Frage der vollständigen Marktöffnung, so Renato Tami weiter, sei vor diesem Hintergrund somit nicht entscheidend. Benoît Revaz wiederum anerkannte zwar die Emotionalität des Themas, wies jedoch darauf hin, dass schon heute fünf Sechstel der Energie auf dem Markt beschafft würden und die Konsequenzen einer freien Wahl für die Endkunden marginal seien. Gian von Planta wiederum vertrat die Haltung des DSV, dass vor der vollständigen Strommarktliberalisierung grundlegende Korrekturen an der Gesetzesvorlage anzubringen seien – wie etwa der Verzicht auf eine regulierte Grundversorgung.

Ehub-Tool von der Empa
Nach der regulatorischen Ebene standen am Nachmittag traditionsgemäss innovative Ansätze aus der Praxis im Zentrum. Empa-Wissenschaftler Andrew Bollinger zeigte anhand des Areals Sommerau Nord in Gossau (SG), wie mittels einer software-basierten Herangehensweise optimale Energiekonzepte für Quartiere entwickelt werden können. Nach Betrachtung der vorhandenen energetischen Inputs, des gewünschten Bedarfs und der zur Verfügung stehenden Technologien modellieren Algoritmen den Energie-Hub und finden so die bezüglich Kosten und Emissionen optimale Lösung. Bemerkenswerterweise zeige sich dabei gemäss Andrew Bollinger häufig, dass die CO2-Emissionen markant gesenkt werden können, ohne dass dies die Lebenszykluskosten negativ beeinflusst. Das von der Empa entwickelte Ehub-Tool soll nun als Software-as-a-Service-Webplattform allen interessierten Kreisen zur Verfügung gestellt werden.

Vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Batterien
Thomas Stadler von Alpiq Digital AG stellte anhand des unlängst installierten 1.2-Megawatt-Speichers in Maienfeld (GR) die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Batterien in den Energiesystemen weltweit vor – vom kleinen Musikfestival bis hin zum Grosshandel. In der Schweiz stehen laut Thomas Stadler in erster Linie Systemdienstleistungen im Zentrum des Interesses sowie Anwendungen im Übertragungs- und Verteilnetz; im Falle von Maienfeld war es die massive Zunahme von Schnellladestationen an der nahen Autobahn A 13 und die damit verbundene potenzielle Verdreifachung der Netzlast an Spitzentagen, die den Testbetrieb auslöste. Rein singuläre Anwendungen sind nach Ansicht von Thomas Stadler jedoch nicht sinnvoll; wirklich attraktiv werde die Speicherbewirtschaftung erst im Zusammenspiel mit Primär- und Sekundärregelleistung.

Prämierte Smart-Grid-Plattform GridEye
Zum Schluss präsentierte DepSys-CCO Anja Langer Jacquin die 2019 mit dem Watt d’Or ausgezeichnete Smart-Grid-Plattform GridEye. Diese unterstützt die Netzbetreiber bei der Aufgabe, immer grössere Mengen an dezentraler und fluktuierender Energie ins Stromnetz zu integrieren, ohne die Netzstabilität zu gefährden. Aus Sicht von Anja Langer Jacquin ist es jedoch mit der Installation einer Software alleine nicht getan – vielmehr gelte es, die Netzbetreiber selbst (und nicht nur die Netze) zu digitalisieren: «Der Erfolg von morgen hängt von Entscheidungen ab, die auf qualitativ hochwertigen Daten aus dem gesamten Netz basieren.»

Der Vortrag von Jörg Haller, EKZ, über «Dynamische öffentliche Beleuchtung in der Praxis» musste aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung des Referenten leider ausfallen; die entsprechenden Präsentationsfolien werden jedoch wie alle anderen Forumsdokumente im Nachgang zur Veranstaltung auf www.dsvnet.ch aufgeschaltet.

Subsidiarität künftig wieder grösseres Gewicht
In seinem Schlusswort kam DSV-Präsident Peter Lehmann erneut auf das Forums-Motto zurück und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Subsidiarität künftig wieder grösseres Gewicht in den Entscheidungsprozessen erhalte – dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich die Verteilnetzbetreiber ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung sehr wohl bewusst seien. Mit dem Aufruf an die DSV-Mitglieder, die damit einhergehende Verpflichtung stets wahrzunehmen, schloss Peter Lehmann das DSV-Forum 2019.

Text: DSV Dachverband Schweizer Verteilnetzbetreiber

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