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(Senior) Projektleiter:in vielfältige Solarprojekte / Photovoltaik

Das 100 Megawatt-Kraftwerk Shams-1. Die Vision der Desertec-Leute, Europa mit Wüstenstrom zu versorgen, konnte nicht realisiert werden. Aber Wüstenstrom wurde im breiten Kreis salonfähig gemacht. ©Bild: Dii GmbH

10. Jahrestag von Desertec: Energiewende in der Wüste – die Vision ist bereits Wirklichkeit

(GH) Ziemlich genau vor zehn Jahren ging ein unglaublicher Hype durch die deutsche Medienlandschaft: Auslöser waren das Interview eines Rückversicherers in der Süddeutschen Zeitung und eine völlig überfüllte Pressekonferenz am 13. Juli 2009. „Wir verfolgen einen grossen Plan", erklärte Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Münchener Rück damals. Der weltgrösste Rückversicherer Munich Re hatte Journalisten zur Präsentation eines völlig neuartigen Industrievorhabens eingeladen – der Gründung eines Zusammenschlusses jenseits der alltäglichen Konkurrenz - „Desertec Industrial Initiative“ (Dii) nannte sie sich.


Das Ereignis brachte es bis in die Hauptausgabe der ARD-Tagesschau. Die Telefonleitungen der Munich Re-Pressestelle brachen unter dem Ansturm schier zusammen: zu Hunderten gingen Auskünfte, Interviewbitten und Besuchsanfragen ein.

Bestechende Vision
Die Vision der kurz zuvor gegründeten Desertec Foundation und ihres Ideengebers Gerhard Knies war bestechend: Die südlichen Nachbarregionen Europas mit starker Sonneneinstrahlung sollten mit Kraftwerken für erneuerbare Energien (zunächst Solarthermie, CSP) bestückt werden; der Strom sollte dann über spezielle Leitungen (HGÜ, Hochspannungsgleichstromübertragung) nach Europa fliessen. Kostenabschätzung über 40 Jahre für 100 Gigawatt (15 Prozent des europäischen Strombedarfs): alles in allem 400 Milliarden Euro.

Das hatten Studien des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) schon früher gezeigt – und auch, dass die Wüsten der Erde in weniger als sechs Stunden so viel Energie von der Sonne empfangen, wie die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Eine Wüstenfläche von nur 300 mal 300 Kilometern reiche theoretisch aus, um die ganze Welt mit Sonnenstrom zu versorgen. „Mit anderen Worten: Energie ist im Überfluss vorhanden“, stellte der (2018 verstorbene) Physiker Knies, Club of Rome-Mitglied und Aufsichtsratsvorsitzender der Desertec Foundation, klar. „Die Frage, die wir lediglich beantworten müssen, ist: Wie kann man diese Energie hinreichend kostengünstig in nutzbare Energie wie Strom (und, wie wir heute wissen, z. B. Wasserstoff) umwandeln und zu den Verbrauchern transportieren?“

Der Urknall
Am 30. Oktober wurde dann die Dii GmbH von 13 Gesellschaftern endgültig aus der Taufe gehoben. Neben Desertec Foundation und Munich Re unterschrieben u. a. die Deutsche Bank, Siemens, ABB, E.ON und RWE (heute Innogy). Acwa Power aus Saudi-Arabien und die chinesische State Grid Corporation stiessen bald dazu – und blieben später als einzige gemeinsam mit Innogy dabei. Der damalige Siemens-Chef Peter Löscher schwärmte vom "Apollo-Projekt des 21. Jahrhunderts". Journalisten greifen gerne zu Superlativen: „Herkulesaufgabe“, „grösstes Energie-Projekt der Geschichte“, „400-Milliarden für Solarkraftwerke in der Wüste“, „gigantisches Industrievorhaben“ und „Mega-Projekt der Energietechnik“ purzelten die sensationsheischenden Grossbegriffe durcheinander.


Die Mühen der Ebene
Natürlich weckten sie übertriebene Erwartungen und schnell die ersten skeptischen Kommentare. Als hätte man bei der Dii die 400 Milliarden schon in der Portokasse, oder, als käme übermorgen der erste Wüstenstrom aus deutschen Steckdosen. Im Gegenteil: Für die Dii-Anhänger begann erst einmal eine Durststrecke, die vielzitierten Mühen der Ebene. In nüchternen Arbeitsgruppen analysierten 35 Fachleute in einer Alt-Schwabinger Büro-Villa die Möglichkeiten, wie die Desertec-Vision wahr, wie sie zu einem ersten konkreten vorzeigbaren Projekt werden könnte, dem dann Dutzende weitere folgen würden. Dafür wurde ein weltweites Netzwerk von Industriepartnern aufgebaut.

Kleine Anfänge – Kampf mit Vorurteilen
Gründungs-Geschäftsführer Paul van Son suchte sich zunächst allein mit einer Sekretärin seine Truppe aus den Gesellschafterfirmen heraus. Studien wurden in Auftrag gegeben: Trägt die Vision denn überhaupt in der Wirklichkeit? Wo würden die 400 Milliarden Investitionen herkommen? Wo sollten die ersten Referenzprojekte stehen?

Nicht wenige Vorurteile mussten ausgeräumt werden. Eines lautete „Solar-Imperialismus“ oder „Neo-Kolonialismus“ – ein anderes „CSP (konzentrierte Solarenergie) wird immer zu teuer bleiben!“ Oder: „Ihr schafft neue Energiemonopole!“ Die Dii-Leute versicherten bei jedem einschlägigen Event, bei Konferenzen und Messen, man wolle die Energieversorgung der MENA-Länder, sozusagen als Desertec 2.0 auf Augenhöhe, entwickeln, zuerst deren eigene Versorgung mit sauberer Energie sicherstellen, als Basis auch für günstigen Export von „grünen Elektronen“ oder „Molekülen“. 2014 dann der Umbruch: Zahlreiche Gesellschafter und Assoziierte Partner stiegen aus, die Dii zog um, unterstützt von drei Gesellschaftern und 20 assoziierten Partnern, nach Dubai in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Dii hat Energie aus den Wüsten salonfähig gemacht
Van Son zeigte sich „absolut zufrieden“ mit dem Erreichten: „Wir haben Wüstenstrom in breitem Kreis ‚salonfähig‘ gemacht. Was am Anfang noch als ‚exotisch‘, teilweise als ‚Lachnummer‘ dargestellt wurde, wird nun ein überzeugender wirtschaftlicher Faktor, umweltfreundlich, sicher und preiswert. Man denke an das enorme Windpotenzial, das heute in Ägypten, Marokko und anderen Ländern bereits erschlossen wird.“ Schon heute hätten die Erneuerbaren der Kohle, dem Öl und dem Atom den Rang abgelaufen, was die Rendite anbelange, von der Umwelt- und Klimaschädlichkeit ganz zu schweigen.

Für Cornelius Matthes, Dii-Geschäftsführer für die MENA Region, „geht der Trend eindeutig in Richtung ‚keine Emissionen“. Man habe viele assoziierte Partner, zum Beispiel auch Siemens, wieder ins Boot geholt und arbeite an einer Reihe von Themen – von Energieerzeugung, -übertragung, über Speicherung bis hin zu flexiblem Verbrauch – vor allem aber Kühlung und Wasserstoff. Matthes: „Marokko, die Emirate und neulich auch Saudi-Arabien haben mehrfach die Absicht geäussert, emissionsfreie Energie als Wasserstoff oder Strom auch nach Europa zu exportieren“. Die Photovoltaik-Kraftwerke in Nordafrika und dem Nahen Osten produzieren Strom für 2-4 ct/kWh oder gar weniger. Eine ähnliche Spanne gilt für Windkraft in Ländern wie Marokko, Ägypten oder Saudi-Arabien. Die Preise werden in naher Zukunft deutlich weiter sinken und die Energiekette wird flexibler werden. Da können fossile Kraftwerke oder Kernenergie nicht mithalten. Die Dii hat sich über die Jahre als geschätzter Gesprächspartner auf hoher Ebene in der gesamten MENA-Region etabliert, bei öffentlichen Institutionen und der Privatwirtschaft.

Die Vision von der Wüstenenergie ist bereits Realität
Heute zählt die Dii mehr als 700 Solar- und Windprojekte in der MENA Region. Nach dem ersten 100 MW-Solarkraftwerk Shams in Abu Dhabi (siehe ee-news.ch vom 20.03.2013 >>) und 500 MW Wind in Ägypten (ee-news.ch vom 12.9.2019 >> und ee-news.ch vom 28.12.2016 >>) fing es in 2010 in Marokko richtig an – mit Noor 1 bis 4 bei Ouarzazate (einer der grössten Solarparks der Welt, der grünen Strom für etwa 1.3 Millionen Menschen liefert, siehe ee-news.ch vom 14.6.2019 >>, ee-news.ch vom 3.5.2017 >> und ee-news.ch vom 9.2.2016 >>): Heute stehen schon viele Solar- und Windanlagen in zahlreichen Ländern rund ums südliche Mittelmeer, mit einer Gesamtleistung von mehr als 10‘000 MW. Laut Matthes wird man „dort auch ins inzwischen als lukrativ erkannte Power-to-X-Geschäft einsteigen.“ Dann komme auch grünes Gas nach Europa.

Van Son: „Wir kommen damit zu Desertec 3.0. Seit etwa 2015 sind Solar- und Windenergie ohne Subventionen wettbewerbsfähig. Die lokale Entwicklung, die wir als Desertec 2.0 definiert haben, ist damit gesichert. Neben der Stromübertragung in entfernte Märkte, wie Europa oder Indien, sehen wir auch eine schnelle Entwicklung im Bereich grüner Wasserstoff, Ammoniak und synthetische Treibstoffe, sogenannte ‘Green Molecules’. Das wird schliesslich nicht nur lokal sondern weltweit – also auch in Deutschland – zur emissionsfreien Energieversorgung beitragen. Dem entspricht auch der neue Wahlspruch der Dii: ‚Our Mission: No Emissions‘.

Energiewende in der Wüste – die Vision ist bereits Wirklichkeit
Inzwischen erscheint die englische Übersetzung von Paul van Sons Buch (gemeinsam mit Thomas Isenburg) über die Dii: „Energiewende in der Wüste – die Vision ist bereits Wirklichkeit“. Van Sons Moral der Geschichte: „Deutschland braucht keine komplexen oder komplizierten Diskussionen, sondern kühle Macher mit dem klaren Ziel, schädliche Emissionen wo auch immer überflüssig zu machen.“

Für den 25. und 26. November lädt die Dii zu ihrer 10. Jahreskonferenz nach Berlin ein. Matthes, der die Konferenz mit seinem Team organisiert, dazu: „Vor zehn Jahren wurde ‚Desertec‘ als ‚Strom aus den Wüsten für Europa‘ verstanden. Heute steht Dii Desert Energy für saubere Energie und Arbeitsplätze für die Menschen in der Region und dafür, Nettoexporteur von ‚grünen Elektronen und Molekülen‘ – etwa Strom und Wasserstoff – zu werden, und damit das gesamte Energiesystem gemäss dem Motto ‚No Emissions‘ umzustellen.“

Text: Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

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1 Kommentare

Johann Hermann

Und wie hoch ist jetzt die Gesamtleistung dieser Anlage, und wie viel erhält/bekommt Deutschland davon?

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