Zwar ist eine Batterie im Vergleich zum Wasserstoffspeicher effizienter. Doch überall dort, wo keine ausreichenden Batteriekapazitäten mitgeführt werden können kann der Wasserstoff gute Dienste leisten. ©Bild: Alstom

Brennstoffzellen-Triebwagen: Mit Wasserstoffantrieb im Schwarzwald unterwegs

(©BJ) Der weltweit erste wasserstoffbetriebene Personenzug hat kürzlich im Schwarzwald seine Bergtauglichkeit unter Beweis gestellt. Der Triebwagen mit dem Namen „Coradia iLint“, gebaut von der Firma Alstom, hatte im vergangenen Sommer vom deutschen Eisenbahn-Bundesamt die Zulassung für den Fahrgastbetrieb auf dem deutschen Schienennetz erhalten. Seit Herbst verkehrt er bereits im flachen Elbe-Weser-Gebiet im planmässigen Verkehr – nun ging es erstmals auf die Schwarzwaldhöhen.


Leise surren die Elektromotoren, man hört ein wenig das Blasen des Lüfters der Brennstoffzellen, als der Zug in Offenburg in Richtung Freudenstadtseine seine Testfahrt startet. Deutlich ruhiger als mit Dieselmotoren ist das Fahrzeug allemal unterwegs – und auch deutlich sauberer. Denn es erzeugt nur Wasserdampf und Kondenswasser. Das Innendesign spiegelt die neue Antriebsenergie wider: Auf den Sitzbezügen sind Wasserstoff- und Wassermoleküle abgebildet. Ansonsten fällt dem Fahrgast kaum auf, dass es kein gewöhnlicher Zug ist.

Unscheinbar ins Zugdach integriert
Der Wasserstoff ist in Drucktanks auf 350 bar komprimiert; diese sind unscheinbar ins Zugdach integriert. Daneben befinden sich die beiden Brennstoffzellen mit jeweils 200 Kilowatt Leistung. Sie erzeugen mittels Wasserstoff Strom, womit ein Elektroantrieb auch auf Strecken ohne Oberleitung möglich wird.

Im Boden des Triebwagens sind zudem Lithium-Ionen-Batterien untergebracht, die beim Beschleunigen zusätzlichen Strom bereitstellen und auch der Versorgung der Bordsysteme wie Türen oder Klimaanlage dienen. Der Triebwagen bremst hauptsächlich elektrisch und gewinnt dann per Generator Bremsenergie zurück.

Reichweite von rund 1000 Kilometern
Eine Reichweite von rund 1000 Kilometern, eine Höchstgeschwindigkeit von 140 Kilometern pro Stunde und eine Betankung, die nicht länger als bei Dieselfahrzeugen dauert, machen das Fahrzeug praxistauglich. Die höheren Anschaffungskosten der Fahrzeuge liessen sich – so versichert der Hersteller – über die Lebensdauer mehrfach amortisieren, weil die Betriebskosten deutlich niedriger seien als bei Dieselfahrzeugen. Dem Konzept kommt dabei auch zugute, dass auf den Wasserstoff in Deutschland keine Mineralölsteuer anfällt.

Der Coradia iLint wurde von Alstom-Teams in Salzgitter und im französischen Tarbes entwickelt. Dazu bedurfte es aber eines zweiten Anlaufs; im Jahr 2012 waren zwei Ingenieure mit ihrer Idee noch bei ihren Vorgesetzten abgeblitzt. 2016 stellte Alstom dann aber doch einen Prototypen auf der Fachmesse Innotrans in Berlin vor. Das Bundesverkehrsministerium hat die Entwicklung des Fahrzeugs mit acht Millionen Euro gefördert.

Strategischer Grund
Dass der Triebwagen nun auf der Strecke in der Ortenau und im Nordschwarzwald in Kooperation mit der Verkehrsgesellschaft SWEG getestet wurde, hat auch einen strategischen Grund: Alstom hofft hier künftig zum Zuge zu komme. Die Ausschreibung des Fahrplanbetriebs läuft noch bis Ende März, und es sollen emissionsfreie Fahrzeuge eingesetzt werden. Im Fall eines Zuschlags würde Alstom für die Strecke 17 bis 20 solcher Regionalzüge liefern.

Aus Sicht der Energiewende ist der Einsatz von Wasserstoff eine attraktive Option, denn das Gas lässt sich in Zeiten, wenn Sonne und Wind Strom im Überfluss liefern, per Elektrolyse umweltfreundlich aus Wasser gewinnen. Man speichert also Ökoenergie und stabilisiert zugleich das Stromnetz, da man diesem zeitweilige Überschüsse abnimmt.

Batterie wäre effizienter…
Zwar ist – rein physikalisch betrachtet – eine Batterie im Vergleich zum Wasserstoffspeicher effizienter. Doch überall dort, wo keine ausreichenden Batteriekapazitäten mitgeführt werden können (zum Beispiel auch im Schwerlastverkehr) kann der Wasserstoff gute Dienste leisten.

Wichtig für den Klimaschutz ist freilich, dass das Gas ausschliesslich unter Einsatz erneuerbarer Energien erzeugt wird. Und das sollte zudem nur zu den Zeiten geschehen, wenn der Ökostrom nicht andernorts fossile Stromerzeuger ersetzen kann. Das heisst: In Stunden, in denen zum Beispiel viel Windstrom vorhanden ist, ist es immer sinnvoller, erst einmal die Kohle- und Atomkraftwerke weitestgehend zu drosseln.

Noch mit „grauem“ Wasserstoff unterwegs
An dem ökologischen Konzept des Wasserstoffzuges allerdings hapert es noch. In Niedersachsen, so muss Alstom zugeben, sei der eingesetzte Energieträger noch ein Nebenprodukt eines industriellen Prozesses. Allerdings hänge die Herkunft des Gases vom Auftraggeber ab – den Zügen ist es egal, ob sie mit sogenanntem „grauen“ oder „grünen“ Wasserstoff betankt werden.

©Text: Bernward Janzing

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