Mario Roost: "Die Wärmepumpen-Technologie kann längerfristig voraussichtlich zu 100 % mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Zudem ist sie ein Bindeglied zwischen elektrischer und thermischer Energie."

Systemgrenzen zur Berechnung der JAZ 2 und 4. JAZ 2 wird meist für Energienachweise verwendet. Im Vergleich zur JAZ 4 sind darin jedoch nicht alle elektrischen Verbraucher berücksichtigt. Quelle: Roost et al. 2018

Performance Gap bei MFH mit Wärmepumpe: Wie gross ist das Einsparpotenzial?

(ee-news.ch) Wie viel Energie kann mit Hilfe von Betriebsoptimierungen bei Mehrfamilienhäusern, bei denen die Raumwärme und das Warmwasser über eine Wärmepumpe bereitgestellt werden, eingespart werden? Und wie wirkt sich die Art und Häufigkeit der Legionellenschaltung auf den Endenergieverbrauch aus? Diese und weitere Fragen waren Gegenstand der Studie «WP-GAP: Performance Gap bei MFH mit Wärmepumpe – die Rolle der Betreiber», die vor kurzem veröffentlicht wurde.


Folgende Erkenntnisse konnten im Rahmen der Studie gewonnen werden:

  • Es gibt wenige ineffizient betriebene Wärmepumpen-Anlagen. Jedoch existieren viele, bei denen die Einstellungen energetisch nicht optimal sind. Im Mittel beträgt das realistische Einsparpotenzial 14 % des Stromverbrauchs. Die Ursachen dafür liegen meist in den zu hoch eingestellten Heizkurven, falsch gesetzten Heizgrenzen und im übermässigen Betrieb von Elektroheizeinsätzen oder Begleitheizbändern.
  • Die durchschnittliche Jahresarbeitszahl der untersuchten Anlagen liegt mit 2.8 deutlich tiefer als für Erdsonden-Anlagen normalerweise angenommen wird. Grund dafür ist unter anderem, dass elektrische Hilfs-Verbraucher wie Elektroheizeinsätze oder Begleitheizbänder häufig aus der Betrachtungsgrenze ausgeschlossen werden, obwohl sie einen bedeutenden Beitrag zum Stromverbrauch leisten (siehe Grafik).

  • Die Art und Häufigkeit der vorbeugenden Legionellenschaltung hat einen grossen Einfluss auf den Stromverbrauch der Anlagen (Bis zu 140 % Stromverbrauch zur Bereitstellung des Warmwassers, wird der Elektroheizeinsatz falsch eingesetzt, sind auch 200-300 % möglich).

  • Der verantwortliche Hauswart ist mit der Bedienung der Wärmepumpen-Anlage in den meisten Fällen überfordert. Zudem verhindern die bestehenden Garantieausschlüsse des Herstellers einen Eingriff in das System. Der Betrieb der Wärmepumpen-Anlagen in grösseren Wohngebäuden wird daher hauptsächlich durch das Servicepersonal der Hersteller begleitet. Doch eine energetische Optimierung ist in diesen Serviceangeboten in der Regel nicht enthalten. Die Einstellungen sind daher meist konservativ gewählt, um die Anzahl der Servicegänge zu minimieren.

Neben weiteren Detailinformationen zu den oben genannten Themen werden im Schlussbericht auf S. 111 unterschiedliche Lösungsansätze für die erkannten Problemstellungen diskutiert.

«WP-GAP: Performance Gap bei MFH mit Wärmepumpe – die Rolle der Betreiber»


Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie der Energiestrategie

Ein Gespräch mit Mario Roost, BSc ZFH Umweltingenieurwesen bei Lemon Consult und Autor der Studie «WP-GAP: Performance Gap bei MFH mit Wärmepumpe – die Rolle der Betreiber».

Inwieweit sind Wärmepumpenanlagen für Mehrfamilienhäuser generell zu empfehlen, liegt doch die durchschnittliche Jahresarbeitszahl mit 2.8 sehr tief?

Wärmepumpen sind insgesamt für die Gebäudeheizung unbedingt zu empfehlen und das nicht nur für Mehrfamilienhäuser! Die Normen, Planer, Installateure und Betreiber der Anlagen müssen jedoch mehr Wert auf eine sinnvolle Einbindung, Regulierung und den energieeffizienten Betrieb von Hilfsverbrauchern wie Elektroheizeinsätze und Begleitheizbänder legen.

Was bedeuten die Erkenntnisse der Untersuchung für die Verwaltungen und Hauswarte von Mehrfamilienhäusern, die mit Wärmepumpen beheizt werden?

Die Verwaltungen sollten bei der Organisation der Objektbetreuung auf eine klare Definition der Zuständigkeiten für den effizienten Betrieb der Wärmepumpe achten. Zudem sollte sichergestellt werden, dass die für den Betrieb zuständige Person über entsprechendes Know-how verfügt und Interesse an einem effizienten Betrieb der Anlage zeigt.

Inwieweit setzt der Bund aufs richtige Ross, wenn er Wärmepumpen als sinnvoll ansieht?

Die Wärmepumpen-Technologie kann längerfristig voraussichtlich zu 100 % mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Zudem ist sie ein Bindeglied zwischen elektrischer und thermischer Energie. Diese sogenannte Sektorkopplung bietet ein grosses Potenzial, was die Speicherung von Energie anbelangt. Im Bestreben nach einer stabilen Stromversorgung gewinnt das Thema Energiespeicherung mehr und mehr an Bedeutung. Somit ist die Wärmepumpe auch mit leicht reduzierten Jahresarbeitszahlen eine der Schlüsseltechnologien für die Umsetzung der Energiestrategie 2050.

Wenn Sie drei Wünsche offen hätten, um die Situation noch weiter zu verbessern, welche wären das?

In erster Linie wäre eine einfach verständliche, intuitive Bedienoberfläche der Heizungsregler wünschenswert. So könnten auch der Hauswart, als eine mit dem Gebäude und den Bewohnern vertraute Person, mit Hilfe von kleinen Weiterbildungskursen wieder näher an die Haustechnik-Anlagen herangeführt werden, um diese optimal zu betreiben. Hier liegt der Ball bei den Herstellern der Wärmepumpenregler und bei den Ausbildungsstätten für Hauswarte und Facility Management.

Weiter sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen diesbezüglich angepasst werden, damit die Kosten für eine Betriebsoptimierung auf die Miet-Nebenkosten abgewälzt werden dürfen. Dies würde das Dilemma beseitigen, dass der Eigentümer der Mietwohnungen die Kosten der Optimierung trägt, jedoch nicht von der Energieeinsparung profitiert. Diese Änderung müsste durch den Gesetzgeber herbeigeführt werden.

Da die Warmwassertemperatur am Speicherausgang einen immensen Einfluss auf die Effizienz der Gesamtanlage hat, wäre es erstrebenswert, wenn in den Normen sinnvolle Temperaturniveaus gefordert würden. Die aktuellen Diskussionen laufen leider in die gegenteilige Richtung. Grund dafür sind die Uneinigkeiten in den Fachbereichen Energie und Hygiene betreffend den Risikofaktoren, die zu einer Legionelleninfektion führen können. Viele Fragen im Bereich der Mikrobiologie zur Verbreitung von Legionellen und dem Infektionsrisiko sind zurzeit noch unbeantwortet (Weiteres dazu siehe Schlussbericht S.32, Kap 2.3.2 )

©Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

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