Grossdemo für den Erhalt des Hambacher Walds und den Kohleausstieg: 20‘000 Menschen wurden erwartet, 50‘000 kamen. ©Bild: BUND Bundesvorstand

Der Hambacher Wald ist nach BUND-Angaben 12‘000 Jahre alt und beherbergt viele geschützte Tierarten. Er war ursprünglich 4100 Hektar gross, jetzt sind noch 200 Hektar übrig. ©Bild: BUND Bundesvorstand

Nach dem Rodungsstopp war die Stimmung der unzähligen Demonstranten ausgelassen. ©Bild: BUND Bundesvorstand

Hambacher Forst: 50‘000 Menschen feiern Rodungsstopp und fordern Kohleausstieg

(ee-news.ch) Rund 50‘000 Menschen statt der erwarteten 20‘000 haben am Samstag, dem 6. Oktober, am Hambacher Wald in Nordrhein-Westfalen friedlich für einen schnellen Kohleausstieg demonstriert und vom Energiekonzern RWE einen Komplettverzicht auf die geplante Rodung des uralten Hambacher Waldes gefordert. Dabei sah es noch am Freitagmorgen so aus, als dürfe die von den Naturfreunden Deutschlands für das Demobündnis angemeldete Demonstration ‚Wald retten! Kohle stoppen!‘ überhaupt nicht stattfinden.


Am Donnerstagabend hatten Behörden nämlich versucht, die Grossveranstaltung zu verhindern. Die Aachener Polizei hatte die lange angekündigte Grossdemonstration mit dem Argument verboten, dass ein Sicherheitskonzept fehle. Daraufhin reichten die Naturfreunde Deutschlands am Freitagmorgen für das Bündnis Klage beim Verwaltungsgericht Aachen ein, die auch erfolgreich war: Das Verwaltungsgericht Aachen kippte das Demonstrationsverbot.

Mittelfristiger Rodungsstopp durchgesetzt
Ebenfalls am Freitag hatte das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster einem Eilantrag des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen das Land Nordrhein-Westfalen stattgegeben. Demnach darf der Hambacher Wald nicht gerodet werden. Dies gilt, bis über die Klage des BUND rechtskräftig entschieden ist, die seit April 2018 beim Verwaltungsgericht Köln anhängig ist. RWE rechnet damit, dass sich dies bis 2020 hinziehen kann. Den wirtschaftlichen Schaden aus den zu erwartenden Betriebseinschränkungen beziffert das Unternehmen nach einer ersten Bewertung auf einen niedrigen dreistelligen Millionen Euro Betrag jährlich ab 2019. Die RWE-Aktie brach am Freitag nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts um 8.5 Prozent ein.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Das Gericht erkannte mit seiner Entscheidung an, dass dieser Wald sehr wertvoll ist und durch die Rodung irreversible Fakten geschaffen würden. Nach Angaben des Gerichts konnten die Bezirksregierung Arnsberg und RWE auch nicht belegen, dass die sofortige Rodung aus tagebautechnischen Gründen notwendig sei oder weil anderenfalls die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre.

Zwei gute Tage für den Kohleausstieg
Der Donnerstag war also schon der erste gute Tag für den Kohleausstieg, der die im Demobündnis engagierten Organisationen – Naturfreunde Deutschlands, BUND, Campact, Greenpeace und der lokalen Initiative Buirer für Buir – zwar einige Nerven kostete, letztlich aber auch nochmals viele Menschen motivierte, an den schon lange geplanten Protesten nun auch wirklich teilzunehmen. So kam es also doch noch zur bislang grössten Anti-Kohle-Demonstration im Rheinischen Revier – und damit zum zweiten guten Tag für den Kohleausstieg. Während sich vor der Bühne am Veranstaltungsort zwischen Buir und Morschenich (alt) schon Zigtausende Menschen, darunter viele Familien, versammelt hatten, um Reden und Musik zu hören – zum Beispiel unterstützte auch die Pop-Rock-Band Revolverheld spielend den Kohleprotest –, herrschten auf den zubringenden Bahnstrecken und Strassen zum Teil chaotische Zustände.

Unzählige Demonstranten unternahmen teilweise kilometerlange Wanderungen über Feldwege, um den Veranstaltungsort überhaupt noch zu erreichen, gruppierten sich unterwegs und bildeten schliesslich nicht enden wollende Menschenströme, die bester Laune und teilweise singend zum Kundgebungsort liefen. Die hohe Zahl an Demonstranten ist interessant. Schliesslich war das Demonstrationsziel ‚Wald retten – Kohle stoppen‘ vorerst erreicht.

Es geht um mehr als den Hambacher Wald
Doch vielen Menschen ging es um mehr als den Hambacher Wald. Es ging nicht nur um den Kohleausstieg, sondern auch um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen Öl und Gas und um den Klimaschutz. Denn Deutschland ist der weltgrösste Verbrenner von Braunkohle und Braunkohle der klimaschädlichste aller Energieträger. Will Deutschland seine Verpflichtungen im Klimaschutz wissenschaftsbasiert umsetzen, muss die Kohleverstromung bis zum Jahr 2020 halbiert werden. Bis 2030 muss der Ausstieg aus der Kohle weitestgehend abgeschlossen sein.

Vor dem Hintergrund der rasanten Erderhitzung und des Pariser Klimaabkommens – dort wurde festgelegt, dass die Erderwärmung möglichst unter 1.5 Grad gestoppt werden soll – verhandelt gerade die von der deutschen Bundesregierung im Juni 2018 eingesetzte Kohlekommission über einen Kohleausstieg Deutschlands und will im Dezember ein Ausstiegszenario vorlegen. Allerdings deutet nach Angaben der Naturfreunde vieles darauf hin, dass weniger der Klimaschutz im Zentrum der Überlegungen steht als vielmehr das Hinauszögern eines extrem klimaschädlichen Zustands, nämlich der Kohleverstromung. Der Rodungsstopp kann der Kommission nun mehr Ruhe für ihre Arbeit verschaffen.

Hambacher Wald erhöht Wechseltrend zu Ökostromanbietern
Die Auseinandersetzung um den Hambacher Wald hat Auswirkungen auf den Wechseltrend von Stromkunden. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar Emnid im Auftrag von Greenpeace Energy erwägen 35 Prozent der Stromkunden einen Wechsel zu einem reinen Ökostromanbieter (siehe ee-news.ch vom 9.10.2018 >>).

Text: ee-news.ch, Quellen: Naturfreunde, BUND, RWE

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