Die Finanzkommissionen hatten die Gelegenheit, an einem Rundtischgespräch über die finanziellen Risiken zu diskutieren, die für den Bund bestehen. Im Mittelpunkt stand dabei insbesondere die finanzielle Lage der Kernanlagenbetreiber.

Finanzpolitisches Seminar der Finanzkommissionen: Auswirkungen der Stilllegung von AKW und der Entsorgung radioaktiver Abfälle auf den Bundeshaushalt

(PM) Die Finanzkommissionen des Nationalrates und des Ständerates haben sich an ihrem diesjährigen finanzpolitischen Seminar in Schaffhausen im Rahmen ihrer Aufgabe als Aufsichtskommissionen eingehend mit dem Stilllegungs- und dem Entsorgungsfonds sowie mit den Auswirkungen allfälliger Finanzierungslücken auf den Bundeshaushalt befasst. (Texte en français >>)


Die Finanzkommissionen haben sich aus folgenden Gründen für das Thema des Stilllegungs- und des Entsorgungsfonds entschieden. Das Schweizer Stimmvolk hat am 21. Mai 2017 mit 58 Prozent dem neuen Energiegesetz zugestimmt, das den Bau neuer Kernkraftwerke untersagt, was einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie zur Folge hat. Zur Finanzierung der Kosten, die durch die Stilllegung der Kernanlagen und durch die Entsorgung der radioaktiven Abfälle entstehen, wurden zwei Fonds eingerichtet, die der Oberaufsicht des Bundes unterstehen und mit Beiträgen der Anlagenbetreiber geäufnet werden. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat Mitte Juni 2018 den jüngsten Bericht zur Kostenstudie 2016 vorgelegt, auf deren Grundlage die Fondsbeiträge berechnet werden. Die Finanzkommissionen erachteten es im Hinblick auf die bevorstehende Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg und angesichts ihrer Einschätzungen der Kostenstudie 2016 für überaus wichtig, sich näher mit dem Finanzierungsstand der beiden Fonds und den Auswirkungen allfälliger Finanzierungslücken für den Bund zu beschäftigen.

Technische Herausforderungen bei der Stilllegung von Kernanlagen und bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle
Um sich eine umfassende Übersicht zu verschaffen, befassten sich die Finanzkommissionen eingehend mit den Rechtsgrundlagen der Energiestrategie 2050 sowie mit den technischen Herausforderungen, die mit der Stilllegung der Kernanlagen und mit der Entsorgung radioaktiver Abfälle einhergehen.

Benoît Revaz, Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE), eröffnete das Seminar mit einer Präsentation der einschlägigen Rechtsgrundlagen und der aktuellen Arbeiten des BFE im Hinblick auf deren Revision. Danach erläuterte er die Organisation der Fonds und deren Beaufsichtigung. Er ging insbesondere auf die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Akteure gemäss dem Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung (SEFV) ein sowie auf die Kaskadenhaftung gemäss Kernenergiegesetz (KEG). Im Anschluss informierte Hermann Ineichen, Leiter des Geschäftsbereichs Produktion der BKW AG, über das Projekt zur Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg. Dieses Projekt, das 15 Jahre dauert und rund 900 Millionen Franken kostet, endet mit dem Rückbau der Anlage. Die Entsorgung des radioaktiven Rückbaumaterials stand im Zentrum des Referats von Thomas Ernst, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA). Er erläuterte die Modalitäten für die Endlagerung der Abfälle, über die seiner Aussage nach nicht mehr gestritten wird. Offen ist hingegen noch die Fragen nach dem geeignetsten Standort für ein Endlager in der Schweiz. Sollte zur Standortwahl das Referendum ergriffen werden, könnte sich der gesamte Prozess um bis zu 15 Jahre verzögern.

Kostenstudie 2016
Michaël Plaschy und Martin Schwab von Swissnuclear, dem Branchenverband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber, präsentierten die Kostenstudie 2016 und den Finanzierungsstand der beiden Fonds, wodurch einige Fragen zur Kostenstudie 2016 geklärt werden konnten. Der Präsident der Verwaltungskommission des Stilllegungsfonds (STEFNO), Raymond Cron, lobte insbesondere die Qualität und die Professionalität der Studie. Ausserdem präzisierte er die Rolle der Akteure, welche die Kostenstudie prüfen müssen, und hob hervor, dass bei deren Erstellung die internationalen «Best Practices» eingehalten wurden.

Der Leiter des Prüfbereichs 3 UVEK der EFK hielt ebenfalls eine Präsentation zur Kostenstudie 2016. Er begrüsste die im Vergleich zu den früheren Studien deutlich verbesserte Kostentransparenz und die auf der Grundlage der EFK-Empfehlungen zur Studie 2011 vorgenommenen Anpassungen an der Governance der beiden Fonds. Die Leiterin der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) anerkannte, dass es Verbesserungen gegeben hat, kritisierte in ihrer Präsentation aber zum einen die Wirksamkeit der Kaskadenhaftung, an deren Schluss der Bund steht, und zum anderen den wachsenden zeitlichen Abstand zwischen dem Ende der Beitragspflicht und dem Zeitpunkt, an dem die Kosten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle tatsächlich anfallen. Es bestehe dadurch ein höheres Risiko, dass die Betreiber einer allfälligen Nachschusspflicht nicht nachkommen können und den Fonds deswegen Mittel fehlen.

Finanzielle Risiken für den Bund
Die Finanzkommissionen hatten zudem Gelegenheit, an einem von Ständerat Hannes Germann geleiteten Rundtischgespräch über die finanziellen Risiken zu diskutieren, die für den Bund bestehen. Im Mittelpunkt stand dabei insbesondere die finanzielle Lage der Kernanlagenbetreiber. Benoît Revaz erinnerte daran, dass eine Studie vor einigen Jahren keinen der Kernanlagenbetreiber als «too big to fail» bewertet hatte. EFK-Direktor Michel Huissoud hob die solide Finanzlage der Betreiber hervor, wies aber auch darauf hin, dass der Entsorgungsfonds die Endlagerungskosten decken muss und diese grösstenteils erst zu einem Zeitpunkt anfallen, an dem die Betreiberunternehmen eventuell gar nicht mehr existieren. Bei allfälligen Finanzierungslücken müsste dann zwangsläufig der Bund einspringen. Dieses Risiko wird vom Kernenergiegesetz zwar durchaus berücksichtigt, da es vorsieht, dass die Betreiber die Nachschusspflichten einhalten müssen, wenn die Fondsmittel nicht zur Deckung der Entsorgungskosten ausreichen, doch ist diese Pflicht nur schwer durchsetzbar. SES-Projektleiter Nils Epprecht betonte, dass die Schaffung einer Endlagerstätte für radioaktive Abfälle noch in weiter Ferne liegt und es deshalb unmöglich sei, die Finanzlage der Anlagenbetreiber vorherzusagen. Die Fonds müssten darum mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden. Raymond Cron erklärte, dass der Stilllegungsfonds keinerlei Liquiditätsprobleme aufweist, da diese Kosten direkt von den Betreibern getragen werden. Beim Entsorgungsfonds bestünde aber durchaus die Gefahr, dass die Mittel nicht ausreichen.

Piet Zuidema, Mitglied der NAGRA-Geschäftsleitung, präsentierte abschliessend, wie die anderen Kernenergie nutzenden europäischen Länder die Entsorgung der radioaktiven Abfälle finanzieren und welche Unterschiede zum Schweizer System bestehen. Die Schweiz sticht international durch die Präzision der angewandten Verfahren und die optimalen geologischen Bedingungen für die Schaffung von Lagerstätten für radioaktive Abfälle hervor.

Das finanzpolitische Seminar der eidgenössischen Finanzkommissionen fand am 25. und 26. Juni 2018 unter dem Vorsitz von Ständerat Hannes Germann (SVP, SH) in Schaffhausen statt. Dieses Seminar wird traditionell im Heimatkanton der Präsidentin bzw. des Präsidenten der für die Organisation zuständigen Kommission durchgeführt und bietet Gelegenheit für einen Austausch mit den Behörden des Gastkantons. Bei einem gemeinsamen Nachtessen kamen die Finanzkommissionen mit dem Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler, Vorsteher des Erziehungsdepartements, und mit Regierungsrätin Cornelia Stamm Hurter, Vorsteherin des Finanzdepartements, zusammen.

Text: Finanzkommissionen von National- und Ständerat

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